Lars Harms: Liebe CDU - Schlechte Kopien wählt man nicht!
Presseinformation Kiel, den 12.10.2016Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 12 u.a. Gesetz über die Integration von Migrantinnen und Migranten in Schleswig-Holstein u.a. Drs. 18/4734 u.a. „Der Gesetzentwurf der CDU ist integrationsfeindlich, enthält Selbstverständlichkeiten, die jetzt schon erfüllt werden, und ist zudem auch noch schlecht von der CSU abkopiert.“Wer bei der CSU abschreibt ist im Regelfall nicht auf der sicheren Seite, wenn es um gute undnachhaltige Politik geht. Und im Bereich der Migrationspolitik gilt dies im Besonderen. Dass dieLandes-CDU dies trotzdem getan hat, zeugt erst einmal von einer grundsätzlichen Schwächeder Landes-CDU. Aber dann sind da ja auch noch die Fehler, die sich dann einschleichen. Dazuaber später mehr.Erst einmal hört es sich natürlich gut an, wenn man laut Gesetzestext als Land Angebote derMigrationsberatung, Deutschkurse oder Sportförderung zu unterstützen hat. Auch, dass sich 2das Land gegen Diskriminierung und gegen Rassismus einsetzen soll, ist richtig. Aber dasgeschieht jetzt schon!Die Küstenkoalition hat die Mittel für die Migrationsberatung aufgestockt.Die Küstenkoalition gewährt im Land Schleswig-Holstein auch Deutschkurse für Flüchtlinge,die sonst keinen Anspruch darauf hätten.Die Küstenkoalition hat die Förderung des Sportes verbessert und auch dieSportstättenförderung finanziell besser unterlegt.Die Küstenkoalition hat die Programme zur Bekämpfung von Radikalismus und Homophobiebesser ausgestattet.Und die Küstenkoalition hat auch die Rückkehrberatung im Land mit Erfolg verbessert.Dafür ist also kein Gesetz nötig, sondern eine gute Regierung und eine gute Koalition – und diehat das Land Schleswig-Holstein schon!Im Übrigen kann man ja auch die Erfolge im vorliegenden Bericht unter Drucksachennummer18/4619 nachlesen.Mit dem so genannten Integrationsgesetz will die CDU nur noch einmal deutlich machen, dasses ihr um Abschreckung geht. Und zwar nicht nur in Bezug auf zu uns kommende Migranten,sondern auch um Abschreckung der einheimischen Bevölkerung vor Migranten. Da wird eineBekämpfung von Vollverschleierung gefordert, obwohl die Vollverschleierung hier überhauptkeine Rolle spielt. Damit spielt man nur mit Ängsten und Vorurteilen und will das Thema amKochen halten.In die gleiche Richtung geht die immer wiederkehrende Forderung der CDU nach einerAbschiebehaftanstalt. Aber auch dazu noch einmal zum Mitschreiben: Man knastet nichtunschuldige Menschen ein! Eine Haftanstalt ist für Verbrecher da, nicht für Flüchtlinge.Flüchtlinge sind nicht per se Verbrecher. Und deshalb brauchen wir auch keinen 3Abschiebeknast. Was vorgeschrieben ist, ist ein Ausreisegewahrsam - und bei uns mithumanen Rahmenbedingungen! Dass die CDU kategorisch per Gesetz fordert, ein solchesAusreisegewahrsam in eigener Verantwortung, also ohne Kooperation mit Hamburg zubetreiben, schlägt dem Fass den Boden aus. Verbal wird immer wieder die Zusammenarbeitmit Hamburg hervorgehoben, aber wenn es darauf ankommt, dann wird jede Kooperation mitden Hamburgern wieder von der CDU torpediert.Aber kommen wir nun zu den Fehlern beim Abschreiben des CSU-Gesetzentwurfes. Dienotwendigen Kosten für einen Übersetzer bei Behörden sollen durch die Behörde nicht mehrselbst getragen werden. Dies soll sogar gelten, wenn dem andere gesetzliche Regelungenentgegen stehen. Bedingung für die Kostenpflicht für den Bürger ist das Erreichen des 18Lebensjahrs und zwar unabhängig davon, ob man Ausländer ist oder nicht, und dass man inden letzten sechs Jahren drei Jahre im Land war. Dies betrifft also zum Beispiel alle volljährigenMinderheitenangehörigen im Land Schleswig-Holstein, für die wir diese Kostenauflage geradeabgeschafft haben. Immerhin könnten sich dann noch alle Kinder unter 18 Jahren derMinderheitenangehörigen in ihrer Sprache an die Verwaltungen wenden. Da sieht man einmalwelcher Unsinn herauskommt, wenn man abschreibt.Aber auch der Satz „Die Verwendung der lokalen Dialekte wird unterstützt und gepflegt.