Bürgerbeauftragte zur Schulbegleitung: "Zurück zur Windel" in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn?
Nr. 151 / 20. Juli 2016Bürgerbeauftragte zur Schulbegleitung: „Zurück zur Windel“ in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn?Nachdem die ersten Bescheide für die Schulbegleitung für inklusiv beschulte Kinder zum Schulhalbjahr 2016/2017 erteilt sind, gibt es Grund zur Sorge: Aus aktuellen Bescheiden der Kreise Herzogtum Lauenburg und Stormarn wird ersichtlich, dass diese eine erforderliche Schulbegleitung für Kinder mit Behinderung sogar dann ablehnen, wenn es um die Unter- stützung zum Toilettengang geht. „Dies ist ein unhaltbarer Zustand, wenn Kindern, die auf eine Begleitung beim Toilettengang angewiesen sind, die Hilfe verwehrt wird“ , sagte die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, heute in Kiel.Es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, wie die Kreise diese Entscheidungen rechtfertigen. „Fak- tisch führt dies zum Gegenteil von Inklusion in der Schule, die Möglichkeit zur Teilhabe wird für diese Kinder erheblich eingeschränkt und sie werden von einer angemessenen Schulbildung aus- geschlossen“, sagte El Samadoni.Hintergrund sind die in einigen Kreisen geänderten Verfahrensweisen bei der Bewilligung von Schulbegleitung nach dem SGB VIII für Kinder mit seelischen Behinderungen und nach dem SGB XII für Kinder mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen. Nach den Richtlinien des Krei- ses Herzogtum Lauenburg wird nunmehr keine Leistung mehr erbracht, soweit es um Selbst- /Fremdaggression, Schutz vor Eigengefährdung durch mangelndes Gefahrenbewusstsein oder zum Beispiel auch Weglaufen geht.Dies begründet der Kreis mit einer Entscheidung des Landessozialgerichts aus dem Jahr 2014 (Az.: L9 SO 222/13 B ER) und auch damit, dass auch das Land diese Tätigkeiten vorrangig den vom Land bezahlten, neuen Schulassistenten zugewiesen hat. „Weder die genannte Entscheidung des Landessozialgerichts, noch die Aufgabenbeschreibung der Schulassistenten rechtfertigt die- ses Vorgehen des Kreises“, sagte die Bürgerbeauftragte.Das Landessozialgericht hatte im Jahr 2014 durch Auslegung des Schulgesetzes den sogenann- ten „pädagogischen Kernbereich“, in dem es keine - auch keine nachrangige - Leistungsverpflich- 2tung der Kostenträger der Schulbegleitung gibt, sehr ausweitend ausgelegt. Die unter Juristen äu- ßerst umstrittene Entscheidung in einem Einzelfall steht damit in Widerspruch zur höchstrichterli- chen ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Das Bundessozialgericht hatte ent- sprechend der im Grundgesetz geregelten Gesetzgebungskompetenzen sinngemäß festgestellt, dass der bundesrechtliche Anspruch auf Schulbegleitung nur durch Bundesrecht begrenzt werden kann. Auch die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten teilt die Rechtsauffassung des Bun- dessozialgerichts.„Nun wird diese ohnehin als kritisch zu erachtende Einzelfallentscheidung von beiden Kreisen über die Maßen genutzt, um zu Lasten der Betroffenen Geld zu sparen“, kommentierte die Bürgerbeauf- tragte. „Es fehlt bei den Behördenspitzen völlig das Verständnis für die Bedeutung der Aufgabe aus sozialrechtlicher und gesellschaftlicher Sicht. Die mir bekannten Bescheide sind zumindest an diesem Punkt rechtswidrig.“Auch der Verweis darauf, dass das Land mit der Einrichtung der Schulassistenten und deren Auf- gabenbeschreibung angeblich anerkannt habe, dass keine Leistungsverpflichtung besteht, geht fehl: „Die Schulassistenz unterstützt im System Schule eben nicht nur im pädagogischen Kernbe- reich - alles, was darüber hinausgeht ist grundsätzlich auch Gegenstand der Unterstützung durch einen Schulbegleiter“, erklärte El Samadoni.Neben der Möglichkeit einer Änderung des Schulgesetzes, die einseitig durch den Landesgesetz- geber erfolgen kann, könnte es nach Auffassung der Bürgerbeauftragten auch hilfreich sein, wenn die Beteiligten gemeinsam nach einer grundsätzlichen Lösung suchten. „Ich appelliere an alle Be- teiligten, die Kreise und das Land, zeitnah gemeinsam dafür zu sorgen, dass kein Kind zurückge- lassen wird“, sagte El Samadoni.Die Bürgerbeauftragte weist darauf hin, dass es nach ihrer Kenntnis in anderen Kreisen und kreis- freien Städten kaum Probleme bei der Schulbegleitung, insbesondere im Hinblick auf die Beglei- tung beim Toilettengang gebe. Betroffenen Eltern und Kindern, die Probleme mit den Bewilli- gungsbescheiden haben, bietet die Bürgerbeauftragte Beratung und Unterstützung im Einzelfall an.