Wolfgang Kubicki zu TOP 12 u.a. (Anträge zur Flüchtlingspolitik): Wir brauchen eine Harmonisierung der Integrationsmaßnahmen und ein gemeinsames Integrationskonzept aller Akteure
Presseinformation
Sperrfrist Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort Wolfgang Kubicki MdL Kubicki, Vorsitzender Christopher Vogt MdL Vogt, Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg MdL Garg, Parlamentarischer Geschäftsführer
Nr. 372/2016 Kiel, Mittwoch, 12. Oktober 2016
Innen/Flüchtlingspolitik
www.fdp-fraktion-sh.de Wolfgang Kubicki: Wir brauchen eine Harmonisierung der Integrationsmaßnahmen und ein gemeinsames Integrationskonzept aller Akteure In seiner Rede zu TOP 12 u.a. (Anträge zur Flüchtlingspolitik) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki: Kubicki:
„Es liegt auf der Hand, dass die Integration hunderttausender Flüchtlinge eine historische Herausforderung ist.
Und es ist die Aufgabe von uns hier im Landtag, den Rahmen für diese In- tegration zu setzen, zu zeigen, wo die Leitplanken sind und die richtigen Weichen zu stellen.
Eines sollte dabei klar sein: Erfolgreiche Integration setzt Teilhabe und Par- tizipation voraus. Integration allein durch Teilhabe und Partizipation wird aber nicht funktionieren.
Integration ist auch eine Bringschuld von Einwanderern. Und deshalb ist Fördern und Fordern kombiniert mit der Sanktionierung von Integrations- verweigerung genauso wichtig wie gleichberechtigte Teilhabe.
Mit Blick darauf ist der Gesetzentwurf der Union auch durchaus ein zu be- grüßender Beitrag. Die Einführung einer Wohnsitzauflage ist ein richtiger Schritt, um kommunale Integrationsangebote auf konkret und planbar vor- handene Menschen auszurichten.
Auch über die Höhe der Integrationspauschale müssen wir zweifelsohne re- den. Die Kommunen leisten den größten Beitrag und müssen entsprechend auch finanziell entlastet werden.
Die Frage ist nur, wozu es dafür eines eigenen Gesetzes bedarf? Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de Das noch größere Problem ist: Ihr Gesetzentwurf, lieber Herr Günther, ist in gewisser Hinsicht ein Etikettenschwindel. Ihnen geht es nicht nur um Integ- ration, Ihnen geht es in erster Linie darum, sich Ihrer eigenen Wert- und Mo- ralvorstellungen zu vergewissern.
Ihr gesamter Gesetzentwurf ist von einem appellativen Charakter durchzo- gen. Es werden zahlreiche Ziele formuliert, ohne dass diese mit konkreten Maßnahmen oder Verhaltenspflichten hinterlegt werden. So betreiben sie bloße Symbolpolitik ohne praktische Wirksamkeit. (Bisher war das eigent- lich dem Ministerpräsidenten vorbehalten.)
Schon Ihr Integrationsziel ist völlig nebulös. Sie wollen alle Migranten und Flüchtlinge im Rahmen ihres ‚Gastrechts‘ auf die ‚Achtung der Leitkultur der Grundwerte‘ verpflichten. Was genau die Leitkultur der Grundwerte sein soll, definieren Sie aber nicht. Wenn Sie es aber offenbar selbst nicht wis- sen, wie wollen Sie das dann von den verpflichteten Flüchtlingen erwarten.
Allein um Verfassungs- und Gesetzestreue scheint es Ihnen jedenfalls nicht zu gehen, denn dann bräuchten Sie den Begriff der Leitkultur nicht.
Und selbst wenn ich annehmen würde, Sie meinen mit Leitkultur eigentlich eine Wertordnung im Sinne unseres Grundgesetzes, dann ist das immer noch rechtlich bedenklich, weil unser Grundgesetz eben auch dem Gebot der Inklusion verpflichtet ist und gerade Pluralität und kulturelle sowie reli- giöse Vielfalt gewährleisten soll.
