Flemming Meyer: Wie eine Gesellschaft mit Minderheiten umgeht, ist ein Maßstab für Humanität
Presseinformation Kiel, den 17. 11. 2016Es gilt das gesprochene WortFlemming Meyer TOP 21 Rechte von trans- und intersexuellen Menschen stärken Drs. 18/4842 „Dem SSW als Partei der dänischen und friesischen Minderheit ist es ein besonderes Anliegen, die Rechte von trans- und intersexuellen Menschen durchzusetzen.“„Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung“, schreibt dieCDU Schleswig-Holstein in den Wahlprüfsteinen des Lesben- und Schwulenverbands. DieGesellschaft hat sich in den letzten Jahren enorm verändert, so dass in allen Parteien inzwischengleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften akzeptiert werden. Eben auch bei denKonservativen.Das steht eindeutig auf der Haben-Seite. Aber immer noch gibt es faktische Benachteiligung,Herabsetzung bei der Jobsuche und unprofessionelle sowie entwürdigendeVerwaltungsverfahren. Trans- und intersexuelle Menschen haben es immer noch schwer,anerkannt zu werden. Darum gibt es schon seit einigen Jahren im November Veranstaltungen, diedie Sichtbarkeit von transgeschlechtlichen Menschen erhöhen und auf Diskriminierungen 2hinweisen sollen. Sie zielen darauf ab, das Bewusstsein der Mehrheit für die Lebenslagen undInteressen der Transsexuellen Menschen zu erhöhen.Allein aufgrund der geringen Zahl von trans- und intersexuellen Schleswig-Holsteinerinnen undSchleswig-Holsteiner geraten diese Menschen oftmals in einen Exotenstatus, der überhauptnichts mit der Gleichstellung zu tun hat, sondern nur mit einer weiteren Facette derHerabwürdigung.Dem SSW als Partei der dänischen und friesischen Minderheit ist es ein besonderes Anliegen, dieRechte von trans- und intersexuellen Menschen durchzusetzen. Diese stellen ebenfalls eineMinderheit dar, die von der Mehrheit gerne als Randphänomen verdrängt und verniedlichtwerden. Wie eine Gesellschaft mit Minderheiten umgeht, ist ein Maßstab für Humanität. Darumlohnen sich der Einsatz und der Kampf für die Rechte auch einer zahlenmäßig sehr kleinenMinderheit, wie es die Trans- und intersexuellen nun einmal sind.Nach der aktuellen Statistik des Bundesjustizamtes wurden 2015 an deutschen Amtsgerichten1.648 Verfahren nach dem Transsexuellen Gesetz verhandelt. Das ist also eine sehr kleineVerfahrenszahl, die sich aber wahrscheinlich zukünftig ohne Therapiezwang erhöhen wird.Namensänderungen werden natürlich trotzdem nicht zu einer Massenerscheinung werden. Esbleiben immer nur wenige Betroffene. Ich weiß, dass einige Kolleginnen und Kollegen meinen,dass man sich lieber mit den großen Fragen beschäftigen sollte als nur für eine HandvollMenschen zu kämpfen. Ich halte das aber für falsch und werbe darum ausdrücklich für denvorgelegten Antrag.Zukünftig muss es selbstverständlich sein, Transsexualität nicht länger als Krankheit zuverstehen. Krankheit impliziert immer auch die Möglichkeit der Heilung, also auch der Therapie.Viele Betroffene geraten aber gerade dadurch unter einen enormen Leidensdruck mit teilweise 3schlimmen Folgen. Sie wollen ja gar nicht geändert werden, sondern ihr gefühltes Geschlechtausleben können. Es zeichnet sich allerdings eine generelle Trendwende ab: DieWeltgesundheitsorganisation wird wahrscheinlich bereits im nächsten Jahr die Grundlage dafürlegen, dass die entwürdigende Praxis der Therapie vor Operation eingestellt werden wird. DerNeuentwurf der Klassifizierung versteht Transsexualität nicht länger als psychische Störung,sondern als geschlechtliche Nichtübereinstimmung. Wenn die neue Definition wirksam wird, istder Weg für die Betroffenen zu einem neuen Vornamen einfacher, nachdem sie eineGeschlechtsangleichung vornehmen ließen. Und das ist gut so; für beide Seiten, denn damitbekommen auch die Standesbeamten im Land einen klaren Maßstab an die Hand. Wir solltennicht vergessen, dass Diskriminierung auch aus purer Unkenntnis erfolgen kann. Ich binzuversichtlich, dass die WHO-Definition hier einiges zur Klärung beitragen kann.Ich möchte kurz auf Intersexuelle eingehen, für die die zunehmende Dualisierung der Gesellschaftzu einem massiven Problem wird. Sie können nicht eindeutig sein in einer Welt, die inzwischenwirklich alles nach Geschlecht sortiert. So bietet der Discounter Aldi Mineralwasser für Mädchenund Mineralwasser für Jungs an. Wenig überraschend, dass intersexuelle Kinder noch bis vorkurzem ohne ihre Einwilligung operiert wurden, um ihnen Entscheidungen abzunehmen. Ärzteund Eltern meinten, im Interesse der Kinder zu handeln. Damit wurde aber großes Leid ausgelöst.Die Anerkennung von Intersexualität ist von grundlegender Bedeutung für alle intersexuellenKinder, die noch geboren werden. Intersexuelle Erwachsene können wir hingegen auf andereWeise unterstützen. Darum befürworten wir ausdrücklich die Stärkung der entsprechendenOrganisationen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html