Dr. Ralf Stegner zu TOP 36: Ein Anlass mehr, Steuervermeidung und -hinterziehung
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 29. April 2016TOP 36: Konsequenzen aus den Panama Papers: Steuerhinterziehung verhindern und Steuervermeidung eindämmen (Drs. 18/4104, 18/4126)Dr. Ralf Stegner:Ein Anlass mehr, Steuervermeidung und -hinterziehung zu bekämpfen„Panama riecht nach Bananen. Oh, Panama ist das Land meiner Träume“, so heißt es in Janosch‘ Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“. Und deshalb machen sich der kleine Bär und der kleine Tiger auf den Weg nach Panama. Momentan riecht es in Panama aber mehr nach krummen Geschäften, so scheint es mir. Die aktuelle Debatte betrachtend, ist das schöne mittelamerikanische Land aber wohl eher zum Sehnsuchtsort von Steuerflüchtlingen geworden.Durch Steuerbetrug und -vermeidung gehen der Allgemeinheit EU-weit jedes Jahr eine Billion Euro verloren; das ist mehr als der gesamte EU-Haushalt für die Jahre 2014-2020. Die Hans- Böckler-Stiftung ging 2012 davon aus, dass dem deutschen Fiskus durch Hinterziehung Steuereinnahmen im Volumen von 100 Milliarden Euro entgehen.Die „Panama Papers“ sind ein konkretes Beispiel dafür, dass wir den globalisierten Finanzkapitalismus nicht allein mit den Mitteln des Nationalstaats bändigen können. Sie zeigen, dass die Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und 2Terrorismusfinanzierung ganz oben auf die politische Agenda gehört. Manches haben wir geahnt und manches auch schon gewusst. Neu ist das Ausmaß, das da ans Tageslicht gekommen ist.Wir – vorrangig aber Bundesregierung, EU, IWF und Weltbank – müssen jetzt handeln: Banken, die weiterhin solche Geschäfte ermöglichen, muss die Lizenz entzogen werden. Wir brauchen Transparenz. Briefkastenfirmen müssen komplett verboten werden. Für diese Heimlichkeit gibt es keine Rechtfertigung. Völlig egal, ob jemand Geld vor dem Partner versteckt, Drogen oder Terrorismus finanziert oder Steuern hinterzieht. Die einzigen Briefkastenfirmen, die etwas taugen, sind solche, die Briefkästen herstellen. Staaten, die solche Geschäfte fördern, müssen mit harten Sanktionen belegt werden. Sie schaden der gesamten Weltgemeinschaft. Wir brauchen endlich bindende internationale Vereinbarungen über eine Finanztransaktionssteuer und die entschlossene Bekämpfung von Steuerkriminalität und Steuervermeidung. Wir brauchen weltweit Register, um transparent zu machen, wer für undurchsichtige Unternehmenskonstruktionen, Briefkastenfirmen und dubiose Stiftungen steht. Diese Register müssen international miteinander vernetzt werden. Nur so können wir Licht ins Dunkel des Dschungels bringen. Dazu gehört für die SPD auch, dass Unternehmen dort Steuern zahlen müssen, wo sie auch ihre Gewinne erwirtschaften. Multinationale Unternehmen müssen dazu verpflichtet werden, ihre wirtschaftliche Tätigkeit und ihre Gewinne länderbezogen offenzulegen.Große Steuersummen systematisch über dubiose Offshore-Konstruktionen zu hinterziehen, ist nicht nur illegal, sondern auch ein Verbrechen an der Gemeinschaft. Die Gesellschaft beruht auf dem Grundverständnis, dass jeder seinen gerechten Teil dazu beiträgt. Was gerecht ist, definiert die Demokratie. Wer sich dem entzieht, handelt nicht nur kriminell, sondern auch antidemokratisch.Ich halte das für Betrug an den Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Einfache Bürgerinnen und Bürger zahlen ihre Steuern. Andere, die viel haben, haben auch viele Möglichkeiten und nutzen diese, um möglichst viel für sich zu behalten. Was könnten wir alles für die Bekämpfung von Armut tun, wenn dieses Geld dem Allgemeinwohl dienen würde? 3Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die jeden Tag hart arbeiten und sich an die Regeln halten. Man kann sich noch so sehr anstrengen. Wenn andere jede illegitime Chance nutzen und sogar betrügen, wird die Schere zwischen Arm und Reich größer werden. Jeder in Panama hinterzogene Euro fehlt bei der Erneuerung von Schulen oder der Sanierung von Straßen.Es geht hier auch um die Zukunft der Marktwirtschaft. Ich wage mich mal auf das Feld von Herrn Kubicki und stelle eine Prognose auf: Die Marktwirtschaft wird scheitern, wenn dieser extremen Form der Globalisierung keine Regeln auferlegt werden. Denn die Marktwirtschaft beruht ja gerade darauf, dass es einen fairen Wettbewerb gibt. Dieser faire Wettbewerb wird aber durch Steueroasen und Steuerschlupflöcher zerstört. Die Marktwirtschaft wird scheitern, wenn es nicht gelingt, diese Schattenwelt zu stoppen!Bei Janosch heißt es, der kleine Bär und der kleine Tiger bräuchten sich vor nichts zu fürchten, denn wie es der Bär sagt: „Ich bin stark wie ein Bär und du bist stark wie ein Tiger. Das reicht.“ Diese Stärke werden wir im Kampf gegen Steuerhinterziehung ebenfalls brauchen. Dann wird Panama wieder zum Sehnsuchtsort – wo es von oben bis unten nach Bananen riecht.