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26.01.17
11:07 Uhr
B 90/Grüne

Andreas Tietze zur Einrichtung eines Sondervermögens MOIN.SH

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 7+17 Einrichtung eines Sondervermögens MOIN.SH Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der verkehrspolitische Sprecher der Landtags- Landeshaus fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Andreas Tietze: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 023.17 / 26.01.2017


Die Küstenkoalition denkt klug voraus und investiert nachhaltig
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
um mit einem Zitat der Sportfreunde Stiller zu beginnen: Applaus, Applaus! Bund und Länder haben sich sowohl bei den Infrastrukturkosten als auch bei den Regiona- lisierungsmitteln geeinigt.
Vielen Dank Herr Minister Meyer für Ihren Einsatz. Dass es einen „Kieler Schlüssel“ gibt und damit mehr Geld für Schleswig-Holstein, das ist Ihr Verdienst!
Ich hoffe sehr, dass die Opposition die Leistung unseres Verkehrsministers anerkennt – Sie würden sich jedenfalls keinen Zacken aus der Krone brechen.
Insgesamt 470 Millionen Euro mehr können wir bis 2030 für den Regionalverkehr einpla- nen. Doch so verlockend das Füllhorn nun auch erscheint: Fünfzehn Jahre sind schnell um und wer weiß, was noch kommt.
Wer jetzt mit der Gießkanne durchs Land rennt und irgendetwas bestellt, muss sich darauf gefasst machen, 2030 wieder alles abzubestellen. Das wäre unklug.
Die Küstenkoalition denkt klug voraus und investiert nachhaltig. So machen wir das Land fit für die globalen Trends wie dem demographischen Wandel, der Landflucht und dem Kli- mawandel:
1. Elektromobilität zum Zuge kommen lassen! Seite 1 von 4 Im Gegensatz zur Straße ist das schon seit Jahrzehnten auf der Schiene Standard. Bun- desweit sind 60 Prozent der Strecken elektrifiziert. Bei uns nur halb so viele, weil der Kalte Krieg uns zur „Strategischen Dieselreserve“ machte.
Und so donnern Dieselzüge gerade in den windreichsten Gebieten im Energiewendland. Armdicke Auspuffrohre jagen jährlich 74.000 Tonnen Treibhausgas raus, während neben den Gleisen Windräder stillstehen.
Das ist Wahnsinn: Ruß plus Lärm plus Gestank und 28 Millionen Liter Diesel jedes Jahr. Eine schmutzige und vor allem teure Tasse Tee.
E-Züge sind schneller, besser, billiger. Egal ob klassisch per Oberleitung oder mit in Akkus oder Wasserstoff gespeichertem Windstrom.
„Schneller“ verkürzt die Fahrzeit und ermöglicht mehr Halte. Beides bringt mehr Fahrgäste und Einnahmen.
„Besser“ weil weniger Emissionen – sowohl Abgas wie auch Lärm – und mehr Halte mehr Akzeptanz erzeugen.
„Billiger“, weil drei Kilowattstunden Bahnstrom zu je zwölf Cent weitaus billiger sind als ein Liter Diesel für heute einen Euro.
Blickt man über die Jahrzehnte, mag man sich gar nicht ausmalen, was Diesel 2030 kosten wird. Die Vernunft gebietet: Dieselstinker kommen uns nicht mehr ins Haus.
Die Steinzeit ging nicht zu Ende, weil Steine ausgingen - Bronze war einfach besser. Ähn- lich wird es beim Öl sein: Strom aus Wind und Sonne sind einfach besser. Und von hier!
Wir würden pro Jahr zwölf Millionen Euro sparen, hätte der Bund bei uns so viel elektrifi- ziert, wie im übrigen Land. Hat er aber nicht und wird er auch nicht. Wir sind da im wahrsten Sinne des Wortes abgehängt. Vielen Dank Herr Bundesverkehrsminister.
