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27.10.16
09:30 Uhr
Landtag

Zuwanderungsbeauftragter: Aktuelle Zahlen rechtfertigen geplantes Ausreisezentrum in Boostedt nicht

Nr. 208 / 27. Oktober 2016

Zuwanderungsbeauftragter: Aktuelle Zahlen rechtfertigen geplantes Ausreisezentrum in Boostedt nicht
Die Landesregierung plant, in Boostedt eine Landesunterkunft für Ausreisepflichtige einzu- richten. Nach Ansicht des Flüchtlingsbeauftragten Stefan Schmidt rechtfertigen aber weder aktuelle Zahlen, noch Statistiken der Vergangenheit dieses Vorhaben. „Die Erfahrungen mit dem Ausreisezentrum in Neumünster zwischen 2006 und 2008 zeigen, dass derartige Ein- richtungen nicht effektiv sind“, kritisierte Schmidt heute in Kiel.
In diesem Zeitraum reisten nur neun Prozent der Ausländer freiwillig aus, die verpflichtet waren, sich im Ausreisezentrum aufzuhalten. Rund drei Prozent wurden abgeschoben. Das ging aus einer Großen Anfrage der Grünen-Fraktion von 2009 hervor (Drucksache 16/2656). Neue Zahlen der Landesregierung belegen, dass Aufenthalte auch ohne das geplante Ausreisezentrum effektiv be- endet werden können. So wurden von Anfang Januar bis Ende Juli dieses Jahres bereits 570 Aus- länder abgeschoben – nur acht weniger als im gesamten Jahr 2015. Das besagt die Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Astrid Damerow und Peter Lehnert (Drucksache 18/4676). Von Januar bis Ende August gab es hingegen 948 freiwillige Ausreisen, die durch das REAG/GARP Programm gefördert wurden, so die Antwort auf die Kleine Anfrage des FDP- Abgeordneten Wolfgang Kubicki, FDP (Drucksache 18/4673).
Schmidt sprach sich aber nicht nur aufgrund der zu erwartenden mangelnden Effizienz gegen das Ausreisezentrum aus. Er kritisierte vor allem, dass die Nachteile für die betroffenen Schutzsuchen- den gegenüber den angeblichen Vorteilen – einer effektiveren und schnelleren Aufenthaltsbeendi- gung – stark überwiegen würden. „Ob eine Ausreise durch die Zentren tatsächlich beschleunigt wird, ist zweifelhaft“, sagte der Zuwanderungsbeauftragte. Bereits jetzt leiste das Landesamt für Ausländerangelegenheiten Amtshilfe für die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte, beispielsweise bei Botschaftsvorführungen, Passbeschaffungsmaßnahmen, der Durchführung von Abschiebungen, der Weitergabe von Informationen über die Herkunftsländer oder dem Herstellen des Kontaktes zu den Botschaften der Herkunftsländer. „Inwiefern dieses Verwaltungshandeln dadurch effektiver werden soll, dass sich die ausreisepflichtigen Personen im Ausreisezentrum aufhalten, erschließt sich mir nicht“, monierte Schmidt. 2

Auch wenn die Unterbringung in einem Ausreisezentrum keinen Haft- und Strafcharakter habe, werde dies mit Sicherheit von den Betroffenen so empfunden, so Schmidt. Sie würden aus ihrem Lebensumfeld gerissen, in dem sie zum Teil schon viele Jahre lebten. „Die mühsam aufgebaute soziale Infrastruktur würde dadurch zerstört werden, genauso wie der Kontakt zu den ehren- und hauptamtlichen Helfern“, warnte der Landesbeauftragte. Unabhängig von den Folgen für die aus- reisepflichtigen Ausländer werde das bei einigen der ehrenamtlichen Unterstützer sicher zu Miss- mut führen. „Und nicht zuletzt würde auch der Kontakt zu den vormaligen Beratungsstellen oder zu Migrantenselbstorganisationen, Moscheen und so weiter abgebrochen werden.“ Ob die Ausländer, die sich im Ausreisezentrum aufhalten müssten, zudem möglicherweise von der Öffentlichkeit oder von Bekannten als so genannte „Asylbetrüger“ stigmatisiert würden, bliebe abzuwarten, so Schmidt.
„Falls das Ausreisezentrum eingerichtet wird, sollten dort keine Familien mit minderjährigen Kin- dern und keine schwangeren Frauen untergebracht werden – und der Aufenthalt dürfte maximal zwei Monate dauern“, forderte der Zuwanderungsbeauftragte. Wäre eine Rückführung innerhalb dieser Zeit nicht möglich, sollten die Menschen an ihren vorherigen Wohnort zurückkehren dürfen.
Stefan Schmidt wies abschließend darauf hin, dass der Begriff „Ausreisezentrum“ im Jahr 2002 bei der Wahl zum Unwort des Jahres den zweiten Platz belegt hatte. Die „freiwillige Ausreise“ wurde zum deutschen Unwort des Jahres 2006 gewählt.