Ihr Integrationsziel, das ja letztlich leitend für das ganze Gesetz sein sollte, ist eine Leerformel, ein juristisches Nullum, das letztlich sogar gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verstoßen dürfte.
Und diese Substanzlosigkeit durchzieht Ihren gesamten Gesetzentwurf. Das Land soll wahlweise ‚unterstützen‘, ‚Maßnahmen ergreifen‘ oder ‚fördern‘. Welche Maßnahmen genau getroffen werden sollen, was diese kosten und wie sie finanziert werden, verraten Sie nicht.
Und was dann noch überbleibt, hat einen sehr begrenzten Neuigkeitswert. In der Sache erfolgt kein Neuanfang, es werden einfach altbekannte Forde- rungen wiederholt und zusammengefasst.
Das Gesetz besteht unterm Strich aus völlig unbestimmten Detailregelun- gen, die den hochtrabenden Titel in keiner Weise rechtfertigen.
Was fehlt, ist ein umfassendes, schlüssiges Integrationskonzept.
Wenn Ihnen nur einfällt, dass der Erwerb von Sprache wichtig ist und Flücht- linge, die nach sechs Jahren ein bestimmtes Sprachniveau nicht erreichen, die Kosten zurückerstatten müssen, ist das gerade bei diesem so essentiel- len Bereich ein Offenbarungseid.
Was wir brauchen, sind konkrete Verhaltenspflichten auf der einen und konkrete subjektive Ansprüche auf der anderen Seite. Und bei alledem
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de müssen wir die Integrationsanforderungen präzise definieren. Erst dann können wir auch die Verweigerung von Integration sanktionieren.
Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf einen Sprachkurs und verpflichten- de Integrationskurse.
Es reicht eben nicht aus, nur von ‚Ermöglichen‘ oder ‚Angeboten‘ zu spre- chen. Wir müssen Flüchtlingen klare Regeln an die Hand geben, damit sie schnell unsere Sprache erlernen und ausreichend Bildung erwerben, um dann später als selbstbestimmte Mitbürger selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft zu werden.
Wir brauchen auch eine Neustrukturierung und Harmonisierung des DaZ- Unterrichts. Es müssen hier zum einen dringend fachliche Standards gesetzt werden und zum anderen muss sichergestellt werden, dass für jede Klasse geeignete Fachkräfte zur Verfügung stehen. Es kann nicht sein, dass die Qualität des Unterrichts allein vom Engagement des Lehrpersonals abhängt.
Mindestens genauso wichtig ist, dass wir im Bereich der Arbeitsmarktinteg- ration besser werden. Wenn die Integration über Arbeit nicht gelingt, wenn Flüchtlinge ohne berufliche Perspektive in Deutschland verharren müssen, wenn es leichter ist, unter seinesgleichen zu bleiben, dann müssen wir mit der Bildung von weiteren Parallelgesellschaften rechnen. Das können wir nicht wollen.
Deshalb brauchen wir erstens flächendeckende Angebote von Qualifizie- rungs- und Ausbildungsmaßnahmen – kombiniert mit berufsspezifischen Sprachkursen. Zweitens benötigen wir mehr Fort- und Weiterbildungsange- bote. Und drittens die schnellere Anerkennung ausländischer Berufsab- schlüsse.
Ausgerechnet in diesem Bereich der Arbeitsmarktintegration besteht der größte Nachholbedarf. Auch bei der Landesregierung.
Ich will gar nicht verschweigen, dass sie in bestimmten Bereichen durchaus reagiert und nachgesteuert haben.
Zur Wahrheit gehört aber genauso, dass Integrationsmaßnahmen in vielen Bereichen nur in Ansätzen vorhanden sind.
