Lars Harms: Diejenigen, die Geld am Staat vorbei transferieren, entsolidarisieren sich
Presseinformation Kiel, den 29. April 2016Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 36 Konsequenzen aus den Panama Papers Drs. 18/4104„Diejenigen, die Geld am Staat vorbei transferieren, entsolidarisieren sich!“In Panama City nutzen tausende Großverdiener Briefkastenfirmen, anonyme Stiftungen undandere Konstruktionen, um in ihren Heimatländern keine oder nur noch sehr wenige Steuernzahlen. Das frustrierende an der Aufdeckung dieser Praktiken ist die Tatsache, dass dieallermeisten dieser Modelle völlig legal sind. Die legalen Steuerschlupflöcher sind im wahrstenSinne unglaublich riesig. Wer schon einmal mit dem Finanzamt um die steuerliche Anrechnungeiner vierstelligen Summe gestritten hat, zum Beispiel für eine Sonderausgabe, kann sichüberhaupt nicht vorstellen, welche Geldsummen ganz legal an der Steuer vorbei fließen. Dankeines komplizierten Firmengeflechts hat allein das schwedische Möbelhaus IKEA die Steuerlast inder Europäischen Union in den letzten sechs Jahren wahrscheinlich um eine Milliarde Eurogemindert. Das ist eine 1 mit neun Nullen! In Deutschland werden die Ausfälle von IKEA auf 36Millionen beziffert. Mit diesen Einnahmen könnte man 900 neue Kindergartenplätze schaffen. 2Vor diesem Hintergrund zeigen die Panama Papers einmal mehr, dass die Steuergesetzgebung,auf die Deutschland so stolz ist, in Sachen regionaler Steuerabschöpfung hoffnungslos hinterherhinkt. Solange Unternehmensgewinne zwischen verschiedenen Ländern so lange frei fließenkönnen, bis sie auf nahezu Null gerechnet werden können, sind wir noch meilenweit von derSteuergerechtigkeit entfernt.Die OECD verlangt darum, bereits seit 2014 von allen Großunternehmen die Offenlegung derGewinne aufgeschlüsselt nach den Ländern, in denen sie generiert wurden; das so genanntecountry-by-country-reporting. Die Gewinne werden nicht pauschal erfasst, sondern werden denLändern zugeordnet. Damit sollen die Betriebe gezwungen werden, ihreSteuerabschreibungsmodelle offen zu legen. Langfristig will die OECD auf diesem Weg dieGewinnkürzung der Großunternehmen aufhalten; die Berichtspflicht ist nur der erste Schrittdahin. Zwei Jahre lang wurde intensiv beraten, denn die Lobby der Großunternehmen hatte alleHebel in Gang gesetzt, um eine entsprechende Berichtspflicht zu verhindern. Da die Praxis derGroßunternehmen alle nationalen Wirtschaften betrifft, konnte erst gemeinsam mit den G20eine internationale Vereinbarung erzielt werden. Die Finanzminister haben diese Vereinbarungam 8. Oktober 2015 in Lima unterschrieben, unter ihnen Finanzminister Schäuble. Der hatte dasAbkommen in den höchsten Tönen gelobt. Auf der Internetseite seines Ministeriums kann manes noch nachlesen: Da ist von einem „Meilenstein in der internationalen Steuerpolitik“ die Rede.Noch nie habe es eine so enge Verständigung über internationale Besteuerungsstandardsgegeben.Und dann kamen die Panama Papers. Die zeigen, dass sich die Großunternehmen um dieBesteuerung keine Sorgen machen. Sie finden Mittel und Wege, ihre Gewinne in Sicherheit zubringen. Dass sie damit die Staaten schädigen, deren Infrastruktur sie in Anspruch nehmen und 3dessen Bürgerinnen und Bürger ihnen überhaupt die Gewinne bescheren, ist ihnen dabeioffensichtlich völlig egal.Die Kooperation zwischen den Steuerbehörden ist völlig unzureichend. Die im Abkommenenthaltene Transparenz ist noch lange nicht Sicht.Es ist zu befürchten, dass die Enthüllungen durch die Weitergabe der Panama Papers nicht dieletzten Skandale der globalen Steuerflucht-Szene sein werden. Einer der über 160 souveränenStaaten wird sich immer finden, der sich als Steuerparadies anbietet. Neben immer strengerenKontrollen ist deshalb vor allem eines wichtig: Diejenigen, die Geld am Staat vorbei transferieren,entsolidarisieren sich und müssen entsprechend gesellschaftlich geächtet werden!Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html