Schulbegleitung: Eltern erwirken Grundsatzentscheidung vor dem Verwaltungsgericht
Nr. 160 / 22. August 2016Schulbegleitung: Eltern erwirken Grundsatzentscheidung vor dem VerwaltungsgerichtAm Freitag (19. August) hat das Verwaltungsgericht Schleswig in einem Eilverfahren eine Grundsatzentscheidung zur Kostenübernahme bei der Schulbegleitung getroffen (Az.: 15 B 97/16). Eine Familie hatte auf Anraten der Bürgerbeauftragten Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und Recht bekommen: Die vom Kreis Herzogtum Lauenburg nicht bewilligte Schulbegleitung muss laut Gericht jetzt in vollem Umfang von 20 Wochenstunden übernommen werden. „Das Gericht hat dabei deutlich gemacht, dass der Kreis sich nicht wegen ‚Unzuständigkeit bzw. nachrangiger Zuständigkeit‘ zu Lasten der Betroffenen weigern kann, die bedarfsgerechte Schulbegleitung zu bewilligen“, kommentierte die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samia El Samadoni, am Montag die Entscheidung.Die Eltern eines Grundschülers mit einer seelischen Behinderung hatten 20 Wochenstunden Schulbegleitung beim Kreis beantragt und zunächst nur einen ablehnenden Bescheid erhalten. Das schwerbehinderte Kind benötigt Unterstützung unter anderem als Schutz vor Selbst- und Fremdgefährdung, als Begleitungs- und Orientierungshilfe und Unterstützung beim Toilettengang.Das Gericht erklärte den Kreis als Jugendhilfeträger weiterhin als „Ausfallbürgen“ für zuständig, wenn die Unterstützungsleistung in der Schule faktisch nicht zur Verfügung steht. Die Schulbegleitung muss also vom Kreis umfassend bedarfsgerecht bewilligt und bezahlt werden. Diesen Ansatz hatte die Bürgerbeauftragte bereits im Juli 2015 vertreten (Pressemitteilung vom 16. Juli 2015 111/2015). Die Frage der Kostenverantwortung ist dann im Rahmen eines Erstattungsstreits zwischen den kommunalen Kostenträgern und dem Land zu klären. Das Gericht ließ folgerichtig offen, ob die beantragten einzelnen 2Unterstützungsleistungen - wie vom Kreis behauptet - überhaupt in den pädagogischen Kernbereich fallen.„Es ist eine äußerst erfreuliche Entwicklung, dass das Gericht deutlich gemacht hat, dass der Hinweis auf den pädagogischen Kernbereich der Schule nicht ausreicht, um sich als Jugendhilfeträger aus der Finanzierungsverantwortung gegenüber dem Leistungsberechtigten zurückzuziehen,“ sagte El Samadoni. „Damit wird der Kostenstreit endlich da ausgetragen, wo er hingehört: zwischen Land und kommunaler Ebene und nicht mehr auf dem Rücken der betroffenen Eltern und Kinder.“Soweit bereits Klagen vor dem Verwaltungsgericht erhoben sind, sollte unbedingt auf diese aktuelle Entscheidung hingewiesen werden, rät die Bürgerbeauftragte. Keinesfalls sollten Klagen vorzeitig zurückgenommen oder auf Klagen verzichtet werden, so lange nicht im Einzelfall die bedarfsgerechte Schulbegleitung übernommen wird.„Ich hoffe, dass die Entscheidung vom Kreis anerkannt und von den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn auch in den anderen noch ausstehenden Bewilligungen für Kinder mit seelischer Behinderung zügig umgesetzt wird“, appellierte die Bürgerbeauftragte.Auch die Entwicklung vor den Sozialgerichten kann durchaus positiv bewertet werden: Eine andere Familie hatte ebenfalls auf Anraten der Bürgerbeauftragten für ihr Kind mit einer geistigen und körperlichen Behinderung in einem Eilverfahren gegen den Kreis Stormarn Klage erhoben. Im Rahmen des dann getroffenen gerichtlichen Vergleichs war den Eltern am 17. August ebenfalls die ursprünglich beantragte, vollumfängliche Schulbegleitung mit 20 Wochenstunden zugestanden worden 8Az.: S 31 SO 144/16 ER).„Für die Eltern und die Kinder sind dies wichtige Signale: Eine Klage im Eilverfahren kann sich sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Sozialgericht lohnen und sollte bei drohenden Versorgungslücken gerade jetzt, kurz vor Beginn des Unterrichts ab dem 5. September, dringend in Betracht gezogen werden“, empfiehlt El Samadoni den Betroffenen.Es gibt noch zahlreiche offene Anträge in den genannten Kreisen, bei denen die Bürgerbeauftragte durch Beratung unterstützt. Die Beratung der Bürgerbeauftragten steht allen Betroffenen offen. Eine Kontaktaufnahme kann zu den Bürozeiten auch kurzfristig telefonisch unter Telefon (0431) 988-1240 erfolgen.