Lars Harms: Die Rehabilitierung muss auch ein Signal gegen die letzten Ungleichbehandlungen sein
Presseinformation Kiel, den 10. Juni 2016Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 23 Rehabilitierung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten verurteilten Männer Drs. 18/4165 „Diese schmerzliche Lücke zu schließen, muss in der modernen Bundesrepublik des Jahres 2016 schlichtweg möglich sein.“Homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen Männern geht den Staat nichts an.Dies mag für die jüngere Generation selbstverständlich klingen. Jedoch war es einlanger Weg dorthin. Seit der Gründung des deutschen Staats, war der Paragraf,welcher sich auf so-genannte „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern bezieht,rechtlich verankert. Für Frauen galt der Paragraf übrigens nicht.Erst im Jahr 1994 und nach genau 123 Jahren hat man diesen Paragrafen aus demGesetz entfernt. Das ist eigentlich schon sehr schockierend und in gewisser Weise auchzynisch. 2Natürlich muss man anerkennen, dass hinter diesem Paragrafen sich mehr verbirgt alsnur eine Rechtsordnung. Denn dieser Paragraf steht für den gesamt-gesellschaftlichenWandel. Jedoch ist der letzte Schritt noch nicht vollzogen worden, nämlich dieAufhebung der entsprechenden Urteile, sowie eine angemessene Entschädigung fürdie verurteilten Männer herbeizuführen. Im Jahr 2002 wurden die Opfer des Paragrafen175 aus der NS-Zeit rehabilitiert, nicht jedoch die Verurteilten der bundesrepublika-nischen Geschichte. Diese schmerzliche Lücke zu schließen, muss in der modernenBundesrepublik des Jahres 2016 schlichtweg möglich sein.Der Bundesjustizminister hat nun verlauten lassen, einen entsprechendenGesetzentwurf vorzulegen, welcher eine vollständige Rehabilitierung der Opfervorsieht. Von daher ist es auch absolut richtig, dass unsere Landesregierung auch einAuge auf eine rasche Umsetzung haben möge. Die rasche Umsetzung ist vor allemdeshalb wichtig, damit die Betroffenen und ihre Familien so schnell wie möglich, vonder Rehabilitierung in ihrer vollen Lebenskraft und Würde erfahren können.Von daher gilt es wieder einmal auf eine zügige Umsetzung zu pochen. Die staatlichenHandlungen lassen sich nicht rückgängig machen, jedoch sollte durch die genanntenForderungen der Staat sich zu seiner Schuld bekennen und zudem Verantwortungübernehmen. Man wird die Bundesrepublik ganz unweigerlich an ihren Taten messen.Unsere Aufgabe ist es jetzt und wird es auch für die Zukunft bleiben; ganz genauhinzusehen. Wir dürfen nicht Stillhalten, wenn Unrecht geschieht. Nicht im Jahr 1966,nicht im Jahr 2016 und auch in den kommenden Jahrzehnten nicht. 3Wenn wir aber darüber reden, die Betroffenen zu rehabilitieren und zu entschädigen,dann kann ich nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, dass homosexuelle Menschen inunserem Land immer noch nicht auf allen Gebieten völlig mit heterosexuellenMenschen gleichgestellt sind. Alleine schon die Tatsache, dass diese Menschen eineLebenspartnerschaft eingehen müssen, weil sie formal nicht heiraten dürfen, ist eineDiskriminierung. Hinzu kommen dann noch Ungleichbehandlungen beimAdoptionsrecht oder auch beim Blutspenden. Wir sehen also, dass es nicht nur umVergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung geht, sondern auch darum, aktuelleBenachteiligungen von homosexuellen Menschen auch abzuschaffen.Von der Rehabilitation und der Entschädigung der Homosexuellen muss ein Signal andie Gesellschaft ausgehen, auch noch die letzten Ungleichbehandlungen abzuschaffen.Das muss das erweiterte Ziel sein. Es wird ein großer Tag für unser Land sein, wenn dieRehabilitierung der Betroffenen umgesetzt wird.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html