Lars Harms: Der Wechsel zu einer Demutsformel bietet mehr Raum zum freien Glaubensbekenntnis
PresseinformationKiel, den 29. April 2016Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 17 Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung Drs. 18/4107 „Der Wechsel zu einer Demutsformel bietet mehr Raum zum freien Glaubensbekenntnis.“Wir reden heute nur vorgeblich über ein Thema, das wir schon im Rahmen der Verfassungs-novellierung beraten haben. Damals ging es zwar auch um einen Gottesbezug in derLandesverfassung, aber eben gerade auch über eine so genannte Demutsformel, die zwar Gottnennt, aber eben – so die Verfassungsrechtler seinerzeit – nicht nur Gott meint. Damals ging esum die Formulierung „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Inzwischen sind bei derheutigen Formulierung die Menschen aus der Formulierung herausgefallen. Das mag der eineoder andere als bezeichnend empfinden; ist aber in der Konsequenz logisch. Es geht nämlich inder uns heute vorliegenden Formulierung nicht mehr um eine Demutsformel, wie noch bei derVerfassungsreform 2014, sondern um eine Bekenntnisformel. Dass dies etwas anderes ist,möchte ich ihnen darlegen. 2Die uns heute vorliegende Formulierung, „in Achtung der Verantwortung, die sich aus demGlauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt“ ist aus derpolnischen Verfassung entlehnt. Die Demutsformel „in Verantwortung vor Gott“ findet sich inder dortigen Präambel übrigens einige Zeilen tiefer. Um zu ergründen, was dieser neueFormulierungsvorschlag eigentlich meint, muss man sich insbesondere den zweiten Halbsatzansehen. Da ist von universellen Quellen gemeinsamer Werte die Rede. Über welche Werte redenwir dabei. Über die Werte, die unsere Gesellschaft geprägt haben? Sind also mit den universellen,also alle Bereiche des Lebens umfassenden Werten, ausschließlich unsere abendländischenWerte gemeint. Und beziehen sich darauf dann die universellen Quellen. Dann wären wirwahrscheinlich bei philosophischen Quellen, die unsere Gesellschaft in den vergangenenJahrhunderten geprägt haben. Dann allerdings müsste sich das Glaubensbekenntnis ja auchunsere traditionellen Religionen beziehen, was bedeuten würde, dass im ersten Halbsatz desVorschlages eher der christlich-jüdische Glauben gemeint ist und nicht andere Glaubensformen,die heute auch bei uns praktiziert werden.Und auch, wenn man den Text entgegengesetzt liest, entstehen Probleme. Wenn man sagt, dassalle Glaubensgemeinschaften – ähnlich wie bei einer Demutsformel – gemeint sein sollen unddass auch Atheisten oder Menschen, die aus philosophischen Betrachtungen heraus ihrVerantwortungsbewusstsein begründen, mit eingeschlossen sein sollen. Dann fragt man sichnatürlich, warum schreibt man es dann nicht? Stattdessen ist auch hier von dem Glauben anGott die Rede und nicht von einem Glauben an Gott. Auch hier wird unsere christlich-jüdischeTradition vorangestellt und dann hingewiesen, dass man sich auch auf eine andere Quelle derErkenntnis beziehen kann. Hier wird eine Rangfolge festgelegt, die ja auch in der polnischenVerfassung damals durchaus so angelegt war. Das kann man machen, aber das muss auch klarsein, weil entsprechend dieser Rangfolge dann in Zukunft auch die Verfassungsmäßigkeit vonGesetzen und Verordnungen betrachtet werden muss. 3Egal, wie man den Text liest, er hat sich von einer allumfassenden Demutsformel, wie es sie ineiner Vielzahl von Varianten in verschiedenen Verfassungen gibt, hin zu einer Bekenntnisformelgewandelt. Es ist also etwas anderes, worüber nun abgestimmt werden soll. Es wirddokumentiert, dass unsere Traditionen auf der christlich-jüdischen Kultur aufbauen, die am Endeauch noch Platz für andere Vorstellungen offen lässt. Allerdings muss bei der Abstimmung klarsein, dass die christlich-jüdische Tradition hier als das prägende Element unserer Gesellschaftvorangestellt wird. Die anderen Formen des Glaubens, wie der Islam, der Hinduismus, derBuddhismus oder andere Religionen, aber auch philosophische Vorstellungen werden in derFormulierung zwar anerkannt, aber sie sind an in der Reihenfolge der Nennung erstens nichteinzeln und damit gleichwertig genannt und sie befinden sich zudem in der Reihenfolge an derzweiten Stelle. Das ist sozusagen die Geschäftsgrundlage, die wir vorliegen haben.Es ist für uns wichtig, dass dieses auch klar benannt wird. Denn hier geht es in der Tat um eineGewissensfrage, die jeder für sich selbst zu entscheiden hat. Und es steht außer Frage, dass auchdas Bekenntnis zum christlichen oder jüdischen Gott für den Einzelnen eine so wichtige Rollespielen kann, dass dies handlungsleitend für einen selber sein kann. Dies gilt es nicht nur zurespektieren, sondern auch anzuerkennen.Genauso kann es aber auch handlungsleitend für manch einen sein, die christlich-jüdischeTradition ausdrücklich nicht als Bekenntnis der Verfassung voran zu stellen, sondern auch andereWertegrundlagen gleichberechtigt stehen lassen zu wollen. Egal, ob es sich dabei um religiöseoder philosophische Quellen handelt. Auch dies gilt es zu respektieren und anzuerkennen.Entscheidend ist, dass wir von einer Demutsformel zu einer Bekenntnisformel wechseln. Undsomit spielt das freie Bekenntnis zu einem Glauben bei der anstehenden Abstimmung über diese 4Formulierung eine noch größere Rolle für uns als bei der letzten Abstimmung über denGottesbezug in der Landesverfassung. Das muss jedem klar sein!Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html