Ralf Stegner, Reinhard Meyer, Uwe Polkaehn: Arbeit ist Voraussetzung für die Integration von Flüchtlingen
Kiel, 26. April 2016 Nr. 101 /2016Sperrfrist heute, 18.30 UhrRalf Stegner, Reinhard Meyer, Uwe Polkaehn: Arbeit ist Voraussetzung für die Integration von FlüchtlingenArbeit ermöglicht konkrete Teilhabe und gesellschaftliche Anerkennung. Mit einer gelungenen Arbeitsmarktintegration wird auch die Akzeptanz der Bevölkerung für die Aufnahme von Flüchtlingen gestärkt. Deshalb ist die Frage, wie die zu uns geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können, von besonderer Bedeutung. Dabei geht es nicht nur darum, Unternehmen zu unterstützen, damit sie entsprechende Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten anbieten können. Sondern auch darum, welche Folgen das für die Betriebe hat. Welche Wege gibt es, um Arbeit und Sprachkurse zu kombinieren? Was können Gewerkschaften, Betriebsräte und Politik tun, damit Integration gelingt? Diesen Fragen gehen Interessenvertreterinnen und -vertreter aus Betrieben in Schleswig-Holstein auf Einladung der SPD-Landtagsfraktion heute Abend in einer Personal- und Betriebsrätekonferenz nach: Sie beschäftigen sich mit dem Thema „Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt“. Dazu referieren der Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner, der Minister für Wirtschaft und Arbeit, Reinhard Meyer, und als Teilnehmer einer Diskussionsrunde der Vorsitzende des DGB-Nord, Uwe Polkaehn. Ralf Stegner: Wir wollen das friedliche Zusammenleben der Menschen in einer offenen, freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Daraus lassen sich fünf Handlungsfelder für eine gelingende Integration ableiten: 1. Wir heißen Geflüchtete willkommen in Schleswig-Holstein: Sprachkurse als Standardrepertoire, Wertvermittlung in Integrationskursen 2. Wir lassen auch weiterhin kein Kind zurück: von der Kita über Schule, Ausbildung bis zu den Hochschulen. Die Chance eines Aufstiegs durch Bildung müssen alle Menschen in diesem Land haben. 3. Qualifizierung und gute Arbeit sind Stärken unserer Wirtschaft: Aus- und Weiterbildung für alle Arbeitnehmer, Anerkennung von Abschlüssen und Feststellung vorhandener Kompetenzen für Geflüchtete. 4. Wir gestalten das Zusammenleben im Land: Neubau von bezahlbarem Wohnraum, Unterstützung von gesellschaftlichem Engagement. 5. Eine starke Zivilgesellschaft stärkt unsere Demokratie und gibt Rechtsextremismus und Rassismus keine Chance: Unterstützung der Helferinnen und Helfer und des Ehrenamtes. 2Zur Integration durch Teilhabe am Arbeitsmarkt können Betriebs- und Personalräte beitragen. Sie bilden aus, sie erklären und vermitteln Werte und Lebensrealität in Schleswig-Holstein. Deshalb soll es in dieser Konferenz darum gehen, was Landespolitik in diesem Bereich noch tun kann. Wir brauchen spezifisch zugeschnittene Programme zur Integration von Geflüchteten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Und wir müssen auch weiterhin gute Arbeit für alle sicherstellen. Dazu gehören der Mindestlohn, das schleswig-holsteinische Tariftreue- und Vergabegesetz, das Register zum Schutz des fairen Wettbewerbs oder auch unsere modernen Mitbestimmungsregelungen. Dazu gehören auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit und die Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit. Integration kostet Geld. Kinderbetreuung und Ausbildung auch. Doch jeder investierte Euro ist gut für unsere Zukunft. Auch ohne Flüchtlingsströme stand unser Land vor einer großen Herausforderung. Weniger Kinder, weniger Fachkräfte, aber gleichzeitig mehr Ältere, die oftmals Unterstützung und Pflege brauchen – jetzt ergeben sich neue Möglichkeiten, die Zuversicht erlauben. Reinhard Meyer: