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10.06.16
14:34 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zu Vorlagen zum Wahlrecht in Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 10 + 57 – Wahlrechtsreformen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der innenpolitische Sprecher Zentrale: 0431 / 988 – 1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Burkhard Peters: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 278.16 / 10.06.2016



Für die Demokratie war die 18. Wahlperiode bisher eine gute Zeit! Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
Als Parlamentsneuling vermute ich mal, dass man sich in keiner anderen Wahlperiode dieses nun seit 70 Jahren bestehenden Hauses so oft mit dem Wahlrecht beschäftigt hat, wie in der 18.Legislaturperiode:
Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf der Kommunalebene, Wahlalter 16 im Landtagswahlrecht, Änderung der Quoren bei Volksinitiative und Volksentscheid in der Landesverfassung, intensive Debatte über die Abschaffung der 5%-Sperrklausel im Landtagswahlrecht, Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung und mögliche Gegenstra- tegien, mit all dem haben wir uns in der 18.Wahlperiode bereits umfangreich auseinan- dergesetzt.
Und jetzt liegt in 2. Lesung ein weiteres wahlrechtliches Dickschiff im Hafen, um recht- zeitig vor den anstehenden Landtagswahlen 2017 auf die Reise zu gehen.
Es umfasst eine Vielzahl von Änderungen. Von dokumentenechten Stiften in den Wahlkabinen, über das Wahlrecht behinderter Menschen, über Verkürzungen bei den Sesshaftigkeitserfordernissen für aktives und passives Wahlrecht bis zu Erleichterun- gen bei der Briefwahl und bei der Unterschriftensammlung für Volksinitiativen.
In allen Details dieses Artikelgesetzes geht es um Verbesserungen, Erleichterungen und Erweiterungen im Wahlrecht, dem zentralen Grundlagenrecht einer Demokratie. Für das Wahlrecht und damit für die Demokratie war die 18. Wahlperiode bisher eine gute Zeit! Seite 1 von 3 Meine Damen und Herren, dass es immer nur voran geht, ist aber leider nicht ausgemacht, wie das vorliegende Gesetzgebungsverfahren ebenfalls zeigte. Ich spreche von dem Vorstoß der CDU, im Kommunalwahlrecht wieder eine Sperrklausel einzuführen. War die CDU in ihrem Än- derungsantrag vom 17.11.2015 noch zurückhaltend und forderte eine Klausel von 2,5 Prozent, legte sie jetzt noch einmal kräftig nach und fordert nun 4 %. Zur Begründung kein einziges Wort!
Ermuntert wurde sie durch den Vorsitzenden des Städtetags SH, Bernd Saxe, Bürger- meister von Lübeck. Der hat mit seiner Bürgerschaft offenbar ein paar Probleme und meint, die Stadt stehe am Rande der Unregierbarkeit. Ob das allerdings kausal auf das Fehlen einer Sperrklausel zurückzuführen ist, sollte Herr Saxe vielleicht einmal mit ei- nem auch selbstkritischen Blick auf die Dinge zu ergründen suchen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich an dieser Diskussion wirklich ärgert, ist der Umstand, dass die Befürworterin- nen und Befürworter der Sperrklausel sich nicht die geringste Mühe machen, die ein- schlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur 5%-Klausel im Kommu- nalwahlrecht vom 13.02.2008 zu lesen.
Das erbost mich auch persönlich, weil ich als Anwalt der Grünen vor dem Bundesver- fassungsgericht dafür gestritten habe, der 5%-.Hürde im Kommunalwahlrecht das Ende zu bereiten.
Danach ist die Rechtslage sonnenklar. Eine Sperrklausel im Kommunalwahlrecht ist nur dann gerechtfertigt, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungen zu erwarten ist. Dabei muss eine konkrete Gefährdung in der realen kommunalen Welt nachgewiesen werden, und zwar landesweit. Es reicht absolut nicht aus, wenn Herr Saxe in Lübeck meint, er kommt mit seiner Bürgerschaft nicht zurecht!
Und wenn die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU in einer Presseerklärung vom 02.06. erneut die alte Platte auflegt, durch das Fehlen einer Sperrklausel würden rechts- und linksextremen Gruppierungen der Einzug in die kommunalen Vertretungen erleichtert, dokumentiert sie nur ihre absolute Erkenntnisresistenz.
Auch in diesem Punkt ist das Urteil vom 13.2.2008 eindeutig: Ich zitiere: „Die Fünf-Prozent-Sperrklausel kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie dem Zweck diene, verfassungsfeindliche oder (rechts)extremistische Parteien an kommunalen Vertretungsorganen fernzuhalten. Für die Bekämpfung verfassungswidri- ger Parteien steht das Parteiverbotsverfahren zur Verfügung.“
Viel spannender war für mich dagegen die Diskussion um die Ersatzstimme, die von den Piraten ins Spiel gebracht wurde. Leider konnte sich keine Mehrheit für diesen bemerkenswerten Versuch erwärmen, den mit einer 5%-Hürde bei Landtagswahlen verbundenen Stimmenverlust wenigstens abzumildern.
Ich sehe das als einen Auftrag für die kommende Wahlperiode an!


2 Noch kurz zu unseren Ideen aus dem Entschließungsantrag zur Steigerung der Wahl- beteiligung. Ob diese etwas bringen, könnte schon die kommende Landtagswahl im Mai 2017 zeigen. Allerdings dürfte das Erstarken der AfD deutlich mehr Effekt für eine höhere Wahlbeteiligung haben, wie sich bei den letzten 3 Landtagswahlen gezeigt hat.
Unsere Aufgabe als Demokraten wird daher sein, die mit dem Auftreten der AfD ein- hergehende Politisierung intensiv zu nutzen – um mit diesen populistischen Vereinfa- cherInnen und Vergangenheitsapologeten um jede Stimme zu kämpfen!
Vielen Dank.

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