Was blockiert die sinnvollen Investitionen? Bahninfrastruktur ist langlebig. Die Abschrei- bung läuft über Jahrzehnte. Kein Zugbetreiber bekommt so lange Aufträge. Deshalb inves- tieren sie nicht, obwohl sie von E-Zügen profitieren würden. DB-Netz investiert nicht, da dadurch nicht mehr Züge kommen und somit auch nicht mehr Trassengebühren.
Das gleiche gilt für andere einfache Maßnahmen: Vielerorts, so auch nach Husum und Flensburg, bummeln Züge nur mit Tempo 80, weil nur „Andreaskreuze“ die Übergänge si- chern. Mit Schranken wäre Tempo 120 drin.
Schnellere Fahrt bedeutet mehr Fahrgäste bedeuten mehr Einnahmen und diese bedeuten weniger Regionalisierungsmittel. Das lohnt sich. Wieder verhindert das mangelhafte Wech- selspiel zwischen Netz und Zügen, die Investition.
Genau da setzen wir mit unserem Sondervermögen an: Wir finanzieren vor und kassieren hinterher die Gewinne aus Kostenersparnis und Mehreinnahmen. Diese investieren wir dann wieder in neue Schienen.
Schiene finanziert Schiene! Versuchen Sie das mal mit einer Landesstraße.
Gleiches gilt für bessere Fahrgastinformationen: Leichter zu kaufende Fahrkarten zum Bei-
2 spiel mit Smartphones, WLAN im Zug und andere „Soft Skills“. Alles, was reisen angeneh- mer macht, verkürzt gefühlt die Fahrzeit: Komfort, Pünktlichkeit, arbeiten, spielen, surfen.
Kürzere Fahrzeit = mehr Kunden = mehr Einnahmen. Hier wollen wir ein Drittel der zusätzli- chen Mittel investieren.
2. Angebote auf Starken Linien ausbauen! Die reine Zugfahrzeit ist den Kunden wenig wichtig. Entscheidend ist die Reisezeit von Tür zu Tür.
Das haben wir für Kiel – Lübeck genau untersucht: Weniger Warten auf den nächsten Zug zählt mehr als fünf Minuten schneller fahren. Takt schlägt Tempo! Mehr Halte verkürzen den Weg zur Station beziehungsweise von dort zum Ziel gerade in Städten. Es lohnt sich Nah- und Regionalverkehr voneinander zu trennen.
Wir sollten das Land alle halbe Stunde mit Takt und Tempo verbinden. Wir brauchen ein Netz von „Starken Linien“. Für mehr Angebote und Qualität sehen wir ein weiteres Drittel der zusätzlichen Mittel vor.
3. Zug und Bus im ländlichen Raum fit machen! Züge bilden auch im ländlichen Raum ein Grundgerüst. Die Verknüpfung mit Fahrrädern, besonders elektrisch unterstützten, vervielfacht die Einzugsbereiche zusätzlich.
Deshalb wollen wir auch weitere Reaktivierungen. Trotzdem werden weite Teile des Landes nur auf der Straße erreichbar bleiben.
Oft fehlt dort ein attraktiver Nahverkehr völlig. Busse fahren zwar praktisch überall, aber viel zu selten. Das ist unattraktiv und verfehlt die Mobilitätsbedürfnisse. Wenn Kreise die Bus- verkehre für sich planen, enden sie oft an Kreisgrenzen. Die sind manchmal seltener und schwerer zu überwinden als früher der Eiserne Vorhang.
Das ist am Bedarf der Menschen vorbeigeplant. Menschen richten ihr Leben nicht nach Kreisgrenzen, sondern fahren dann mit dem Auto. Wir müssen die Angebote dem Wunsch nach flexibler und individueller Mobilität anpassen. Deshalb setzen wir auf ein Konzept aus „starken Linien“ und „flexibler Bedienung vor Ort“.
