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09.03.16
15:30 Uhr
SPD

Regina Poersch zu TOP 42: Gegen nationalistische Strömungen, für ein modernes Europa

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 9. März 2016


TOP 42, Schleswig-Holstein in Europa – Europabericht 2015-2016 (Drs. 18/3947neu)



Regina Poersch:
Gegen nationalistische Strömungen, für ein modernes Europa

Was macht eine erfolgreiche Europapolitik aus? Für Schleswig-Holstein würde ich sagen:
 Drehscheibe im Ostseeraum sein.  Guter Nachbar sein.  Und vor allem: Die Chancen nutzen, die uns die EU bietet. Vielen Dank, Frau Ministerin, für den aktuellen Europabericht.
„Eine demokratische und leistungsfähige Europäische Union liegt im ureigensten Interesse des Landes“, heißt es im Bericht. Unser Beitrag als europäische Region ist vielleicht nur ein kleiner, aber der Bericht zeigt, wo und wie Schleswig-Holstein sich im europäischen Geschehen einbringt. Wohltuend anders als mancher Nationalstaat, dem die aktuelle Situation zu komplex ist und für den die europäische Solidarität nur in einer Richtung funktioniert.
Die europapolitischen Aktivitäten der Landesregierung und des Parlaments gehen Hand in Hand. Unsere Initiativen auf Parlamentsforen im Ostseeraum flankieren die Arbeit der Landesregierung und umgekehrt – das bestätigt auch der Europabericht. 2



Die beliebte Frage lautet: „Europa, was habe ich davon?“ Meine Antwort lautet: „Eine Menge!“ – nicht nur monetär. Es kommt uns direkt zugute, dass Energie- und Klimaschutzthemen oder auch Datennetze und Verbraucherschutz europäisch angepackt werden und nicht national oder regional.
Für uns behalten die Kooperationen im Ostsee- wie auch im Nordseeraum Priorität, ebenso wie die deutsch-dänische Zusammenarbeit. Genauso bleibt die Arbeitnehmerfreizügigkeit eine zentrale europäische Errungenschaft, von der wir in Schleswig-Holstein profitieren. Aber natürlich profitiert gerade auch unser Land von den europäischen Strukturfonds. Mit der stolzen Summe von 780 Mio. Euro für die Förderperiode 2014 – 2020 nutzen wir die Chance der regionalen Entwicklungsförderung. Dabei können wir entgegen vieler Behauptungen eigene Schwerpunkte setzen.
Beispiel Landwirtschaft: Wir stärken Strukturen im ländlichen Raum, damit viele etwas davon haben und nicht nur Direktzahlungsempfänger.
Beispiel Wirtschaftsstruktur: Unser wichtiger Wirtschaftsfaktor Tourismus bleibt auch in der aktuellen Förderperiode förderfähig, und das ist gut so! Um den Tourismus zu stärken, sind aus den zugesagten 271 Mio. Euro des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 30 Millionen Euro für innovative Projekte an der Westküste reserviert. Die Konzepte aus dem Wettbewerb „ITI-Westküste“ des Wirtschaftsministeriums werden nach derzeitigem Stand ein Investitionsvolumen von 170 Mio. EUR auslösen. Das ist Europa konkret!
Beispiel Europäischer Sozialfonds: Mehr als die Hälfte der 98 Mio. Euro stecken wir in Bildung, Ausbildung und Berufsbildung – so machen wir viele (insbesondere junge) Menschen fit für den ersten Arbeitsmarkt, wo deren Potential dringend gebraucht wird.
Das operationelle ESF-Programm Schleswig-Holstein ist in seiner Durchführung und Umsetzung eine Erfolgsgeschichte und trägt aktiv zur Sicherung und Gewinnung von Fachkräften bei. Dabei unterstützt das Programm selbstverständlich auch die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, die Förderung von sozialer Inklusion und die Bekämpfung von Armut und Diskriminierung. Das ist Europa konkret!
Ich kann aber heute nicht über Europa sprechen, ohne zu betonen, dass weiterhin und immer dringlicher ein enormer Handlungsbedarf in der Flüchtlingspolitik besteht. Wie können 3



europäische Mitgliedsstaaten auch nur annehmen, das Elend Geflüchteter ginge sie nichts an, wenn sie nur lange genug wegschauen und sich abschotten? Nein, hier geht es nur europäisch und keineswegs anders! Nur eine Bündelung europäischer Kräfte kann zu einer gelungenen Integration von Flüchtlingen führen, bei der die Menschlichkeit an erster Stelle steht und Halb- und Unwahrheiten von Rechtspopulisten keinen Halt finden.
Wenn wir statt nationalistischer Strömungen ein modernes Europa aufbauen wollen, dann müssen wir die Europabildung verstärkt intensivieren. Viel Gutes passiert hier schon mit inzwischen 40 Europaschulen in Schleswig-Holstein, Tendenz steigend. Schüleraustausche, Planspiele, europapolitische Debatten – das sind wichtige Erfahrungen, um über den Tellerrand schauen zu können und ein Gespür für die Wichtigkeit eines friedlichen Europas zu bekommen, das sich vor allem gemeinsamen Werten wie der Humanität verpflichtet fühlt. Wenn es stimmt, dass der Jugend die Zukunft gehört, dann gehört ihr auch Europa.
Achten wir darauf, dass wir unser Europa in ein paar Jahren noch wiedererkennen!
Ich beantrage die Überweisung des Berichts in den Europaausschuss.