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18.11.16
11:25 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 20: Die Bürgerversicherung muss endlich kommen!

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 18. November 2016


TOP 20: Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung herstellen (Drs. 18/4841)



Dr. Ralf Stegner:
Die Bürgerversicherung muss endlich kommen!


Deutschland ist ein reiches Land. Unsere Wirtschaft ist robust und innovativ; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind qualifiziert und leistungsbewusst. Der Wohlstand in Deutschland ist so groß wie nie zuvor. Aber um den Wohlstand und die Qualität des Wachstums in Deutschland zu sichern, stehen wir vor einem enormen Bedarf an Zukunftsinvestitionen in Bildung und öffentliche Infrastruktur. Inmitten unserer reichen Gesellschaft wächst die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen den Erfolgreichen und den Abgehängten.
Maßnahmen gegen Altersarmut und Pflegenotstand, konkrete Schritte für die Entgeltgleichheit, also gleicher Lohn für Männer und Frauen für gleiche Arbeit, sowie die Beseitigung des ausgeuferten prekären Niedriglohnsektors sind dringend notwendig.
Die soziale Frage ist wieder da. Und soziale Gerechtigkeit bleibt ein Kernanliegen dieser Koalition. Dafür lohnt es sich, kontinuierlich in vielen Bereichen zu kämpfen. Ein Beispiel ist die 2



Gesundheitspolitik: „Gesundheit ist die erste Pflicht im Leben“, hat Oscar Wilde geschrieben (in: „Bunbury oder Ernst muss man sein“).
Aber: Der Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung ist bundesgesetzlich bei 7,3 Prozent eingefroren worden. Kostensteigerungen werden dadurch allein den Versicherten aufgebürdet. Das kann real Zusatzbeiträge von bis zu 560 Euro jährlich bedeuten. In jedem Fall ist es eine einseitige Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Gunsten der Arbeitgeber.
Es ist ein Beitrag zur zunehmenden Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung. Aber worum geht es eigentlich: Es geht um die Finanzierung des medizinischen Fortschritts und der solidarischen Gesundheitsversorgung. Primär also um Fragen sozialer Gerechtigkeit und solidarischen Miteinanders und nicht wirtschaftlichen Wettbewerbs. Deshalb schlägt unser Antrag drei Positionen dieses Hauses vor:
1. Der nur von den Versicherten zu tragende Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung ist verteilungspolitisch ungerecht und ordnungspolitisch falsch. 2. Die einseitige Belastung der Versicherten muss beendet und die vollständige Parität wiederhergestellt werden. Das ist unsere klare Erwartung an die Bundesregierung. 3. Die solidarische Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege muss endlich kommen. Und ich füge hinzu: Ohne Bürgerversicherung sollte die SPD sich an keiner Koalition im Bund mehr beteiligen.
Tatsächlich braucht es eine breitere Finanzierungsbasis unseres Gesundheitssystems. Älter werdende Menschen, die Ausbreitung von Volkskrankheiten, aber auch die hohe Zahl vieler ernster Erkrankungen, etwa von Krebs, verbunden mit gleichzeitigem medizinischem Fortschritt – all das muss finanziert werden; und ich füge hinzu: solidarisch finanziert werden. Ein solch reiches Land wie das unsere kann es doch nicht zulassen, dass etwa Krebspatienten notwendige Medikamente nicht mehr verschrieben werden können, weil etwa Kontingente erschöpft sind. Das können wir doch nicht ernsthaft zulassen!
Wir haben es zuletzt in diesem Hause auch am Beispiel der Rente diskutiert. Die Sozialversicherungen leiden generell darunter, dass die großen Gruppen der Beamtinnen und Beamten und Selbstständigen nicht Teil des Systems sind. Das ist eine Belastung vor allem für 3



mittlere Einkommen. Die demografische Entwicklung und die stagnierende Lohnentwicklung Anfang des letzten Jahrzehnts haben diese Situation verschärft und die Beiträge erhöht. Die positive Beschäftigungsentwicklung unserer Tage kompensiert zwar vieles, ist aber keine strukturelle Zukunftslösung.
Um aber genau dieses zu erreichen, wollen wir die Bürgerversicherung einführen. Dazu müssen alle Bürgerinnen und Bürger in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung einbezogen werden. Wir wollen außerdem Kapital zusätzlich zum Erwerbseinkommen bei der Beitragsbemessung berücksichtigen, die Grenze hierfür muss deutlich angehoben – im Idealfall verfassungskonform sogar gänzlich abgeschafft – werden. Dieser Prozess wird Jahrzehnte dauern, deshalb muss er heute begonnen werden.
Das wird ein langer Weg, da sollten wir uns nichts vormachen. Umso wichtiger ist es, als ersten Schritt zur paritätischen Finanzierung der Beiträge zurückkehren, gerade um die mittleren und kleineren Einkommen und Renten zu entlasten.
Wer krank wird und/oder Pflege benötigt, steht ohnehin vor einer oft für einen selbst, aber auch für Angehörige schwierigen Situationen. Eine gute Absicherung und Vorsorge, auf die man sich verlassen kann, ist dann wichtiger denn je. Diese müssen wir gewährleisten. Als Sozialdemokraten haben wir dafür eine klare Idee. Die Bürgerversicherung muss endlich kommen!