Wir wollen dem Busverkehr in den Kommunen mit fünf Millionen Euro im Jahr helfen, das Netz der starken Linien im ländlichen Raum fortzusetzen und dort, wo zu wenige Menschen wohnen, durch flexible Bedienungen zu ergänzen.
4. Den Gordischen Knoten der Tarife durchschlagen! Preisfrage an alle: Wie viele verschiedene Fahrkarten gibt es? 1312! Das sind mehr als un- ser Land Orte hat.
Hinzu kommen: Übergangstarife, Netz- und Sonderkarten mit und ohne Ermäßigungen, Fernfahrkarten mit ICE und IC, mit IC aber ohne ICE und dann ist da noch der HVV.
Mir wird schwindelig. Die beste Fahrkarte zu kaufen wird zur Sisyphos-Aufgabe. Selbst, wer es schafft, eine gültige Fahrkarte zu kaufen, bevor ihm sein Zug davongefahren ist, kauft oft zu teuer.
Echte Freaks kennen Tricks: Mit dem SH-Tarif bis zur HVV-Grenze und dort eine HVV- Karte kaufen. Aber Vorsicht: Lohnt sich nur manchmal.
3 Gruppenkarten sind billiger. Aber Vorsicht: Manchmal lohnt es sich, dass jeder seine Karte separat kauft.
Kennen Sie Sprötze? BahnCard 50-Kunden lösen gerne in dieses niedersächsische Ört- chen, wenn sie nach Hamburg wollen. Ersparnis: Zehn Prozent ab Kiel. Aber Vorsicht: Wer das ab Neumünster und Sylt versucht, zahlt drauf. Ab Lübeck ist es egal.
Dieser Tarifdschungel ist intransparent, teuer, ungerecht und abschreckend! Wie viele Menschen fahren nicht mit, weil sie vorher am Fahrkartenkauf scheitern oder ständig sich betrogen oder als dumm abgestempelt fühlen?
Wir müssen Tarife über den Tellerrand hinaus für Norddeutschland entwickeln, die als ge- recht empfunden werden und den Metropolen und ländlichen Räumen gerecht werden. Da- zu müssen wir Verbundgrenzen überschreiten und die Tarife an die Menschen anpassen.
Vierzig Prozent der Wege sind Freizeitverkehr, weitere 31 Prozent führen zu Besorgungen. Meistens fahren diese Menschen nach der für das Land besonders teuren Pendlerspitze. Wer fährt schon freiwillig frühmorgens los?
Warum müssen diese Reisenden so viel mehr bezahlen als die PendlerInnen? Hier fehlt ein Neun-Uhr-Ticket.
Wer im Land studiert, sollte es auch erkunden können. Wir wollen ein landesweites Semes- terticket als Einstieg in umlagefinanzierte Fahrscheine.
Für uns gilt die Vision des fahrscheinlosen Nahverkehrs. Utopie? Mitnichten!
Für einzelne Gruppen ist das schon längst so. Touristen fahren auf Kurkarte, Studenten auf Semesterticket, Angestellte auf Job-Abos und so weiter.
Der fahrscheinlose Nahverkehr ist da nur noch die Vereinigung all dieser Nischen zu einem runden Großen und Ganzen. Es sind schließlich nicht nur die Fahrgäste, die davon profitie- ren.
Es sind die Tourismusindustrie, deren Reisende sich frei bewegen, die Firmen, die sich vie- le Parkplätze sparen. StraßenanwohnerInnen freuen sich ebenso über freie Straßen und frische Luft wie AutofahrerInnen und FahrradfahrerInnen.
Wir nutzen die fünfzehn guten Jahre, um uns auf die Zeit danach vorzubereiten. Wir inves- tieren gezielt in:
- Einfache Tarife, möglichst fahrscheinlos. - Züge und Busse mit Takt und Tempo auf starken Linien. - Busse auf dem Land, die Menschen flexibel bedienen. - Strom statt Diesel. - Sondervermögen Mobilität & Innovation im Nahverkehr.
In diesem Sinne: Moin, Moin Schleswig-Holstein!
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