Lars Harms: Unsere Verfassung hat glücklicherweise jetzt schon eine sehr gute Präambel, die insbesondere regionale Besonderheiten beachtet
Presseinformation Kiel, den 22.07.2016Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 10+17 Zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung - Änderung der Präambel - Drs. 18/4107, 18/4264, 18/4412,18/4408 „Unsere Verfassung hat glücklicherweise jetzt schon eine sehr gute Präambel, die insbesondere regionale Besonderheiten beachtet .“Schon in der ersten Lesung habe ich die Bewertung des Ursprungsvorschlages seitens des SSWerläutert. Die Schlussfolgerung seinerzeit war unsererseits, dass es sich bei einer Formulierung,die sich auf den Glauben an Gott und auf andere universelle Quellen bezieht, nicht um eineDemutsformel, sondern um eine Bekenntnisformel handelt, die sogar andere Glaubensformenund -richtungen ausschließt. Das gilt auch für den heute vorliegenden Vorschlag mitGottesbezug. Wir haben ausdrücklich erklärt, dass man das so machen kann, wenn der Glaubean den christlich-jüdischen Gott für den jeweiligen Betreffenden eine herausragendeGrundlage für die Entscheidungen, die man trifft, sein kann. Deshalb wird meine KolleginWaldinger-Thiering einer solchen Formulierung auch zustimmen können. 2Inzwischen haben uns ja mehrere Vorschläge erreicht. Wirklich neu ist der Vorschlag, der sichan der Präambel der europäischen Verfassung orientiert, den mein Kollege Flemming Meyerund ich mit unterzeichnet haben. Dieser Vorschlag ist ausdrücklich als Kompromissvorschlagzu sehen, für den Fall, dass sich keine notwendige Mehrheit für eine Gottesbezugsformelfinden sollte. Auch diese Formulierung ist keine echte Demutsformel; also eine Formulierung,die die Begrenztheit menschlichen Wissens und Handels ausdrückt. Vielmehr weist dieFormulierung darauf hin, dass man auf Grundlage des kulturellen, religiösen undhumanistischen Erbes Europas handelt. Somit drückt man auch hier aus, dass man zwar nichtaus einer wie auch immer gearteten eingeschränkten Erkenntniskraft handelt, aber schon auseinem übergeordneten Wertegerüst heraus. Das ist keine klassische Demutsformel, genausowenig im Übrigen wie die vorliegenden Gottesbezugsformeln, aber es ist eine Formulierung,die ein gemeinschaftliches Wertegerüst ausdrückt. Und dieses Wertegerüst hat bei uns ebendazu geführt, dass sich für uns die unveräußerlichen Menschenrechte, die Freiheit, dieDemokratie und auch die Rechtsstaatlichkeit zu unabänderlichen Grundlagen unseresGemeinwesens entwickelt haben. Ich glaube, es macht durchaus Sinn, in der heutigen Zeitdiese grundlegenden Werte wieder an hervorgehobener Stelle in der Verfassung zu nennen,weil diese Werte auch heute noch immer wieder verteidigt werden müssen.Ein wichtiger Vorteil dieser Formulierung ohne direkten Gottesbezug, die sich ja auch auf diereligiösen Traditionen Europas bezieht ist, dass gerade diese Formulierung andereGlaubensrichtungen nicht ausschließt. Zum religiösen Erbe Europas gehört eben nicht nur diechristlich-jüdische Religion, sondern auch der liberale Islam in Europa. Islamische Einflüsse gabes insbesondere in Spanien und Portugal bis zum ausgehenden Mittelalter, in Osteuropa biszum heutigen Tag und beispielsweise in Bosnien ist der Islam traditionell die bestimmendeReligion. Auch in Deutschland, wie in anderen mitteleuropäischen Ländern, lässt sich der Islambis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück verfolgen, so dass auch hier bei uns mit Fug und 3Recht davon gesprochen werden kann, dass ein europäischer und liberaler Islam in unsergemeinsames kulturelles, religiöses und humanistisches Erbe eingebettet ist.Im Übrigen erhebt die vorliegende Formulierung nicht den Anspruch, dass die genanntenWerte ausschließlich in Europa tradiert sind. Im Gegenteil, auch andere Kontinente habenähnliche Werte auf andere Art und Weise hervorgebracht. Der Wertekanon mag von Ort zu Ortunterschiedlich sein, aber die Menschenrechte sind universell und unveräußerlich. Auch daswird in der Formulierung ausdrücklich hervorgehoben. Somit kann man festhalten, dass dieFormulierung wie sie mein Kollege Flemming Meyer und ich mit anderen Abgeordnetenvorgelegt haben, integrativer in Bezug auf die Religionen ist als die Formulierungen mitGottesbezug. Aber die Formulierung gibt auch das Wertegerüst unserer Gesellschaft besserwieder als es ein wie auch immer gearteter Bezug auf den Gottesglauben und beliebiger Wertejemals könnte. Deshalb ist dieser Vorschlag auch ein Vorschlag, der alle Strömungen in derGesellschaft am besten vereinen kann.Übrigens versucht ja auch ein weiterer Vorschlag alle Strömungen zu vereinen, indem ereinfach die Ursprungsformulierung mit einem Gottesbezug und die Formulierung aus dereuropäischen Verfassung vereint. Dazu kommt dann noch eine echte Demutsformel, die dieUnvollkommenheit menschlichen Handelns ausdrückt. Im ersten Moment könnte manglauben, hier einen weiteren Kompromissvorschlag vor sich zu haben. Allerdings enthält dieserVorschlag ebenso wie der Ursprungsvorschlag auch einen Gottesbezug, der eben für mancheinen nicht akzeptabel ist und Menschen, die nicht im christlich-jüdischen Glauben verankertsind, explizit nicht mit einschließt. Wer seine Entscheidungen grundlegend an seinemchristlich-jüdischen Glauben ausrichtet, der kann das tun – wer dies aber nicht grundlegendoder sogar gar nicht tut, der kann hier eigentlich nicht zustimmen. 4Zu allerletzt möchte ich noch darauf hinweisen, dass es kein Beinbruch wäre, wenn keiner derVorschläge eine notwendige Mehrheit erhalten würde. Unsere Verfassung hatglücklicherweise jetzt schon eine sehr gute Präambel, die insbesondere regionaleBesonderheiten beachtet. Und das wäre auch völlig ausreichend.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html