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13.10.16
16:36 Uhr
B 90/Grüne

KORREKTUR: Burkhard Peters zu Justizvollzugsanstalten sowie Gerichten und Staatsanwaltschaften in SH

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 8 + 16 – Entwurf eines Gesetzes zur Wieder- Landeshaus herstellung und Sicherung der Funktionsfähigkeit der Düsternbrooker Weg 70 Justizvollzugsanstalten in SH 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Dazu sagt der rechtspolitische Sprecher der Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de Burkhard Peters: www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 434.16 / 13.10.2016


Mit einer solchen Retropolitik können wir nichts an- fangen Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte hier nicht noch einmal darauf eingehen, was wir alles an personellen Maß- nahmen getroffen haben, um eine angemessene Umsetzung unseres Strafvollzugsge- setzes zu ermöglichen. Das Konzept hat unsere Justizministerin ja schon in aller Aus- führlichkeit im Innen- und Rechtsausschuss dargelegt.
Doch meine Meinung zu Ihrem als Gesetzentwurf verkleideten Rückholantrag, sehr ge- ehrte Frau Ostmeier, möchte ich Ihnen nicht ersparen.
Ihr Entwurf dient keineswegs der „Sicherung der Funktionsfähigkeit der Justizvollzugsan- stalten“ - wie der Titel suggeriert.
Sie wollen einzelne Punkte unserer Reform rückgängig machen, um damit nach Ihrer Ansicht personelle Ressourcen freizumachen. Die Auswahl dieser Bestandteile ist aller- dings mehr als bezeichnend. Folgendes schlagen Sie vor:
1. Sie wollen die Durchführung eines Diagnoseverfahrens zu Haftbeginn und die Erstel- lung eines Vollzugs- und Eingliederungsplans nur noch ins freie Ermessen der An- staltsleitung stellen.
Eine Analyse der Lebensverhältnisse und eine entsprechende Vollzugsgestaltung sind aber überragend wichtig für eine erfolgreiche Resozialisierung. Das gilt für Kurzzeitgefangene natürlich in genau gleicher Weise wie für Langzeitgefangene. Mit Ihrem Vorschlag gefährden Sie fahrlässig eine erfolgreiche Resozialisierung. Seite 1 von 3 Dazu passend wollen Sie im Einzelfall auch die Möglichkeit der Betreuung Entlas- sener streichen. Wohlgemerkt, die Möglichkeit – eine Aufgabe der Anstalten ist das schon jetzt nicht. Wie dadurch Personal eingespart werden soll, bleibt Ihr Geheim- nis.
2. Sie wollen, dass Gefangene im Ergebnis kein Recht mehr auf gemeinsame Unter- bringung haben. In der Nachtzeit sind sie sowieso allein, und mit Rücksicht auf die „Sicherheit und Ordnung der Anstalt“ soll nun eine durchgängige Isolationshaft er- möglicht werden. Das nennen Sie in Ihrer Begründung dann „Flexibilität“.
3. Auch das Recht auf Privatkleidung wollen Sie erwartungsgemäß wieder streichen. Das haben wir ja schon rauf- und runterdiskutiert. Fakt ist, dass Privatkleidung in den meisten Bundesländern, bei vergleichbarer personeller Ausstattung, bereits Standard ist. Probleme damit sind mir bisher nicht bekannt. Hinzu kommt, dass Sie dadurch eine Ungleichbehandlung zwischen männlichen und weiblichen Gefange- nen schaffen, die in meinen Augen nicht sachlich gerechtfertigt werden kann.
4. Mit dem letzten Punkt schießen Sie dann wirklich den Vogel ab. Sie wollen auch in § 42 rumpfuschen, der die Besuche von Angehörigen regelt, und Ihre Änderung liest sich erst einmal ganz harmlos. Ausweislich Ihrer Begründung wollen Sie „dem Um- stand Rechnung tragen, dass Kontakte der Gefangenen zu Angehörigen eine wich- tige Rolle für die Resozialisierung spielen“ und dafür „mindestens zwei weitere Be- suchsstunden vorsehen“. Wenn man aber das geltende Gesetz neben Ihren Ände- rungsentwurf hält, muss man feststellen, dass Sie in Wirklichkeit 2 Stunden Be- suchszeit streichen wollen. Und zwar ausgerechnet die 2 zusätzlichen Stunden im Monat, die für Besuche von minderjährigen Kindern vorgesehen sind! Das finde ich wirklich ein starkes Stück und in Verbindung mit dieser Antragsbegründung grenzt es an bewusste Irreführung.
Die Auswahl Ihrer Vorschläge zeigt, dass Sie das erklärte Hauptziel des Strafvollzugs, nämlich die Resozialisierung, immer noch nicht verinnerlicht haben. Sie vermitteln mit diesem Roll-back leider die Grundhaltung, dass straffällig gewordene Menschen wegge- sperrt gehören, damit sie in der Haftzeit nichts anstellen können, und damit die Übrigen abgeschreckt werden.
Mit einer solchen Retropolitik können wir nichts anfangen. Sie ist gesellschaftlich schäd- lich und inhuman.
Weil es ein Gesetzentwurf ist, müssen wir uns damit leider noch kurz im Innen- und Rechtsausschuss befassen.
Mit der Antwort der Landesregierung auf die große Anfrage der FDP zu den Gerichten und Staatsanwaltschaften im Land werden wir ins im Ausschuss hingegen intensiver be- fassen.
Das umfangreiche statistische Material bietet in Bezug auf einzelne Gerichtszweige ein äußerst differenziertes Bild: kontinuierlicher Rückgang der Eingangszahlen z.B. bei den Amtsgerichten in Zivil- und Strafsachen, äußerst starker Anstieg bei der Verwaltungsge- richtsbarkeit im Bereich der Asylstreitigkeiten. Wie komplex die dahinter liegenden Zu- sammenhänge sind, haben wir gestern bei der Frage gesehen, wie durch eine fragwür- dige Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine Klageflut

2 von syrischen Geflüchteten ausgelöst werden kann, die lediglich den subsidiären Flücht- lingsstatus erhalten haben. Auf diese Beratungen hingegen freue ich mich ausdrücklich.
Vielen Dank.

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