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10.06.16
14:39 Uhr
SSW

Lars Harms: Politische Vielfalt ist eine Bereicherung

Presseinformation Kiel, den 10. Juni 2016

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 10+57 Änderungen im Wahlrecht
Drs. 18/3537

„In 327 Gemeinden ist die Kommunalwahl schon vor dem eigentlichen Wahltermin mit Aufstellung der Dorf-Einheitsliste gelaufen gewesen.“

Der vorliegende Gesetzentwurf möchte einerseits die Wahlverfahren optimieren und
andererseits den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Wahlen erleichtern. Wir haben für
diese Zwecke ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, unter anderem haben wir
Fristen für Wähler und Gewählte verkürzt; wir wollen die Einführung mobiler Wahlstationen
testen, die Briefwahl erleichtern und die Wahl des Stiftes freigeben und so weiter. Ich möchte
angesichts der Vielzahl der Maßnahmen drei Kern-Themenkomplexe herausgreifen:
Erstens. Die Änderung des Teilers im Verhältniswahlrecht. Das Verhältniswahlrecht soll den
Wählerwillen besser abbilden als das Mehrheitswahlrecht, bei dem ja unter Umständen bis zu
49,9 Prozent aller Stimmen unter den Tisch fallen. Das Verhältniswahlrecht ist allerdings
vergleichsweise kompliziert. Es führte in der Vergangenheit zu Situationen, in denen die absolute 2
Stimmenmehrheit nicht zu einer Sitzmehrheit führte. Auf diese Weise kann das Verfahren im
extremen Einzelfall ungerecht sein. Die Bürgerinnen und Bürger stellen dann mit Recht die Frage
nach der Legitimität der Wahl. Wir wollen diese Gefahr durch die vorgeschlagene
Wahlrechtsänderung mit zusätzlichen Mandaten bannen. Ich möchte an dieser Stelle allerdings
auch deutlich machen, dass dieser Fall bislang nur sehr selten eingetreten ist. Ich finde, dass wir
eine kluge Lösung gefunden haben, die zukunftsfähig ist.


Zweitens. Ursprünglich sollte der Teiler im Verhältniswahlrecht beim ersten Mandat auf 0,7
festgelegt werden. Dieser Wahlrechtseingriff sollte lediglich eine Korrektur sein und den
Wählerwillen ausdrücklich weder einschränken noch verfälschen. Diese Änderung sollte dazu
dienen, unerwünschte, kleine Parteien, die so genannten Splitterparteien außen vor zu halten. Es
gibt aber keinen Grund, sie außen vor zu halten. Und verfassungsmäßig wäre eine solche
Regelung am Ende doch sehr angreifbar gewesen. Deshalb wird auf die Erhöhung des Teilers
verzichtet und wir bleiben weiterhin bei 0,5. Das heißt, mit der Stimmenzahl für ein halbes
Mandat erreicht man schon das erste Mandat. Die Vielfalt in der Parteienlandschaft empfinde
nicht nur ich persönlich, sondern viele Menschen in unserem Land als eine ausgesprochene
Bereicherung. Ich sage das ausdrücklich vor dem Hintergrund, dass in 327 schleswig-
holsteinischen Gemeinden nur eine einzige Wählergruppe bei der letzten Kommunalwahl
kandidierte; das entspricht jeder dritten Kommune im Land. Das ist das eigentliche
Demokratiedefizit, das wir hier im Land haben! Schleswig-Holsteins Gemeinden sind eben so
klein, dass es nicht einmal den großen Parteien gelingt, ausreichend Bürgerinnen und Bürger für
die politische Arbeit zu motivieren. Für die kleinen Parteien ist es umso schwerer. In einer kleinen
Gemeinde findet sich niemand, der ohne Unterstützung und allein in einem Gemeinderat für
seine Partei politisch mitgestalten will. Also schließt er oder sie sich der Wählergruppe an. So
kommt es, dass die Kleinheit der Strukturen das Aufkommen der angeblich parteiübergreifenden
Wählervereinigungen befördert. 3
Es ist zu bezweifeln, ob diese Notlösung die Demokratie und Vielfalt in unserem Land fördert. In
327 Gemeinden ist die Kommunalwahl schon vor dem eigentlichen Wahltermin mit Aufstellung
der Dorf-Einheitsliste gelaufen gewesen.


Drittens. Die Logos der Parteien werden zukünftig auf dem Wahlzetteln zu finden sein. Das ist
ausgesprochen hilfreich für alle Wählerinnen und Wähler, die mit kleinen Texten oder auch den
Lichtverhältnissen in den Wahlkabinen nicht zurechtkommen. Ich setze voraus, dass die Logos
der Parteien bekannt sind, so dass dieser visuelle Hinweis eine weitere Gewähr dafür bietet, dass
die Wahlentscheidung so wie beabsichtigt ausfällt. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, wo sie
ihr Kreuz machen wollen; wenn sie aber den Text daneben nicht richtig entziffern können, droht
eine ungewollte Stimmabgabe. Nach meinem Dafürhalten vertrauen alle anderen Bundesländer
bislang ausschließlich der Schrift; Schleswig-Holstein geht mit der Visualisierung der Parteien
ausdrücklich vorweg. Ich halte das für die richtige Entscheidung, genauso übrigens wie die
Abfassung der Wahlunterlagen in leichter Sprache. Ich sage dies auch, vor dem Hintergrund, dass
wir das Wahlrecht für unter Betreuung stehende Personen maximal ausweiten, was sicherlich
auch eine Diskussion auf Bundesebene anstoßen könnte.
Gerade das macht mich auch ein bisschen Stolz. Wir erleichtern Menschen mit
Benachteiligungen von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Auch das schafft mehr
Demokratie!



Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html