“, derfür die Kindergärten eine Rolle spielen soll, hat für Bayern mit seinen vielen verschiedenenDialekten von Bayerisch über Fränkisch und Schwäbisch-Alemannisch bis zu Hessisch undMährisch eine Bedeutung. In Schleswig-Holstein haben wir nur einen Dialekt, nämlichPlattdeutsch. Der Satz mit der Mehrzahl im von der CSU abgeschriebenen CDU-Gesetzestext istalso inhaltlich falsch. Im Übrigen ist hier auch kein Hinweis im Gesetz zu finden, dass auchDänisch, Romanes und Friesisch bei uns gesprochen werden. Die Minderheitensprachengehören anscheinend für die CDU nicht zur Leitkultur. Wir können von Glück reden, dass unser 4Kindertagesstättengesetz in Fragen der Vermittlung der deutschen Sprache und der Regional-und Minderheitensprachen auf dem neuesten Stand ist. Auch das, dank der Küstenkoalition!Aber wenn wir schon bei den Kitas sind, dann wirkt es schon merkwürdig, dass dieverpflichtende Teilnahme von Kita-Kindern an Fördermaßnahmen zum Spracherwerbeingefordert wird, aber die CDU diese Fördermaßnahmen nicht finanzieren will. Man spricht imGesetzestext nebulös von „gegebenenfalls bestehender finanzieller Unterstützung“. Wer diesefinanzielle Unterstützung leistet und wie hoch sie ist, wird von der CDU verschwiegen. Weil,das kostet Geld und müsste glatt gegenfinanziert werden. So viel Seriosität kann man aber nunwirklich nicht von der CDU verlangen. Obwohl, wer die Teilnahme an verpflichtendenFördermaßnahmen verlangt, muss diese Fördermaßnahmen auch finanziell unterlegen. Hierschiebt die CDU das Problem dann aber genüsslich an die Kommunen und die Träger derKindertagesstätten weiter. Das braucht nun wirklich niemand! Das einzige was so überbleibtist, dass die Kinder in den Kindergärten deutsche Mimik & Körpersprache lernen sollen. Na,super!Etwas was Sie beim Abkupfern von der CSU-Vorlage glücklicherweise unterlassen haben, ist dieAufnahme der dortigen Präambel. Dort ist unter anderem von Leitkultur und christlichemAbendland die Rede. Aber natürlich finden sich diese Worte auch im Gesetzestext der CDUwieder: Leitkultur und Vermittlung von religiösen Werten. Das ist so ein bisschen wie dieDebatte um den Gottesbezug in der Landesverfassung durch die Hintertür. Nein, es ist nichtAufgabe von Kindergärten religiöse Werte zu vermitteln, es sei denn, Sie sind konfessionellgetragen. Es ist allgemeine Aufgabe von Kindergärten und Schulen und allen anderenBildungseinrichtungen gesellschaftliche Werte zu vermitteln. Und die beruhen auf derAufklärung, der Gleichheit vor dem Gesetz, der Demokratie und eben der Trennung von Kirche 5und Staat. Genau das alles unterscheidet uns von den Staaten aus denen Menschen zu unsflüchten!Man kann wohl schon merken, dass der Gesetzentwurf der CSU, pardon der CDU, nicht wirklichBegeisterungstürme auslöst. Aber man könnte ja den ganzen vorher genannten Unsinneinfach streichen, vielleicht bleibt dann ja etwas Vernünftiges über. Aber jemandengrundsätzlich 6 Wochen in einer Erstaufnahme oder einer Landesunterkunft festzusetzen,obwohl vielleicht schon