Katrin Fedrowitz zu TOP 6: Der Mittelstand braucht dieses Gesetz nicht
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 12. Oktober 2016TOP 6, Gesetz zur Entlastung des Mittelstandes (Drs. 18/3191 und 18/4717)Katrin Fedrowitz:Der Mittelstand braucht dieses Gesetz nichtLiebe CDU, ein wirklich netter Versuch! Auf den ersten Blick mag man meinen, dass Ihr Gesetzentwurf ein ernsthafter Versuch sein könnte, sinnvolle Mittelstandsförderung zu betreiben. Aber leider ist Ihre Absicht bei diesem Gesetzentwurf trotz viel schöner Verpackung doch sehr durchschaubar. Es liest sich eher wie ein Wahlprogramm der CDU als ein Gesetz, das dem Mittelstand wirklich weiterhilft.Es geht Ihnen hier nicht um Mittelstandsförderung, sondern allein um die Aufhebung von Tariftreue- und Vergabegesetz, Landesmindestlohn und des Registers zum Schutz des fairen Wettbewerbs. Es wird Sie also nicht verwundern, wenn wir Ihr Gesetz, das lediglich als Verpackungsmaterial dient, insgesamt entsorgen und damit ablehnen.Trotzdem muss ich Ihnen für diesen Versuch danken. Denn dieser Gesetzentwurf macht wieder einmal deutlich, wie grundlegend wir uns doch voneinander unterscheiden. 2Die Stärkung des Mittelstandes ist ein richtiges Ziel. Wenn die CDU aber den Mittelstand fördert, hat sie vor allem Augen für die Inhaber der Unternehmen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden nur am Rande Berücksichtigung in ihrem Entwurf. Der Beamtenbund hat es in seiner Stellungnahme zu dem Gesetz wie folgt formuliert: „Die Daseinsbedingungen der Wirtschaft dürfen nie isoliert betrachtet werden. So müssen auch die Bedingungen der Menschen einbezogen werden, die von ihren Arbeitslöhnen leben müssen.“Insoweit halten wir die mit Ihrem Versuch der Unterhöhlung von Tariftreue sowie sozialen und ökologischen Standards zum Ausdruck gebrachten Tendenzen nicht nur für höchst bedenklich. Wir halten sie für grundlegend falsch. Immer wieder gehen – auch heute noch – Menschen, die einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen, mit Einkommen unter dem Hartz IV-Niveau nach Hause. Das darf nicht sein! Einen starken Mittelstand kann es nur geben, wenn auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Stück weit am Wohlstand teilhaben können. Ein sehr bescheidener Wohlstand, zugegeben – bei mindestens 9,18 € in der Stunde.Noch dazu versuchen Sie, ein Vergaberecht light á la CDU und die Mittelstandsförderung in ein Gesetz zu pressen. Eine solche abgespeckte Variante eines Tariftreue- und Vergabegesetzes brauchen wir aber nicht. Denn wir haben das Original bereits im Mai 2013 verabschiedet. Unternehmen, die sich an geltende Tarifverträge halten, werden so vor einem ruinösen Wettbewerb mit der Billigkonkurrenz geschützt. Unternehmen, die mit Lohndumping erfolgreich sein wollen, kommen bei öffentlichen Aufträgen von Land und Kommunen nicht mehr zum Zug.Gleichzeitig geben wir dem Wettbewerb eine soziale Leitplanke, von der Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen profitieren. Dabei unterstützt auch das Register zum Schutz des fairen Wettbewerbs, das wir bereits im November 2013 auf den Weg gebracht. Diese Grundsätze stehen für uns nicht zur Debatte.Der bekannte Industrielle Robert Bosch sagte einmal: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle.“Mit unserem Dreiklang aus Tariftreue- und Vergabegesetz, Landesmindestlohn und Korruptionsregister betreiben wir in diesem Sinne bereits seit 2013 Mittelstandsförderung. Somit bleibt von Ihrem Gesetzentwurf nicht viel mehr übrig als halbherzige Willenserklärungen. Viele Formulierungen sind unpräzise, erklärungsbedürftig oder in der Praxis wirkungslos. 3Als besondere Deko – als Schleifenband sozusagen – sollte Ihr Schummelpaket dann in der alten Fassung auch noch ein bisschen halbherzige Frauenförderung schmücken: Bei der Förderung von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen wollten Sie die „besondere Situation und die spezifischen Problemlagen von Frauen“ berücksichtigen. Zum Glück haben Sie an dieser Stelle auf die Landesarbeitsgemeinschaft für Gleichstellung gehört und den Text, wenn auch schwammig, auf die „besondere Situation der Frauen“ abgestellt. Gut gemeint ist eben nicht immer auch gut gemacht!Daneben versuchen Sie, uns mit Ihrem Gesetzentwurf die Aufhebung zahlreicher weiterer Gesetze unterzujubeln. Um es kurz zu fassen: Weder beim Denkmalschutz noch beim Transparenzgesetz werden wir hinter die von dieser Koalition neu gesetzten modernen Standards zurückgehen. Die CDU dagegen mag in der Vergangenheit weiter leben.Um es zum Ende also noch einmal zusammen zu fassen: Wir lehnen Ihr Geschenk dankend ab, denn der Mittelstand in Schleswig-Holstein braucht es nicht.