Die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit ist nicht nur eine große Herausforderung, sie ist auch eine große Chance. Denn Fakt ist: Aufgrund des demografischen Wandels würden dem Arbeitsmarkt im Norden bis 2030 etwa 97.000 Arbeitskräfte fehlen, davon 85.000 mit mittlerer Qualifikation (also mit Berufsabschluss) und 12.000 Akademiker, wenn nicht aktiv gegengesteuert wird. Die zu uns kommenden Flüchtlinge können perspektivisch einen Teil dieser Lücke schließen. Deshalb wollen wir für Flüchtlinge mit gesicherter Bleibeperspektive die Sprachförderung, Information über den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, Feststellung der beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Praxistest zusammenbringen. Wenn sie dann die Arbeit oder Ausbildung beginnen, sollte der Deutschunterricht fortgesetzt werden. Hierzu könnten die Unternehmen sie stundenweise freistellen – das wäre ein guter Beitrag zum Gelingen der Integration. Für Unternehmen, die bereit sind, Flüchtlinge einzustellen, gibt es das Programm „Integration durch Qualifizierung“. Die Bundesagentur für Arbeit bietet die Programme „Perspektiven für Flüchtlinge (PerF)“ und Perspektiven für junge Flüchtlinge (PerjuF)“ als Vorbereitung auf eine Arbeit oder Ausbildung an. Zusätzlich hat die Landesregierung gemeinsam mit der Regionaldirektion Nord die Fördermaßnahme „Begleiteter Übergang für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung – BÜFAA.SH“ aufgelegt. Damit sollen bis zu 2.000 Flüchtlinge auf die Integration in Ausbildung, Einstiegsqualifizierung oder Arbeit vorbereitet werden. Für 1.200 Plätze hat die Wirtschaft bereits feste Zusagen gegeben und wird ihrer gesellschaftspolitischen Mitverantwortung für die erfolgreiche Integration in vorbildlicher Weise gerecht. Wir haben trotz all dieser guten Entwicklungen in Schleswig-Holstein noch immer eine „Sockelarbeitslosigkeit“, die sich nur geringfügig verringert. Selbst bei wachsender Nachfrage am Arbeitsmarkt haben es viele Langzeitarbeitslose schwer, im Erwerbsleben Fuß zu fassen, besonders Ausländer. Durch Flüchtlinge ist diese Zahl innerhalb eines Jahres um 20 % gestiegen. Die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit wird ein Marathonlauf werden. Das Land Schleswig-Holstein ist jedenfalls bereit, seinen Beitrag zu leisten und hat wichtige Schritte 3entsprechend eingeleitet. Die Landesregierung ist der Meinung: Wir schaffen das – aber nur gemeinsam. Uwe Polkaehn: Die Gewerkschaften treten für eine solidarische und humane Flüchtlingspolitik ein. Geflüchtete Menschen brauchen Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Sprache, Anerkennung von Abschlüssen und Qualifizierung sind wichtige Schritte, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Zu einer solidarischen Gesellschaft gehört auch, dass geflüchtete Menschen die gleichen Rechte haben wie andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; deshalb darf es auch keine Ausnahmen vom Mindestlohn geben. Mit dem Flüchtlingspakt Schleswig-Holstein hat das Land bereits einen Schritt in die richtige Richtung getan. Gleichzeitig müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, Geflüchtete durch gemeinsame Programme mit den Arbeitgebern in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Durch die Schaffung von Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zu fairen Bedingungen und Unterstützung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse können Arbeitgeber und Land gemeinsam die Integration vorantreiben. Betriebs- und Personalräte unterstützen bereits in vielfach die Integration von Geflüchteten. Sie organisieren Sprachkurse und Informationsveranstaltungen und klären auf über Fluchtursachen, Asylpolitik und Fremdenfeindlichkeit.