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18.11.16
12:50 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Infrastrukturgesellschaft Verkehr darf die Tariftreue nicht aushöhlen

Presseinformation Kiel, den 18. 11. 2016

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 16 Infrastrukturgesellschaft Verkehr ablehnen Drs. 18/4822

„Eine Aushöhlung der Tariftreue durch die Hintertür kommt für den SSW nicht infrage.“

Ob Schiene, Wasserstraßen oder eben die Bundesautobahnen: bei jedem dieser
Infrastrukturnetze wurde eine andere Lösung entworfen. Das Problem ist bei allen das gleiche:
wie plant, baut und erhält man Netze kostengünstig? Die Deutsche Bahn ist ein
Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form. Die Bilanz fällt zwanzig Jahre nach der
Umstellung aber nicht gerade positiv aus. Die Fernverbindungen sind teilweise schlechter als vor
zwanzig Jahren: Umsteigemöglichkeiten fallen weg, Fahrtzeiten werden länger.
Bei der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat man diese Entwicklung
miteinbezogen und daraus die Konsequenz gezogen, die Behördenstruktur des Bundes nicht
infrage zu stellen; also nicht den privatrechtlichen Weg einzuschlagen.
Und nun zu den Bundesautobahnen: Bund und Länder haben am 14. Oktober im Rahmen der
Neuregelung des bundestaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020 eine 2
Infrastrukturgesellschaft Verkehr vereinbart. Ich möchte hier noch mal deutlich sagen, wir als
SSW haben uns deutlich gegen eine solche Gesellschaft ausgesprochen. Aber hier dreht es sich
um ein Gesamtpaket der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Länder, und dies bedarf auch
Kompromisse. Das heißt also, wir werden anscheinend eine solche Infrastrukturgesellschaft
bekommen. Diese soll privatrechtlich organisiert sein. Finanzminister Schäuble möchte sogar
knapp die Hälfte, bis zu 49,9 Prozent, an private Investoren veräußern. Er verweist dabei auf
Österreich: Die Österreicher haben bereits eine Aktiengesellschaft – die ASFINAG – die für die
Autobahnen dort zuständig ist; und das bereits seit 1982.
Allerdings ist die Gründung und Einrichtung der neuen Infrastrukturgesellschaft nicht mit einem
Federstrich erledigt. Es taucht eine ganze Reihe von Fragen auf. Das Thema ist sehr komplex.
Niemand kann damit rechnen, dass es noch in dieser Legislaturperiode eine
Grundgesetzänderung zur Sicherung der Autobahnen, als unveräußerliches Eigentum des
Bundes, eine Gesellschaftsgründung und eine Satzung derselben erfolgen wird. Denn eine
Sicherung des Eigentums im Grundgesetz ist eine absolute Notwendigkeit, ohne die es
überhaupt keinen Fortgang der Diskussionen geben kann. Wann die Grundgesetzänderung
erfolgen wird, ist noch nicht klar.
Was aber sicher ist, ist die Verunsicherung der Beschäftigten. Die nehmen wir sehr ernst.
Die Übernahme von Beschäftigten ist zentraler Bestandteil der neuen Gesellschaft. Denn ohne
Menschen bleibt die neue Struktur ein bloßer Papiertiger. Uns erreichen Fragen vom Personal
beim „Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr“. Sie befürchten, dass die Übernahme allein in
Schleswig-Holstein eine Verringerung der Stellenzahl um 600 bedeuten kann. Ehrlicherweise
muss man sagen, dass das nicht nur mit der Infrastrukturgesellschaft zu tun hat, sondern auch
mit den Straßenmeistereien, die, so wird befürchtet, dann im Lauf der nächsten fünf Jahre
privatisiert werden könnten. Was ist dann mit der Böschungspflege? Oder dem Straßendienst an
den Autobahnen? Wird die Infrastrukturgesellschaft private Dienste einsetzen? Und werden dort
die Löhne gesichert werden oder drohen Dumpinglöhne? Wie steht es mit 3
Altersversorgungsansprüchen aus? Was ist mit den Planungs-Fachleuten? Bereits heute haben
wir große personelle Lücken in der Straßenbauverwaltung. Werden mehr Ingenieure eingestellt
werden oder wird die Arbeit noch weiter verdichtet werden als das bereits heute der Fall ist? Wie
wird sich das weiter entwickeln? Wir sprechen hier von tausenden Arbeitsplätzen in ganz
Deutschland, die im Zusammenhang mit den Autobahnen stehen. Ich denke, es besteht Konsens,
dass wir die neue Struktur nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausformen dürfen.
Eine Beschäftigungsgarantie wurde von den Gewerkschaften bereits frühzeitig ins Spiel
gebracht, um die Interessen der Beschäftigten zu schützen. Wie diese Garantie aussehen kann,
ist aber auch noch nicht geklärt. Auf jeden Fall muss das Tariftreuegesetz zum Zuge kommen.
Das ist eines der Kernprojekte der Küstenkoalition. Tarifliche Absicherung aller Beschäftigten ist
ein wichtiges Ziel, ohne die wir existenzsichernde Löhne wohl kaum halten können. Die
öffentlichen Arbeitgeber müssen hier mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Aushöhlung der
Tariftreue durch die Hintertür kommt für den SSW nicht infrage. Darum sollten die
Gewerkschaften von Anfang an in die Verhandlungen über einen Übergangstarif eingebunden
werden.
Zusammenfassend zeigen sich derzeit noch viele offene Fragen. Wir müssen die weiteren
Diskussionen erst einmal abwarten. Der Beschluss für eine Infrastrukturgesellschaft ist zwar
gefallen, aber dennoch ist noch lange nicht klar, wie genau diese aussehen soll.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html