Beate Raudies zu TOP 10: Verzicht auf Erhebung von Anliegerbeiträgen ist ungerecht
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 17. November 2016TOP 10, Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (Drs. 18/4815, 18/4884)Beate Raudies:Verzicht auf Erhebung von Anliegerbeiträgen ist ungerechtUnser Gemeinwesen finanziert sich durch Steuern, Gebühren und Beiträge. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist Teil dieses Systems zur Finanzierung von gemeindlichen Aufgaben. Die Grundsätze der gemeindlichen Einnahmebeschaffung sind in Schleswig- Holstein in der Gemeindeordnung geregelt, wie in anderen Bundesländern auch. Die Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ergibt sich also mittelbar aus § 76 Abs. 2 der Gemeindeordnung und nicht unmittelbar aus dem Kommunalabgabengesetz (KAG). Insofern, verehrte KollegInnen von der CDU, läuft ihr Gesetzentwurf ins Leere.Und auch der Änderungsantrag der Piratenfraktion macht deutlich: Sie haben nicht wirklich verstanden, wie das System der kommunalen Einnahmebeschaffung funktioniert. Um es deutlich zu sagen: Zunächst einmal die sonstigen Einnahmen, danach kommen Gebühren und Beiträge, also Entgelte für Leistungen, und dann erst die Steuern. Darin kommt ein Vorrang der Gebühren-und Beitragserhebung vor der Steuererhebung zum Ausdruck. 2Hinzu kommt, dass die Kommunen kaum eigene Möglichkeiten haben, Steuern zu erheben, und ihren Anteil an den Gemeinschaftssteuern erhalten sie nur über den Umweg über das Land. Deswegen ist das Land in finanziellen Angelegenheiten auch der Sachwalter der Kommunen. Und deswegen müssen alle gesetzlichen Regelungen, die in die Finanzausstattung der Kommunen eingreifen, sorgfältig diskutiert und geprüft werden.Die kommunale Landschaft in Schleswig-Holstein ist durchaus als heterogen zu bezeichnen. Da scheint „Wahlfreiheit“ auf den ersten Blick das Mittel der Wahl zu sein. Tatsächlich haben die Kommunen seit 2012 bereits ein Wahlrecht. Sie können sich nämlich entscheiden, ob sie die Ausbaubeiträge in Form von wiederkehrenden Beiträgen erheben. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2014 die Voraussetzungen dafür beschrieben. Ein weitergehendes kommunales Wahlrecht kann ich mir, auch im Hinblick auf den Rechtsfrieden im Land, nur schwer vorstellen.Wesentlich für die Erhebung von Beiträgen ist der Gedanke der Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten. Die Erschließung mit Straße, Abwasser, Wasser und Elektrizität ist Voraussetzung für die Bewohnbarkeit, und deshalb sind die Kosten für Errichtung und Erneuerung den Grundeigentümern als Vorteil zuzurechnen. Deshalb müssen sie sich daran finanziell beteiligen. Die Nutzung der Straßen durch Dritte wird mit öffentlichen Anteilen abgegolten, bei Straßen mit Durchgangsverkehr sind diese Anteile entsprechend höher.Ein Verzicht auf die Erhebung von Anliegerbeiträgen ist nach unserer Auffassung ungerecht und im Ergebnis nicht finanzierbar. Die Herstellung und der Ausbau von Erschließungsanlagen müssten dann aus allgemeinen Haushaltsmitteln der Gemeinden finanziert werden, wozu viele Kommunen gar nicht in der Lage wären. Zudem würden alle Bürgerinnen und Bürger an den Kosten beteiligt, unabhängig davon, ob sie diese Anlagen benutzen und ob sie überhaupt selbst Grundstückseigentümer sind. Die Wertsteigerung der Grundstücke kommt dagegen wenigen, nämlich den Grundstückseigentümern zugute, die Lasten sind aber von allen zu tragen.Ich habe Verständnis für die Sorge von Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern, durch die Erhebung von Ausbaubeiträgen in wirtschaftliche 3Schwierigkeiten zu geraten. Um dieses zu vermeiden, haben die Gemeinden die Möglichkeit, mit den Grundstückseigentümern nach deren Leistungsfähigkeit moderate Zahlungsbedingungen zu vereinbaren sowie bei der Festsetzung der Beträge auch Härtefälle zu berücksichtigen. Auch Vorleistungen auf die zu erwartenden Beiträge sind möglich, so dass die Belastung planbar ist. Und ich sehe die Städte und Gemeinden auch in der Pflicht, diese Instrumente verantwortlich und bürgerfreundlich einzusetzen.Auch beim Umfang der Ausbaumaßnahme und damit der anfallenden Kosten sollten die Bürgerinnen und Bürger ein Wort mitzureden haben. Die Gemeinden sind verpflichtet, die Planungen öffentlich vorzustellen und Anregungen und Bedenken der Betroffenen zu berücksichtigen. Einen Luxusausbau auf Kosten der Anlieger darf es nicht geben.Es ist nie leicht, darüber zu sprechen, dass man Bürgerinnen und Bürger belasten muss. Über Entlastungen zu sprechen, ist immer einfacher und selbstverständlich populärer. In dieser Diskussion sollten wir uns aber nicht von populären Argumenten leiten lassen, sondern von der finanziellen Situation unserer Kommunen und dem Wohl aller Bürgerinnen und Bürger.