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09.03.16
11:57 Uhr
SSW

Lars Harms: Die Ausweisung von dauerhaften Flächen außerhalb von Friedhöfen durch die Gemeinde ist in meinen Augen unproblematisch

Presseinformation Kiel, den 09.03.2016

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms TOP 5 Änderung des Bestattungsgesetzes Drs. 18/3934

„Die Ausweisung von dauerhaften Flächen außerhalb von Friedhöfen durch die Gemeinde ist in meinen Augen unproblematisch!“

Ich denke, nur sehr wenige Dinge in Landeszuständigkeit sind so persönlich, wie die, die im
Bestattungsgesetz geregelt sind. Hier sind neben zulässigen Bestattungsarten und -fristen zum
Beispiel auch Details zum Leichen- und Friedhofswesen oder zum Umgang mit Totgeborenen
festgeschrieben. Auch wenn der SSW einer Liberalisierung des Bestattungsrechts grundsätzlich
offen gegenübersteht, muss also eins ganz klar sein: Wir bewegen uns hier in einem äußerst
sensiblen Bereich. Hier spielen nicht nur der letzte Wille der Verstorbenen, sondern auch die
Wünsche der Angehörigen und nicht zuletzt die Bedürfnisse der Allgemeinheit eine wichtige
Rolle. Das alles muss bei Änderungen der gesetzlichen Grundlage nicht nur mitbedacht,
sondern auch mitberücksichtigt werden.



Ohne Zweifel stehen wir bei Fragen rund um das Bestattungswesen vor spürbaren
Veränderungen. Sowohl die Säkularisierung wie die religiöse Vielfalt nehmen zu. Auch die 2
Familienmodelle in unserer Gesellschaft entwickeln sich weiter. In der Folge kann man
durchaus von einem Wandel der Bestattungskultur sprechen. Heute werden zum Beispiel über
zwei Drittel der Bestattungen nicht mehr traditionell - als Erdbestattung - sondern auf
alternativem Weg durchgeführt. Und auch, wenn die Friedhofskultur natürlich eine große
traditionelle Bedeutung hat, brauchen offenbar immer weniger Betroffene einen bestimmten
Ort, um zu trauern oder der Verstorbenen zu gedenken.



Wir alle sollten also anerkennen, dass es in diesem Bereich mitunter sehr konkrete Wünsche
gibt, die bisher verwehrt bleiben. Viele Menschen wollen, dass die Asche der Verstorbenen
nicht nur auf zugelassenen Friedhöfen oder auf See, sondern auch an anderen Orten verstreut
werden darf. Daneben erfordern bestimmte religiöse Traditionen eine Bestattung innerhalb
eines gewissen, kürzeren Zeitrahmens oder eine Bestattung in einem Leichentuch statt in
einem Sarg. Und man kann feststellen, dass auch für den normalen Menschen die Kostenfrage
eine hohe Relevanz hat.



Ob diese Wünsche im Einzelnen nun gerechtfertigt sind oder nicht, muss letztlich natürlich
jeder für sich selbst beurteilen. Aber wir können zumindest einmal festhalten, dass das
geltende Gesetz diesen Bedürfnissen nur unzureichend oder in manchem Fall sogar überhaupt
nicht gerecht wird. Und gerade, weil die Themen Tod und Bestattung sehr persönlich sind,
halte ich es für sinnvoll, hier über neue Wege nachzudenken. Auch wenn man bei einer
Öffnung sehr behutsam vorgehen muss, ist aus Sicht des SSW eins völlig klar: Wir sollten diese
mitunter sehr persönlichen Entscheidungen nicht unnötig einschränken oder sogar blockieren,
nur weil wir an einem veralteten Regelwerk festhalten.



Übergeordnet betrachtet gehen die vorgelegten Änderungen also erst einmal in die richtige
Richtung. Denn sie erweitern ganz grundsätzlich die Möglichkeiten der Betroffenen. Im Detail 3
stellen sich dann aber doch sehr schnell Fragen, die gründlich abgewogen werden müssen: Die
Ausweisung von dauerhaften Flächen außerhalb von Friedhöfen durch die Gemeinde ist in
meinen Augen unproblematisch. Da sind sogar gemeinsame Flächen von Gemeinde und Kirche
denkbar. Sympathisch hört sich auch die Forderung nach der kostenfreien Nutzung dieser
Flächen an. Aber wie ist zum Beispiel die Öffnung für Ausnahmen außerhalb dieser Flächen in
der Praxis zu handhaben, ohne dass beispielsweise auch Nachbarn sich gestört fühlen? Die
Gemeinde soll einvernehmlich über solche Ausnahmen oder Sonderwünsche entscheiden. Da
liegt doch zumindest die Gefahr nahe, dass diese Einzelfälle nicht wirklich überparteilich und
ausschließlich anhand objektiver Kriterien geprüft und entschieden werden könnten.



Auch bei der konkreten Handhabung der Zwei-Jahrs-Frist für die Aufbewahrung der Urne im
eigenen Zuhause sehe ich Probleme. Die örtlich zuständige Gemeinde kann den
Hinterbliebenen hierfür die Genehmigung erteilen. Eine Bestattung im Anschluss soll
sichergestellt sein. Aber wer überprüft die Einhaltung? In der Begründung heißt es nur: „Die
Hinterbliebenen haben die Beisetzung nach Ablauf des genehmigten Zeitraums gegenüber der
örtlich zuständigen Gemeinde nachzuweisen.“ Mir erschließt sich nicht wirklich, wie das in der
Praxis aussehen soll.



Ich denke, in vielen Punkten wird hier also eine intensive, ergebnisoffene Debatte nötig sein.
Hier müssen wir auf der einen Seite sehr genau zwischen öffentlicher und individueller Trauer,
und auf der anderen Seite zwischen dem letzten Willen des Verstorbenen und den Interessen
der Hinterbliebenen abwägen.



Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html