Hinzu kommt, dass oft Maßnahmen gefördert werden, ohne dass erstens der tatsächliche Bedarf bekannt und zweitens das notwendige Fachpersonal vorhanden ist. Es macht aber keinen Sinn, unter dem Deckmantel der Integ- ration völlig planlos und unkritisch ein Konjunkturprogramm für die Wohl- fahrtsverbände aufzulegen. Die bekommen von Ihnen 1,5 Millionen Euro für Sprachförderung, können aber weder sagen, wie viele Teilnehmer an den Kursen teilnehmen und ob sie genügend qualifiziertes Lehrpersonal für die Kurse haben, noch wird die Wirksamkeit evaluiert. Nicht einmal die Abbre- cherquote wird von den Verbänden erfasst.
Richtig ist auch, dass nach Abzug aller Maßnahmen des Bundes oder der Kommunen nicht viele Initiativen übrig bleiben, die originär vom Land sind.
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de Und diese landeseigenen Modellprojekte sind bislang regelmäßig nur sehr begrenzt wirksam, oder wie eben im so wichtigen Bereich der Arbeitsmarkt- integration schlecht geplant.
Ja, Herr Minister Meyer, Sie haben natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass hier primär die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist. Wenn die Bemühun- gen des Landes hier aber groß angekündigt werden, dann müssen Sie sich auch daran messen lassen.
Und Fakt ist, dass Sie beim Programm BÜFAA.SH nur die Hälfte der anvi- sierten Teilnehmerzahl erreichen.
Und Fakt ist auch, dass Ihr Wirtschaftsministerium inzwischen nicht mal mehr davon ausgeht, dass mit dem Programm überhaupt nennenswerte Er- folge für den Berufseinstieg von Flüchtlingen erzielt werden. Und der Grund dafür ist auch noch, dass Sie vergessen haben, Ihr Programm mit den An- geboten der anderen Akteure abzustimmen. Das ist planlos. Sie schaffen bürokratische Papiertiger, die Handlungsfähigkeit suggerieren sollen. Was Sie aber in Wahrheit machen, ist eine sinnlose Förderung ins Blaue hinein.
Da hilft Ihnen auch nicht die simplifizierende Alles-wird-gut-Rhetorik des Mi- nisterpräsidenten, für den die Flüchtlinge eine ‚Vitaminspritze‘ für die Be- triebe sind. Das ersetzt keine Politik.
Was wir hier brauchen, ist eine Harmonisierung der verschiedenen Maß- nahmen und ein gemeinsames Integrationskonzept aller Akteure. Das ist längst überfällig.
Was wir bei der Debatte um Integration auch nicht vergessen dürfen, ist, dass wir auch über die identitätsstiftenden Voraussetzungen unseres Ver- fassungsstaates und die Frage nach den Bedingungen und Folgen der Zuge- hörigkeit von Einwanderern reden müssen.
Unsere Demokratie ist von der Bereitschaft seiner Bürgerinnen und Bürger abhängig, Mehrheitsentscheidungen und die Umverteilungsmechanismen eines Sozialstaates anzuerkennen. Und diese Bereitschaft dürfen wir nicht überstrapazieren.
Deshalb müssen wir auch die Zuwanderung steuern. Und das geht eben vor allem auch über die Begrenzung des Familiennachzuges im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.
Die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung erlegt dem nationalen Ge- setzgeber Verpflichtungen nur für Flüchtlinge auf, nicht jedoch für subsidiär Schutzberechtigte (Art. 3 II Buchst. c). Daher kann der nationale Gesetzge- ber – wie es die Bundesregierung unter Beteiligung der SPD getan hat – den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte stärker begrenzen.
Das gilt natürlich auch für syrische Flüchtlinge – je nachdem, welche Fluchtgründe sie geltend machen.