anderenorts bessere Integrationsmöglichkeiten bestehen, ist nicht vondieser Welt. Am besten wird jemand integriert, wenn er oder sie schnell in eine Gemeinschaftintegriert wird, schnell in Kontakt mit Einheimischen kommt, schnell eineAusbildungsmöglichkeit erhält, schnell in den Sportverein aufgenommen werden kann, schnelleine Arbeit erhält und so weiter fort. All das ist nicht in den zentralen Einrichtungen möglichund deshalb ist es falsch, die Menschen dort länger als nötig festzuhalten.Im Gegenteil, in vielen Fällen muss eine Wohnortzuweisung schnell erfolgen, damit dieIntegrationsmaßnahmen beginnen können. Und dabei ist es dann wichtig, dass derHauptzuweisungsgrund nicht irgendein prozentualer Proporz auf Basis von Einwohnerzahlenist, sondern man die Menschen dort hin schickt, wo Integration am besten möglich ist. Daskann in einer großen Stadt sein, das kann aber auch in einem Dorf sein. Nicht immer ist es gut,wenn Menschen in Stadtteilen untergebracht werden, in denen sie zwar auf Landsleutetreffen, aber kaum eine Chance auf Kontakte zu Einheimischen haben. Und andererseits kannes durchaus sein, dass Menschen in ländlichen Regionen besser integriert werden können, weilman dort seinen Nachbarn noch kennt und hilft. Es muss also darum gehen, dass man sichvorher Gedanken um die Integration macht und dann auch Mittel hierfür bereit stellt. 6Und hier sage ich denn auch ganz klar, dass die Integrationspauschale genau für solcheMaßnahmen gedacht ist. Auch mir ist klar, dass die Integrationspauschale an manchen Ortenauch für Personal- und Sachkosten in der kommunalen Verwaltung verwendet wird. Hierversickert Geld, das eigentlich für Maßnahmen der Integration gedacht ist. Es tut nun wirklichnicht Not, dass man diese eigentlich zweckfremde Nutzung des Geldes nun auch noch insGesetz schreibt und damit diese Zweckentfremdung auch noch nachträglich gut heißt. Wirsollten vielmehr die betreffenden Kommunen ermutigen, guten Beispielen aus derkommunalen Familie zu folgen. Das wäre die eigentliche Botschaft, die nötig wäre!Noch ein letztes zu diesem Gesetzentwurf: Der Flüchtlingsbeauftragte soll in Zukunft nur nochfür auf Dauer hier lebende Ausländer zuständig sein. Das heißt, er soll sich nicht mehr für dieFlüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus einsetzen können, obwohl gerade dieseMenschen die meiste Hilfe benötigen. Das zeigt noch einmal das politische Bild, das die CDUvertritt: Dem Flüchtling soll nach Möglichkeit jegliche Hilfe verwehrt werden, um ihnabzuschrecken. Das ist nicht unsere Flüchtlingspolitik!Und auch hier hat die CDU wieder einmal falsch abgeschrieben. Einmal findet sich im § 19 desGesetzentwurfs noch die derzeit bestehende schleswig-holsteinische Berichtspflicht, die alle 2Jahre ausgelöst wird. Auf der anderen Seite, hat man in § 23 den Integrationsbericht aus dembayerischen Gesetzentwurf mit hineinkopiert, der eine Berichtspflicht in jedem Jahr vorsieht.Da wusste die eine Hand nicht was die andere tut. Vergessen hat man bei diesemIntegrationsbericht, dass unser Beauftragter beim Landtag angesiedelt ist, der Beauftragte inBayern aber bei der Staatskanzlei angesiedelt werden soll. Das ist wohl der Grund, warum imkopierten Text der CSU auch eine Billigung des Berichts durch das Kabinett vorgesehen ist.Diese Absegnung durch das Kabinett, wie sie in den CDU-Entwurf hineinkopiert wurde, würdesicherlich von unserem Landtagspräsidenten mit Recht auf das Schärfste als Einflussnahme der 7Landesregierung auf Angelegenheiten des Landtages zurückgewiesen