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27.04.16
11:55 Uhr
B 90/Grüne

Anke Erdmann zur Schulartempfehlung

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 8 – Entwurf eines Gesetzes zur Wiedereinführung Pressesprecherin der Schulübergangsempfehlung und zur Stärkung der Claudia Jacob Durchlässigkeit zwischen den Schularten Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion 24105 Kiel von Bündnis 90/Die Grünen, Anke Erdmann: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 186.15 / 27.04.2016
FDP will Schulabschlussprognosen für Viertklässler Herr Präsident, meine Damen und Herren.
Die FDP schlägt vor, dass alle Neun- und Zehnjährigen in Schleswig-Holstein eine Progno- se bekommen, welchen Abschluss sie fünf bis neun Jahre später erreichen werden – völlig abwegig! Stehen Schulartenempfehlungen schon in der Kritik, so ist die Idee von Schulab- schlussprognosen von Viertklässlern wirklich komplett aus einem anderen Jahrhundert!
Stress ist ein großes Thema bei den Jungen und Mädchen an den Grundschulen. „Stress“, so heißt auch eine Studie von Prof. Heinz Reinders aus Würzburg. Er hat die Stressbelas- tung bei Eltern und Kindern vor dem Übergang in die Sekundarstufe untersucht. Die Befun- de machen klar: Kinder und Familien stehen in den Klassen drei und vier oft unter erhebli- chem Druck.
In Bayern - mit seiner bindenden Schulartempfehlung - leidet die Hälfte der Kinder unter solchem Druck; in Hessen, wo Eltern mitreden dürfen, sind es deutlich weniger. Aber mit rund einem Viertel sind es immer noch zu viele. Gutes Lernklima braucht Ansporn, nicht Angst. Wenn wir also den Druck aus den Grundschulen nehmen wollen, dann tun wir das, weil wir uns davon mehr Leistung versprechen.
Wer noch einen Grund braucht: Die Gabe von Psychopharmaka an Kinder und Jugendliche ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Sieben Prozent der elfjährigen Jungen nehmen beispielsweise Ritalin. Das ist doch ein Warnsignal.
Uns ist es wichtig, den Druck aus der Grundschule zu nehmen. Dieser Wunsch wurde auch im Bildungsdialog deutlich. Die FDP will die Schulübergangsempfehlung sogar im Gesetz verankern, wo dies bislang nicht zu finden war. Das ist eindeutig die falsche Richtung.
Im zweiten Jahr gibt es in Schleswig-Holstein nun mündliche Schulartenempfehlungen. Hier fließt die Einschätzung der Lehrkräfte ein, denn sie haben die Kinder meist vier Jahre be- gleitet. Es ist ärgerlich, dass auch im zweiten Durchgang in vielen Schulen offenbar Unsi- Seite 1 von 2 cherheit besteht. Denn die Beratungspraxis sieht noch sehr unterschiedlich aus: Teilweise wird gar nichts gesagt, teilweise nur auf Nachfrage, mitunter gibt es aber auch schulscharfe Empfehlungen.
Schriftlich wird dies nicht mehr festgelegt, aus verschiedenen Gründen:
Erstens: Wir alle wissen, dass zu viele Schulartenempfehlungen falsch sind und das Selbstbild negativ mitprägen. Wir wissen, dass bei gleicher Leistungsfähigkeit von Kindern, eine gute Empfehlung noch immer deutlich häufiger zu bekommen ist, wenn die Eltern stu- diert haben. Hierbei handelt es sich nicht um rot-grün-blaue Folklore, sondern über Studien und Auswertungen von Bildungsforschern über Jahre hinweg – auch von den Kieler Bil- dungsforschern Prof. Jürgen Baumert und Prof. Olaf Köller.
Das hat nichts mit Leistungsgerechtigkeit zu tun! Darum wollen wir den Rat der Lehrkräfte, die die Kinder vier Jahre begleitet haben. Aber im Gespräch, differenziert und nicht schwarz auf weiß.
Zweitens: Welche Schulart soll denn angekreuzt werden, wenn es nur zwei gibt, beide zum Abitur führen und die FDP das Elternwahlrecht nicht wie in Bayern abschaffen will?
Dass das nicht geht, ist auch der FPD aufgefallen. Darum will die FDP jetzt in Klasse vier den Kindern auf den Kopf zusagen, wer den ersten, den mittleren oder den höchsten Ab- schluss erlangen will. Sie ignorieren, wie oft das schief geht, wie wenig valide die Empfeh- lungen sind. Schulpolitisch sind Sie so was von Adenauer.
Warum machen Sie das? Die gute Absicht ist, dass Sie Kinder, die auf dem Gymnasium nicht mitkommen, eine Ausstiegsmöglichkeit geben wollen. Spricht man mit Schulleitungen von Gymnasien sind da viele eher gelassen: Es geht um Einzelfälle. Eltern und Lehrkräfte sehen das mitunter anders.
Hier wird mitunter außer Acht gelassen, dass sich insgesamt die Schülerklientel am Gym- nasium verändert – nicht seit 2014, sondern seit 1994. Stetig! Nicht umsonst wird dies schon seit langem thematisiert.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, hier zu helfen. Die Abende für die kommenden fünften Klassen – sie verlaufen sehr unterschiedlich: Als Werbe- oder Info-Veranstaltungen, die ein realistisches Bild über die Anforderungen vermitteln. Viele Schulen haben Fördersysteme in Klasse fünf und sechs etabliert. Der Schulwechsel ist noch immer möglich. Es geht also um die kleine Gruppe der Schülerinnen und Schüler, in denen die Eltern ihre Kinder mit fal- schen Leistungsanforderungen und -erwartungen konfrontieren. Nur hier würde Ihr Gesetz- entwurf vielleicht helfen. Dafür alle Kinder mit einer Kopfprognose über ihren Schulab- schluss zu belegen, mit allen fatalen Folgen, die das hätte, das ist ein viel zu hoher Preis!

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