Dr. Kai Dolgner zu TOP 53: Wir müssen uns selbst schützen
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 10. Juni 2016TOP 53, Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation (PRISM) (Drs. 18/936neu, 18/1063, 18/1065, 18/1075 und 18/4280)Dr. Kai Dolgner:Wir müssen uns selbst schützenDie Anträge, die wir heute beraten, sind nun fast drei Jahre alt, dennoch sind sie leider aktuell. Wir haben unter anderem eine lückenlose Aufklärung gefordert. Das Einzige, was inzwischen lückenlos geklärt wurde ist, dass a) das Bundeskanzleramt keinerlei Interesse an einer Aufklärung hat und b) die Regierung der Vereinigten Staaten nie vorhatte, auch nicht im Rahmen eines No- Spy-Abkommens, Deutschland von ihren Spionageaktivitäten auszunehmen.Um das zu untermauern, wurde konsequent dann 2014 auch der Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Spionagetätigkeit ausspioniert. „Auch die sonstigen diplomatischen Bemühungen sind wenig von Erfolg gekrönt gewesen. Der Fragenkatalog der Bundesregierung aus dem Herbst 2013 wurde nicht beantwortet. Wenn es Äußerungen der USA gab, dann fielen 2sie in die Kategorie: Heult doch!“ Das habe ich bereits vor zwei Jahren hier im Plenum gesagt und es ist immer noch wahr.Und wir im kleinen Schleswig-Holstein? Ja wir können und werden heute beschließen, dass das Bundeskanzleramt endlich die Vorgänge der letzten Jahre aufklärt, allein mir fehlt der Glaube, weil es das in den letzten drei Jahren auch nicht gemacht hat. Ich persönlich habe auch so meine Zweifel, ob ein No-Spy-Abkommen mit den USA uns wirklich schützen würde.Ich gehe nicht davon aus, dass uns nur die USA ausspioniert, sondern auch viele andere Mächte, von denen wohl die wenigsten lupenreine Demokratien sind.Bleibt nur, uns selbst zu schützen, deshalb ist es sehr löblich, dass unsere Landesregierung daran arbeitet, eine wirksame Ende-zu-Ende-Verschlüsselung per PGP unseren Bürgerinnen und Bürgern anzubieten. Auch die Auslagerung von Daten auf fremde Systeme sollte grundsätzlich durch eine nutzerseitige Verschlüsselung gesichert werden.Herr Breyer meint ja, wir sollten internationale Beschwerdeverfahren nutzen. „Da wir also selbst fleißig spionieren, hat so ein Beschwerdeverfahren also durchaus auch eine heuchlerische Komponente.“ Das habe ich im Mai 2014 gesagt, worauf Herr Breyer sich sogar bemüßigt fühlte, unsere Dienste in Schutz zu nehmen. Das war wohl das einzige Mal in seinem Leben.Tja, inzwischen wissen wir nicht nur, dass auch der BND für die NSA spioniert hat, darunter auch deutsche Unternehmen im Ausland, nein wir haben auch selbst unsere Freunde und Partner ausspioniert, darunter auch Hillary Clinton, das französische Außenministerium, den Präsidialstab und die EU-Kommission. Meine damalige Annahme hat sich also als zutreffend erwiesen, dass Deutschland sich nun nicht so viel besser verhalten hat.Der ehemalige BND-Mitarbeiter Markus R. soll ja nicht nur für die USA, sondern auch für Russland spioniert haben. Inzwischen hat Verfassungsschutzchef Maaßen sogar nahegelegt, Edward Snowden könnte gar ein russischer Spion sein. Nun ja.Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass unsere bundesdeutschen Geheimdienste im Bereich der Spionage und vor allem der Spionageabwehr noch genau wissen, was sie tun und wer für wen arbeitet und vor allem, für wen sie eigentlich arbeiten sollten. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit erspare ich mir die Posse um die Nichtherausgabe der Selektorenliste. 3Es scheint aber inzwischen wirklich so zu sein, wie es der große Dichter Carl Barks in seinem Opus Magnus „Dangerous Disguise“ aus dem Jahr 1951 in der ihm eigenen prophetischen Weise beschrieben hat: Am Ende verlieren alle die Übersicht mit Spionen, Gegenspionen, Gegengegenspionen und Gegengegengegenspionen. Da nach Barks bekanntlich nichts mehr kommen kann, schließe ich meine Rede.