Jette Waldinger-Thiering: Familien mit niedrigen Einkommen brauchen unsere Unterstützung
Presseinformation Kiel, den 14.10.2016Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 47 Lernmittelfreiheit in Schleswig-Holstein Drs. 18/2502 und 18/4685 Es besteht zwar Lernmittelfreiheit, aber Eltern müssen in ganz unterschiedlichen Bereichen für ihre Sprösslinge in die Tasche greifen.Vorweg möchte ich mich bei den Eltern bedanken, die sich an der Umfrage beteiligt haben. Denndamit haben sie überhaupt erst möglich gemacht, dass wir uns hier über die Frage undBedeutung der Lernmittelfreiheit unterhalten können. Ohne verlässliche Daten wäre das nämlichschwierig.Schule kostet Geld. Es besteht zwar Lernmittelfreiheit, aber Eltern müssen in ganzunterschiedlichen Bereichen für ihre Sprösslinge in die Tasche greifen. Das fängt Zuhause mitdem Schreibtisch, dem passenden Stuhl oder dem Computer an. Und es hört vielleicht mit demKauf eines Schlafsacks für die Klassenfahrt auf. Das sind alles Betreuungskosten, die imZusammenhang mit dem Schulbesuch entstehen. Ich weiß, dass sich gerade Eltern an derSchwelle zum Hartz IV-Bezug sehr schwer damit tun, allen diesen finanziellen Anforderungen 2gerecht zu werden. Oftmals müssen dann die Großeltern einspringen. Andere Eltern lassendagegen gern einmal etwas springen und verwöhnen den Nachwuchs jedes Jahr mit einemneuen Schulranzen, der einen dreistelligen Betrag verschlingt. Oder buchen eine Nachhilfestundefür den gleichen Betrag.Gerade wegen dieser Unterschiede halte ich es für besonders wichtig, belastbare Zahlen zuerheben. Wir wollen genau wissen, welche Aufwendungen die Familien tatsächlich haben. Derstatistische Durchschnittswert von 1.000 Euro pro Schuljahr dient erst einmal der Orientierung.Hier besteht ohne Frage noch weiterer Informations- und Diskussionsbedarf.Unabhängig davon zeigt der Schulalltag, dass manche Lehrkräfte erst sensibilisiert werdenmüssen, verschämte Finanznöte der Eltern und Kinder zu erkennen. Gerade weil einige Eltern imwahrsten Sinne des Wortes keine Kosten scheuen, bedeutet das nicht, dass das für alleSchülerinnen und Schüler einer Klasse gilt. Ich mache das mal ganz einfach fest an denSchulausflügen. Da können auch ohne Mittagessen gerne mal 250 Euro für eine viertägigeKlassenfahrt innerhalb Schleswig-Holsteins zusammen kommen. Für eine alleinerziehendeMutter mit zwei Kindern ist damit der Monat gelaufen. Da frage ich mich: Warum werden keineAlternativen geprüft? Oder warum wird nicht rechtzeitig auf diese Ausgabe hingewiesen undeine Ratenzahlung ermöglicht?Ein anderes Beispiel: Viele Eltern gehen jedes Jahr nach den Sommerferien mittels langer Listengenau vorgeschriebene Schulmaterialien einkaufen. Andere Schulträger setzen dagegen auf denzentralen Einkauf, so dass allen Kindern Mappen und Hefte für eine vergleichsweise niedrigePauschale zur Verfügung gestellt werden können. Und wenn es schon keinen zentralen Einkaufgibt, dann würde ich mir zumindest ein wenig mehr Augenmaß wünschen. Es muss ja wohl keinelila Mappe für ein bestimmtes Schulfach sein, die fast zwei Euro kostet, weil es sie nicht im 3Zehnerpack beim Discounter gibt. Eine andersfarbige Mappe erfüllt vermutlich den gleichenZweck. So manche Anschaffungsliste treibt einigen Eltern wirklich den Schweiß auf die Stirn.Das sind nur einige Beispiele, wo man die Eltern finanziell entlasten könnte. Elternvertreter undKinderschutzbund sind bekanntlich sehr intensiv an dem Thema dran. Das finde ich gut undrichtig. Und doch meine ich, dass hier bei allen Akteuren Augenmaß angesagt ist.Hier wird gerne auf das ach so schöne Bildungs- und Teilhabepaket verwiesen. Doch dieses Paketist nur eine unzureichenden Lösung, weil die Antragstellung kompliziert ist und die Beihilfenaußerdem nur Hartz-IV-Familien zur Verfügung stehen. Dass Geringverdienende hier leerausgehen, darf nicht sein. Der Kreis der Empfänger muss erweitert und die Beantragungerleichtert werden. Einige Schulen haben aus diesem Grund einen Elternfonds eingerichtet, derohne großen bürokratischen Aufwand die wichtigsten Dinge finanziert. Auch das kann einepragmatische Lösung sein, um Engpässe zu überbrücken.Wenn wir ehrlich sind, dann stehen wir hier aber noch am Anfang. Wir müssen auch in Zukunftgenau hinsehen und weitere Gespräche führen, um wirklich allen annähernd gleicheBildungschancen zu geben.