Die Rechtslage ist hier unmissverständlich. Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer individuell verfolgt ist. Das kann der syrische Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de Regimegegner genauso sein wie der Christ in IS-beherrschten Gebieten Sy- riens.
Die Rechtsstellung als Flüchtling wird aber eben nicht gewährt, wenn Men- schen wegen Kriegs- oder Bürgerkriegsgefahren aus ihrem Heimatland flie- hen, also vor Gefahren, die die dort lebenden Menschen unabhängig von ih- rer religiösen Prägung, politischen Ausrichtung oder einem anderen flücht- lingsrelevanten Merkmal treffen. Das trifft auf die meisten Flüchtenden aus Syrien zu, die sich eben oft auf die allgemeinen Umstände im Land bezie- hen. Und hier wird seit März 2016 wieder nur subsidiärer Schutz gewährt.
Das wurde so zwar auch von der SPD im Bundestag beschlossen und die Landesregierung hat im Bundesrat auch keinen Vermittlungsausschuss ver- langt, aber auf einmal fällt den Regierungsfraktionen auf, dass sie das doch nicht so gut finden.
Und was Sie dabei völlig verkennen, ist, dass der Landtag – unterstützt mit Ihren Stimmen – auch noch eine völlig entgegengesetzte Beschlusslage hat. Wir haben uns hier mehrheitlich für die Einführung eines vorübergehenden Schutzes für syrische Flüchtlinge entschieden. Und diese Rechtsstellung führt, genauso wie es inzwischen auch beim subsidiären Schutz der Fall ist, zu einer Beschränkung des Familiennachzuges. Dem haben Sie hier in ei- nem einmaligen Akt politischer Klarsicht zugestimmt.
Und jetzt vollziehen Sie eine Kehrtwende, ohne dass Sie diese ausreichend begründen können.
Richtig ist, dass in Deutschland bisher zehn Verwaltungsgerichte über diese Praxis entschieden haben und Syrer in jedem Fall Flüchtlingsschutz erhiel- ten. Und zwar allein deshalb – und das sollte man der Vollständigkeit halber auch erwähnen – weil ihnen nach Ansicht der Gerichte erst durch die Stel- lung eines Asylantrages eine individuelle Verfolgung droht.
Wahr ist zudem auch, dass das OVG Münster eine völlig andere Rechtsauf- fassung vertritt und unverfolgt ausgereisten Syrern ausdrücklich nur subsi- diären Schutz gewährt und ihnen darüber hinaus einen Anspruch auf Ab- schiebeschutz zuerkennt.
Mit anderen Worten: Egal welche Rechtsstellung ein syrischer Flüchtling letztlich erhält, er wird in keinem Fall nach Syrien zurückgeschickt.
Das Schlimme ist, dass Sie hier Verwaltungshandeln, das auf geltendem Recht und rechtsstaatlichen Verfahren basiert, unter dem Deckmantel einer Humanität als menschenrechtsverletzend desavouieren.
Es werden Gesetze angewendet und Sie prangern dies als etwas Inhumanes an.
Und damit nicht genug – Sie wollen, dass von der Beachtung der geltenden Rechtslage ‚unverzüglich Abstand‘ genommen wird.
Sie wollen weder die Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte abwar- ten, noch das geltende Recht ändern, sondern die Verwaltung quasi anwei- Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de sen, die Gesetze im Sinne einer von Ihnen selbst vorgegebenen, vermeint- lich humanitären Flüchtlingspolitik anzuwenden.
In Zeiten, in denen viele Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben, in der Flüchtlingspolitik gäbe es eine Herrschaft des Unrechts – was im Kern falsch ist –, will die rot-grün-blaue Küstenkoalition kurzerhand den Grund- satz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung über den Haufen werfen.
Das ist doch grotesk. Sie können doch nicht alle Fälle einfach verallgemei- nern und der Verwaltung irgendwelche allgemeingültigen Aussagen vorge- ben, nur weil Ihnen diese politisch opportun sind.“
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de