Lars Harms: Schleswig-Holstein wird keine Menschen in Länder zurück schicken, in denen Krieg und Terror herrschen
Presseinformation Kiel, den 25. Januar 2017Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 16+18+20 Anträge zur Abschiebung von Flüchtlingen Drs. 18/5025, 18/4980, 18/5023 „Das Land Schleswig-Holstein wird keine Menschen in Länder zurück schicken, in denen Krieg und Terror herrschen!“Afghanistan ist etwa so groß wie Deutschland und Polen zusammen. Mit fast 33Millionen Einwohnern ist es vergleichsweise dünn besiedelt. Mehr als 70 % derBevölkerung lebt in ländlichen Gebieten. Fast drei Viertel der Oberfläche Afghanistanssind von jeglicher Nutzung ausgeschlossen. Zudem ist die öffentliche Sicherheit seitGenerationen nicht mehr vorhanden. Die Lebensbedingungen sind vorsichtig gesagtschwierig. Das Land Schleswig-Holstein wird keine Menschen in Länder zurückschicken, in denen Krieg und Terror herrschen. Es ist daher für uns als SSW schlichtwegnicht nachvollziehbar, warum der Bundesinnenminister es sich derzeit anscheinend 2sehr einfach macht und sich auf ganze zwei kleine, als sicher geltende Regionen, inAfghanistan bezieht. In Bamiyan und Panjshir werden keine größeren bewaffnetenKonflikte ausgetragen. Allerdings geht das UNHCR davon aus, dass eine interneSchutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängigdavon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist. Und weiter sagt dasUNHCR, dass sich der Konflikt in den letzten Jahren zunehmend auf weitere Gebieteausweitet. Es ist also nicht auszuschließen, dass auch die letzten zwei kleinenvermeintlich sichereren Gebiete betroffen sein werden. Da jetzt massenhaft Afghanenhin abzuschieben, ist völlig unverantwortlich.Wir als SSW zweifeln nicht daran, dass Ausreisepflichtige grundsätzlich zurückgeführtwerden müssen. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen. Jedochentsteht derzeit der Eindruck von Seiten Berlins, als wolle man Abschiebungen umjeden Preis. Das kann in unseren Augen jedoch kaum ein gangbarer Weg sein. Essollten doch zu mindestens vernünftige Rückführungsvereinbarungen mit denHerkunftsländern gelten! Dieses Ziel scheint, beim Außen- und Innenministerium, aufhalber Strecke verloren gegangen zu sein. Die Bundesrepublik stolpert in Bezug auf dieAbschiebehemmnisse über die eigenen Füße. Dabei brauchen wir nicht mehr oder garschärfere Gesetze. Abschiebehindernisse sind die eigentliche Krux! Sie sollten imeigentlichen Zentrum der politischen Debatte stehen. Und dabei will ich gar nichtbestreiten, dass es sich hierbei um ein hoch komplexes und auch problematischesThemenfeld handelt. Wenn man jedoch zurück schaut und einmal guckt, was in denletzten zwei Jahren alles vorangebracht wurde, bin ich zuversichtlich, dass auch die 3Abschiebehindernisse angegangen werden können. Von daher wäre es sicherlichförderlich, dieses Thema ganz oben auf die bundespolitische Tagesordnung zu setzen.Humane Flüchtlingspolitik und Abschiebehaft passen aus unserer Sicht absolut nichtzusammen. Der Freiheitsentzug ist eine Strafe für Straftäter und nicht für Menschendie Schutz suchen vor Krieg und Terror. Das sieht die FDP anscheinend nicht so. EineAbschiebehaftanstalt soll jetzt die Lösung sein. So-genannte Gefährder sollen als erstesin Abschiebehaft. Aber, wenn jemand ausreisepflichtig ist, dann ist er ausreisepflichtig.Egal ob Gefährder oder nicht. Es gelten dann schon alle asylrechtlichen Vorschriften.Eine Sonderregelung für Gefährder hat deshalb Null Wirkung!Zu Recht hat das Land eine zentrale Einrichtung geschaffen, die die Angelegenheitender humanen Rückführung bündelt. Die Einrichtung in Boostedt stellt vor allem eineEntlastung für die Kommunen dar und letztendlich auch für das Land. Die Entlastungwird geschaffen, in dem man Asylbewerber mit geringen Bleibechancen erst gar nichtauf die Kommunen verteilt. Somit würde der Vorgang nicht übermäßig in die Längegezogen und das schont die staatlichen Ressourcen. Natürlich ist dies auch immer eineSache der Abwägung, denn das Asylrecht ist und bleibt an den Einzelfall desAntragsstellers gebunden. Daran werden auch die sicheren Herkunftsländer nichtsändern. