Bürgerbeauftragte zum neuen Bundesteilhabegesetz: Vieles gut - manches könnte besser sein
Nr. 261 / 16. Dezember 2016Bürgerbeauftragte zum neuen Bundesteilhabegesetz: Vieles gut – manches könnte besser seinNun ist es amtlich – das neue Bundesteilhabegesetz kommt. Nachdem der Bundestag am 1. Dezember das Bundesteilhabegesetz mit Änderungen verabschiedet hat, hat heute (Frei- tag) auch der Bundesrat in seiner 952. Sitzung dem Bundesteilhabegesetz zugestimmt. „Die Eingliederungshilfe ist damit endlich aus dem nachrangigen Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgelöst worden. Dieser Schritt war lange überfällig und ist nicht zuletzt dem beharrli- chen Auftreten der Menschen mit Behinderung und ihrer Interessensvertretungen zu ver- danken“, äußerte sich die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Sa- madoni, heute in Kiel.„Wenngleich einige Reglungen kritisch zu sehen und im Verwaltungsvollzug erst noch zu beobach- ten sind, so bewerte ich das neue Bundesteilhabegesetz in der jetzigen Fassung dennoch als Mei- lenstein und sehe darin eine große Chance auf mehr Teilhabe für die Menschen mit Behinderung.“ Besonders erleichtert zeigte El Samadoni sich darüber, dass der Zugang zu Leistungen der Ein- gliederungshilfe zunächst im bisherigen Umfang erhalten bleibe. „Damit ist die ursprünglich vorge- sehene Voraussetzung einer Teilhabeeinschränkung in fünf von neun Lebensbereichen vorerst vom Tisch.“ Nach Auffassung der Bürgerbeauftragten hätte das zu erheblichen Einschränkungen des berechtigten Personenkreises geführt. „Umso weniger verstehe ich, dass man bereits jetzt, im Jahre 2016, eine Änderung des leistungsberechtigten Personenkreises für das Jahr 2023 be- schlossen hat, die sich erneut an der Fähigkeit zur Teilhabe an gewissen Lebensbereichen orien- tiert“, kritisierte El Samadoni.Nach dem Willen des Gesetzgebers soll modellhaft erprobt und wissenschaftlich begleitet werden, wie sich die Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis praktisch auswirken, bevor sie zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. „Es wäre doch viel sinnvoller, zunächst das Ergebnis der wis- senschaftlichen Untersuchung abzuwarten und dann – im Anschluss – eine gesetzliche Änderung zu verabschieden“, äußerte die Beauftragte. 2Das neue Bundesteilhabegesetz enthält darüber hinaus neue, deutlich günstigere Regelungen zum Einkommen und Vermögen von Leistungsberechtigten. Partnereinkommen und -vermögen darf nicht weiter berücksichtigt werden. Zudem beläuft sich das Schonvermögen nach der Neure- gelung ab dem 1. Januar 2017 auf einen Betrag von zunächst 25.000 Euro. Bislang waren lediglich 2.600 Euro geschützt. Ab dem 1. Januar 2020 wird dieser Betrag auf etwa 50.000 Euro erhöht.„Dies halte ich für eine der größten Errungenschaften des neuen Gesetzes. Bislang wurden Leis- tungsbezieher und deren Familien auf Sozialhilfeniveau heruntergerechnet, wenn sie Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch genommen haben. Aus meiner Beratungspraxis weiß ich, dass dies oft fatale Folgen, beispielsweise die Aufgabe von Arbeitsverhältnissen, hatte. Dem hat der Gesetzgeber nun endlich ein Riegel vorgeschoben“, sagte El Samadoni.Beabsichtigt ist auch, den Vermögensschonbetrag in der Sozialhilfe durch eine Änderung der maßgeblichen Verordnung auf insgesamt 5.000 Euro anzuheben. Bisher belief sich dieser Betrag ebenfalls auf 2.600 Euro. Diese Änderung sei ebenfalls zu begrüßen, kommentierte die Bürgerbe- auftragte – „wenngleich sie aus meiner Sicht nicht weitreichend genug ist. Hier sollte eine Orientie- rung an den noch höheren Beträgen des SGB II erfolgen.“Lange diskutiert wurde auch das Verhältnis zwischen Eingliederungshilfe und Leistungen der Pfle- geversicherung. Fest steht nun, dass beide Leistungen wie bisher parallel in Anspruch genommen werden dürfen. Auch die Regelungen zum Zwangspoolen von Leistungen wurden eingeschränkt, was Assistenzleistungen im häuslichen Umfeld betrifft. Bei Assistenzleistungen, die zum Beispiel in den Bereich der Freizeitgestaltung fallen, steht es hingegen im Ermessen der Verwaltungen, diese nur als Poolleistung zu erbringen. „Hier gilt es genau zu beobachten, wie verantwortungsvoll die kommunalen Träger im Verwaltungsvollzug mit dieser Regelung umgehen werden“, so die Bürger- beauftragte . In gewissen Konstellationen, wie etwa im Bereich Beförderung/Mobilität, könne eine gemeinsame Inanspruchnahme durchaus sinnvoll sein. „Eine Bedarfsunterdeckung darf das Poo- len von Leistungen jedoch nicht zur Folge haben. Hier werde ich den Verwaltungen genau auf die Finger schauen“, mahnte El Samadoni.Bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf können sich Betroffene jederzeit an die Bürgerbeauftrag- te und ihr Team wenden.