Jette Waldinger-Thiering: Behindertenrechte sind nicht nice to have
Presseinformation Kiel, den 10.06.2016Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 62 Bericht des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung über seine Tätigkeit 2013/2014 Drs. 18/3974 „Behindertenrechte sind nicht nice to have“Zum Glück ist der vorliegende Tätigkeitsbericht nicht der einzige Anlass, zu dem wir hier überdie Belange von Menschen mit Behinderung diskutieren. Auch Themen wie der barrierefreieTourismus, die inklusive Schule oder der inklusive Arbeitsmarkt haben uns immer wiederbeschäftigt. Diese Tatsache ist aus Sicht des SSW nur zu begrüßen. Denn diese Debatte ist eineGrundvoraussetzung dafür, dass wir unserer Verpflichtung im Rahmen der UN-Konventionnachkommen. Und nur so erfüllen wir die relativ neue Verfassungsergänzung mit Leben, nachder wir uns als Land für Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabevon Menschen mit Behinderung einsetzen wollen.Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Das klingt für mich ersteinmal vornehm und leider auch ein bisschen nach Sonntagsreden. Ganz konkret aber heißt 2das: Alle Menschen haben die gleichen Rechte. Egal ob mit oder ohne Behinderung. Alle habenzum Beispiel das Recht auf gute Bildung. Das Recht auf Arbeit. Das Recht aufSelbstbestimmung oder das das Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse. Niemand darfeinfach bevormundet und niemandem dürfen Chancen auf Teilhabe verbaut werden. In letzterKonsequenz sind also alle Lebensbereiche betroffen. Und in letzter Konsequenz sind wir ebenauch alle in der Pflicht.Die Grundlage in Form der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungdürfte eigentlich allen bekannt sein. Und doch will ich gern an eins erinnern: Durch dieUnterzeichnung des Übereinkommens und durch die Ratifizierung ist sie ein rechtskräftigesGesetz. Die Verlautbarungsebene und die schöne Welt der Sonntagsreden haben wir alsolängst verlassen. Behindertenrechte sind nicht „nice to have“, sondern Bund, Länder undKommunen haben hier ganz konkrete Verpflichtungen. Die Anliegen von Menschen mitBehinderung müssen in allen Bereichen des politischen Handelns als Selbstverständlichkeitbegriffen und berücksichtigt werden. Das ist der Auftrag.Diese Fakten sind deshalb so wichtig, weil es bis dahin leider noch ein weiter Weg zu seinscheint. Man braucht gar nicht in die Details des ausführlichen und sehr informativen Berichtseinzutauchen, um das zu erkennen. Hierfür reicht schon der Blick auf die so genanntenBrennpunkte: Längst nicht alle Akteure haben ihre Verantwortung für die Umsetzung der UN-Konvention erkannt. Die Beteiligung von Menschen mit Behinderung ist längst nicht auf allenEbenen und schon gar nicht in vollem Umfang sichergestellt. Auch unser Rechtssystem mussdeutlich besser an die Anforderungen der Konvention angepasst werden. Und gerade wir alsLand müssen bei der Umsetzung unseres Aktionsplans oder bei den Themen Barrierefreiheit,Arbeitswelt oder inklusive Bildung deutlich nachlegen. Das ist sicher nicht zum Nulltarif zuhaben. 3Wir haben es immer wieder betont und ich will es trotzdem gerne nochmal deutlich machen:Für den SSW ist und bleibt das Zusammenleben in Vielfalt ein unheimlich wichtiges Ziel. Wirmeinen, dass sich wirklich alle für einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutzvon Frauen und Männern mit Behinderung einsetzen müssen. Und vor allem wir politischVerantwortlichen müssen weiter daran arbeiten, möglichst viele Menschen zu erreichen undsie dazu zu bewegen, sich mit diesem Thema zu befassen. Nur so kommen wir zu demBewusstseinswandel, der für eine inklusive Gesellschaft nötig ist. Eine Gesellschaft, in derMenschen mit Behinderung eben nicht ausgegrenzt, sondern in ihrer Vielfältigkeit alsBereicherung gesehen werden. Dieser Prozess ist sicher nicht immer einfach und wird wohlauch noch dauern. Aber nur so kann Inklusion gelingen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html