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Bestimmung als sicheres Herkunftslandfür Marokko, Algerien und Tunesien kommen wird. Das ist aber keine Vorabfestlegung,sondern führt letztlich nur zu einer Verwaltungsvereinfachung. Am Ende kann jederseinen individuellen Asylgrund vorbringen und im Falle der Berechtigung, wird diesenAsylgesuchen dann auch stattgegeben werden müssen. So sagt es das Asylrecht und soverlangt es der Rechtsstaat! 4In dieser Situation sind wir dann auch ganz schnell wieder bei denAbschiebehindernissen. Denn einige der Maghreb-Staaten erweisen sich nicht geradeals Freunde der Kommunikation und Zusammenarbeit mit Deutschland. DieRücknahmeabkommen sind die eigentliche Herausforderung. Wenn man mit denStaaten vernünftige Abkommen schließen würde, nach denen dann die Rückführungorganisiert werden könnte, wäre viel gewonnen. Es würde hier massiv Druck abgebautwerden. Und es lohnt sich hier intensiver politisch zu arbeiten, anstatt ständig anirgendwelchen Gesetzen herumzudoktern, die dann doch nichts bringen.Denn es scheint ja so zu sein, dass es Gesetzesverschärfungen aufgrund des Anschlagesin Berlin geben wird. Hier wird wieder ein äußerer Anlass genommen, um schnell ausder Hüfte zu schießen. Da werden Fußfesseln gefordert, ohne darüber nachzudenken,wer die dauerhafte Überwachung dieser Fußfesselträger bewerkstelligt. Für diedauerhafte Beobachtung einer Person bräuchte man, wenn niemand krank wird,mindestens 7 Personen, die nichts anderes tun, als vor dem PC zu sitzen. Und da wüssteman immer noch nicht mit wem der jeweilige Beobachtete sich trifft und was er sonstso macht. Auch vom Attentäter in Berlin hätte man nur gewusst, dass er auf der Straßefährt und sich dem Breitscheidplatz nähert. Und auf der Straße fahren – auch in Berlin– ist ja nicht verboten. Gewonnen hätten wir dabei nichts. Besser wäre es, sich über dieAusstattung und die Personalstärke der Verfassungsschutzbehörden zu unterhalten.Wie wir diese stärken können, ist die eigentliche Fragestellung, die angegangenwerden sollte, stattdessen diskutiert man in Berlin nur Placebos. 5Der Ton von Seiten der Bundesregierung ist zweifelsfrei härter geworden. DasAsylrecht darf dieser Härte aber nicht zum Opfer fallen und ausgehöhlt werden. Denndie aktuelle Entwicklung macht doch nachdenklich. Wir als Landespolitik solltenCourage beweisen, auch unbequeme Fragen zu stellen und nicht den vermeintlichbequemsten Weg wählen. Die Debatte um Rückführungen nach Afghanistan ist dabeinur ein Beispiel. In diesem Fall begrüßen wir das Vorgehen von Minister Studt, dereindeutige Informationen zur Sachlage gefordert hat und bis dahin ein Abschiebestoppverhängt hat. Das ist sein gutes Recht, schließlich sollten solche Entscheidungen nichtanhand von Facebook-Posts entschieden werden.Es ist ein leichtes, komplexe Fragestellungen mit einfachen Lösungen beantworten zuwollen. Unsere Aufgabe bei all den Fragestellungen ist es aber, der RechtsstaatlichkeitVorrang zu geben und die Menschlichkeit in den Vordergrund zu rücken. Und dabeibleibt es!Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html