werden. Aber daskönnen Sie mit Herrn Schlie dann ja noch klären.Es bleibt somit: Der Gesetzentwurf der CDU ist integrationsfeindlich, enthältSelbstverständlichkeiten, die jetzt schon erfüllt werden, und ist zudem auch noch schlecht vonder CSU abkopiert. Und schlechte Kopien wählt man nicht!Viel wichtiger ist es doch, neben der täglichen Flüchtlings- und Integrationsarbeit zu schauen,ob es noch an der einen oder anderen Stelle hakt oder ob es direkte Fehlentwicklungen gibt.Der vorliegende Bericht zur Umsetzung des Flüchtlingspaktes zeigt ja die Entwicklung genauan und führt auch den Beweis, dass immer wieder schnell und unbürokratisch auf neueSituationen reagiert wird. Hier muss ich wirklich einmal alle Beteiligten, sowohl die vielenhauptamtlichen als auch die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer für ihr Engagement loben.Dass man sich hier einbringt, ist schon vorbildlich, aber wie professionell es hier auch geht, istwirklich beeindruckend.Und trotzdem gibt es hier und da Entwicklungen, die wirklich kein Mensch braucht. Und aufeine solche Entwicklung weisen wir in unserem Antrag hin. In den vergangenen Jahren habensyrische Flüchtlinge eigentlich immer einen vollumfänglichen Flüchtlingsschutz erhalten.Neuerdings entscheidet das BAMF aber anscheinend zunehmend anders. Es wird nämlich nurnoch subsidiärer Schutz gewährt, was dazu führt, dass der Nachzug von Familienmitgliedernerschwert wird und die formalrechtliche Bleibemöglichkeit auf einen kürzeren Zeitraumbegrenzt ist. Das alles wäre rechtlich in Ordnung, wenn sich die Rahmenbedingungen in Syriengeändert hätten und daher eine Änderung des Rechtsstatus angezeigt wäre. NachMedienberichten argumentiert das BAMF in vielen Fällen, dass das syrische Regimegeflüchteten Syrern Pässe ausstelle und ihnen somit eine Rückkehr nach Syrien ermögliche. Sie 8würden demnach nicht als Feinde betrachtet und müssten bei einer Rückkehr nicht unbedingtmit einer Verfolgung rechnen, was Voraussetzung für eine Anerkennung als Flüchtling ist. DieRechtsprechung spricht aber hierzu eine völlig andere Sprache. Die Richter stellten fest, dassallein die Ausreise und der Asylantrag in Deutschland in Syrien immer noch als Ausdruck einerregimefeindlichen Gesinnung gewertet würden. Mit "beachtlicher Wahrscheinlichkeit" würdejemand bei einer Rückkehr nach Syrien verfolgt werden. Rückkehrer würden außerdem vomGeheimdienst befragt. Eine Verfolgung ist also keineswegs ausgeschlossen.Diejenigen, die Rechtsmittel gegen diese neuen Entscheidungen des BAMF einlegen, habendeshalb regelmäßig Erfolg damit. Das heißt, diese Menschen bekommen wieder den Status,den man ihnen vorher auch gewährt hatte. Die neue Vorgehensweise des BAMF führt nur zueiner Verunsicherung der Betroffenen und zu einer enormen Mehrarbeit bei den zuständigenGerichten. Und genau das ist etwas, was niemand braucht. Es kann doch nicht sein, dassunsere Gerichte immer mehr Asylverfahren zu bewältigen haben und dann auch noch ohneNot hausgemachte Verfahren hinzu kommen, die nur unnötige Arbeit machen und dann auchfür alle anderen den Rechtsweg zeitlich verlängern. Wenn also schon die Humanität bei demeinen oder anderen auf Bundesebene nicht handlungsleitend ist, dann sollte man dochzumindest daran denken, dass Gerichte genug anderes zu tun haben, als ständigEntscheidungen des BAMF zu korrigieren. Deshalb ist unsere Aufforderung, die Praxis desBAMF zu ändern, richtig, notwendig und ein richtiges Signal Richtung Bundesebene.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html