Landesbeauftragter: Teilhabegesetz beschlossen, UN-Konvention nicht umgesetzt
Nr. 247 / 1. Dezember 2016Landesbeauftragter: Teilhabegesetz beschlossen, UN-Konvention nicht umgesetztDer Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung Schleswig-Holstein Ulrich Hase hat Veränderungen bei dem heute verabschiedeten Bundesteilhabegesetz festgestellt. Das Par- lament habe den Gesetzentwurf der Bundesregierung im Sinne der Menschen mit Behinde- rungen verbessert. Im parlamentarischen Verfahren wurden bedeutende Teile des Gesetzes nachgesteuert. Hase bilanziert dazu: „Allen Beteiligten war nach der Vorlage des Entwurfes klar, dass es ein Gesetz nach den Vorstellungen der Menschen mit Behinderungen nicht geben wird. Das heute beschlossene Gesetz ist der Auftakt für eine längst fällige System- änderung und wir müssen für weitere Verbesserungen kämpfen!“Die Bundesregierung hatte mit dem Entwurf des Bundesteilhabegesetzes den Wechsel von der Fürsorge zur Selbstbestimmung erklärt. Die Vorbereitungen zum Gesetzentwurf wurden über Jah- re gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen in vielen öffentlichen Veranstaltungen einge- leitet. Der vorgelegte Entwurf im Sommer 2016 löste jedoch starke Proteste aus. „Ein Gesetz, das die vermeintlich Begünstigten in Scharen zu Protesten auf die Straße treibt, hat dem nun verant- wortlichen Bundesparlament offensichtlich zu denken gegeben“, zeigt sich Hase erfreut über die erfolgreichen Widerstände.Die Nachbesserungen im Gesetz betreffen zum Teil die Hauptkritikpunkte. So wurde die neue Zu- gangsregelung zu Leistungen für Menschen mit Behinderungen entschärft und soll über einen län- geren Zeitraum erprobt und wissenschaftlich begleitet werden, bevor sie in Kraft tritt. Auch der Nachrang von Eingliederungsleistungen für Menschen mit Behinderung gegenüber der Pflege wurde aufgeweicht, so dass pflegebedürftige Menschen mit Behinderungen wohl nicht im zunächst befürchteten Maße in Pflegeeinrichtungen wechseln werden.Dennoch bleiben strittige Regelungen bestehen. So kritisiert der Landesbeauftragte, dass unklare Begriffe eingeführt werden, die voraussichtlich zu langwierigen Rechtstreitigkeiten zu Lasten der Leistungsberechtigten führen werden. „Menschen, die sich am wenigsten wehren können, wegen unpräziser Formulierungen auf den Rechtsweg und damit zu den Gerichten zu verweisen, halte ich 2für nicht verantwortbar“, kritisiert Hase. Unklar ist zum Beispiel eine neue Abgrenzung zwischen Leistungen, die die Betroffenen gemeinsam in Anspruch nehmen müssen und solchen, die für sie individuell bestimmt sind. Hier fürchtet Hase unterschiedliche Interpretationen. Nach seiner Ansicht kann es nur die Sichtweise geben, dass im Sinne der Selbstbestimmung die Menschen mit Behin- derung selbst erklären, zu welchen Formen gemeinsamer Inanspruchnahme sie bereit sind.Zusammenfassend erklärt Hase: „Das beschlossene Gesetz bleibt nach meiner Einschätzung hin- ter seinem eigenen Anspruch zurück, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. So wurde die von der Konvention geforderte Partizipation der Menschen mit Behinderungen im Sinne einer Mitwirkung nur rudimentär eingehalten und führte zu den vermeidbaren Protestaktionen.“Was das neue Gesetz für die Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein bedeutet und wie Regelungen im Lande angepasst werden, will Hase in einer Veranstaltung im kommenden Jahr aufzeigen. Er plant mit Partnern eine Veranstaltung am 14. Februar 2017 im Kieler Landes- haus zu dem Thema.