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12.12.16
14:46 Uhr
Landtag

Bürgerbeauftragte: Bundessozialgericht bestätigt: Anspruch auf Schulbegleitung wird nicht durch das Schulgesetz beschränkt

Nr. 255 / 12. Dezember 2016

Bundessozialgericht bestätigt: Anspruch auf Schulbegleitung wird nicht durch das Schulgesetz beschränkt

Das Bundessozialgericht hat am vergangenen Freitag im Rahmen der mündlichen Verhand- lung zu einem Schulbegleitungs-Fall (B 8 SO 8/15 R), der eine Grundschülerin mit Down- Syndrom aus Baden-Württemberg betraf, seine bereits im Jahr 2012 geäußerte Rechtsauf- fassung (Az.: B 8 SO 10/11 R) erneut bekräftigt: Nach Feststellung der Kasseler Richter ist der sogenannte „Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule“ nicht nach den schul- rechtlichen Vorschriften des jeweils betroffenen Landes, sondern bundeseinheitlich durch Auslegung der sozialhilferechtlichen Vorschriften des SGB XII zu bestimmen. „In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein Ansprüche auf Schulbegleitung nicht unter Verweis auf die Inklusionsverpflichtung des Landes im Schulgesetz ablehnen dürfen“, kommentierte heute die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni.
Nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts in der Verhandlung verstößt die Einschränkung der bundesrechtlichen Leistung Schulbegleitung durch Landesrecht gegen die Gesetzgebungs- kompetenzen aus dem Grundgesetz nach Art. 72, 74 GG. Schulrecht und Sozialhilferecht stehen vielmehr nebeneinander und beeinflussen sich nicht gegenseitig. Damit ist klargestellt, dass die in einem Eilverfahren ergangene Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialge- richts aus dem Jahr 2014 (Entscheidung vom 17.02.2014, Az.: L 9 SO 222/13 B ER), in der das Schulgesetz zur Einschränkung der Leistungen herangezogen wurde, keinerlei grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht auf andere Fälle übertragen werden kann. Die Entscheidung des Landessozialgerichts war insbesondere von den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg herangezogen worden, um in zahlreichen Fällen den Kindern Leistungen der Schulbegleitung zu versagen. Die Kreise hatten durch eine Welle von Ablehnungen viele Familien in große Verzweif- lung gestürzt.
„Die Ausführungen des Gerichts sind konsequent, ansonsten wäre es zum Beispiel auch vor- stellbar, in Schleswig-Holstein durch ein Landesgesetz den Anspruch auf Grundsicherung für 2

Arbeitsuchende aus dem SGB II, also Hartz IV, abzuschaffen“, erläuterte El Samadoni. „Dass dies nicht möglich ist, leuchtet eigentlich jedem ein.“ Das Gericht hatte zudem bekräftigt, dass der pä- dagogische Kernbereich grundsätzlich eng auszulegen ist und gerade nicht betroffen ist, wenn die eigentliche Arbeit der Lehrer durch unterstützende Handlungen wie beispielsweise Hilfestellung bei der Fokussierung auf das Unterrichtsgeschehen, Hilfe bei der Selbstorganisation oder Unterstüt- zung bei der Interaktion mit Mitschülern und Lehrern, lediglich abgesichert wird.
Ausgehend von diesen Ausführungen des Gerichts mahnte die Bürgerbeauftragte: „Von den kom- munalen Trägern, insbesondere den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg, erwarte ich, dass sie diese grundsätzlichen Ausführungen des Bundessozialgerichts zeitnah in die Verwal- tungspraxis umsetzen und die widersprechenden kreiseigenen Richtlinien bis zu ihrer rechtskon- formen Anpassung nicht mehr anwenden.“ Die Kreise hatten in den Vollzugshinweisen, die in Richtlinien festgehalten wurden, zahlreiche Unterstützungshandlungen ausgeschlossen, wie zum Beispiel die Unterstützung bei der Mobilität, wenn eine Schule nicht bereits barrierefrei ausgebaut ist.
„Außerdem appelliere ich an die kommunalen Träger nunmehr – nach Klärung der Rechtslage und der bereits mit dem Land im November im Kommunalpaket getroffenen Einigung zur Kostentra- gung – zu einer längeren Bewilligungsdauer zurückkehren, damit die Hilfen wirken können und betroffene Familien endlich wieder Planungssicherheit haben“, äußerte El Samadoni abschließend, die mit ihrem Team allein in diesem Jahr fast 100 Eingaben von Bürgern zum Thema Schulbeglei- tung zu bearbeiten hatte.
Das Verfahren vor dem Bundessozialgericht wurde am 9. Dezember wegen zu klärender tatsächli- cher Fragen, wie beispielsweise der Höhe der Vergütung, an das Landessozialgericht Baden- Württemberg zurückverwiesen.
Bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf können sich Betroffene jederzeit an die Bürgerbeauf- tragte und ihr Team wenden.