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18.02.16
17:37 Uhr
SPD

irsten Eickhoff-Weber: Nicht entweder konventionell oder Bio, sondern sowohl als auch

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 18. Februar 2016


TOP 51, Bericht zu Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln (Drs. 18/3729 und 18/3791)



Kirsten Eickhoff-Weber:
Nicht entweder konventionell oder Bio, sondern sowohl als auch


Dem Minister danke ich für den ausführlichen Bericht zu Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln. Schleswig-Holstein ist mit dem Landeslabor in Neumünster gut aufgestellt und Teil des Monitoring- und Kontrollprogramms. Die Ergebnisse sind relativ konstant und zeigen, dass 40 – 50 % der Proben ohne feststellbare Gehalte sind. Das bedeutet, dass 50 – 60 % der Proben Pflanzenschutzmittelrückstände in feststellbaren Größen enthalten, davon überschreiten ca. 1 – 2 % der Proben die zulässige Höchstgrenze.
Summa summarum sind die Ergebnisse nicht auffällig und keine Grund zur Sorge. Dennoch entscheiden sich immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher, Lebensmittel zu konsumieren, bei denen aufgrund ihrer Produktionsweise weniger Pflanzenschutzmittelrückstände zu erwarten sind. Immer mehr Menschen greifen in Naturkostläden, Supermärkten und bei Discountern zu Bio-Lebensmitteln. Der Umsatz erhöhte sich gegenüber 2015 um 11,1 % auf rd. 8,6 Mrd. Euro. Marktexperten führen das Umsatzplus auf die mittlerweile gut entwickelte Vermarktungssituation zurück. 2



Besonders beliebt ist Biomilch, der Absatz stieg um 20 %. Der Bundeslandwirtschaftsminister prognostiziert für Biobetriebe gute finanzielle und wirtschaftliche Aussichten. Die Zahl der Ökobetriebe erhöhte sich um 4 %, der Zuwachs der biologisch bewirtschafteten Fläche liegt mit einem Plus von 3,2 % jetzt bei rd. 9 %. Ziel der Bundesregierung sind 20 %.
Sie erinnern sich an unseren Antrag Ökolandbau strategisch ausrichten? Mit 3,8 % Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche nimmt Schleswig-Holstein damit nur den drittletzten Platz im Ranking der Bundesländer ein. Das reicht nicht! Mit der Netzwerkstelle für Ökologischen Landbau ist jetzt ein wichtiger Schritt getan. Sie bietet Akteuren aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Vermarktung und Lehre eine Plattform für gemeinsame Projekte. Denn der Markt für Öko-Lebensmittel ist sehr einträglich – höchste Zeit, dass auch unsere Landwirtschaft davon profitiert.
Und um das hier noch einmal ganz ausdrücklich zu sagen: Es geht nicht um entweder konventionell oder Bio, es geht um sowohl als auch. Unsere Landwirtschaft erzeugt gesunde Lebensmittel, ohne Frage, und doch müssen wir uns um die Produktionsweise und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Boden, Wasser und Klima Gedanken machen und handeln. So handeln, dass klare Regeln faire Bedingungen schaffen. Das muss in einem Schrittmaß geschehen, das die Landwirtschaft mitgehen kann.
Nun kommt reflexhaft der Einwand, das geht alles nicht, wir müssen die Welt ernähren! Hand aufs Herz – bei einem Globus in der Größe eines Medizinballs hat Schleswig- Holstein ungefähr die Ausmaße eines Stecknadelkopfs. Für unsere Gunstregion ist der Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse immer Teil des Wirtschaftens gewesen und wird es auch bleiben. Trotzdem ernähren wir damit nicht die Welt.
Forschung, Wissenschaft und technische Entwicklung sind viel entscheidender. Da können wir eine ganze Menge tun. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Gibst du dem Hungrigen einen Fisch, ist er einen Tag satt, gibst du ihm eine Angel, kann er sich selbst ernähren.“
Ein Beispiel ist der Promotionsschwerpunkt der CAU „Ein dritter Weg zur Ernährung der Einen Welt“, vorgestellt im Januar 2015. Hier geht es um Lösungsansätze zur Welternährung, nachhaltige Landwirtschaft und die Suche nach einem Kompromiss zwischen hochintensiver Bewirtschaftung und Öko-Landbau. 3



Dass die CDU ihr Positionspapier im August 2015 „Für einen dritten Weg. Gegenentwurf zur grünen Agrarwende“ überschreibt, zeigt Fantasielosigkeit, genauso wie bei der Großen Anfrage „Zukunft der Städte und des ländlichen Raums“ – die haben Sie bei der FDP in Nordrhein- Westfalen bzw. Niedersachsen abgeschrieben. Und Sie zeigen auch, dass Sie es immer noch nicht verstanden haben! Sie locken die Landwirtschaft auf den Holzweg!
Kritiker äußern, dass die Öko-Produktion angeblich die doppelte Fläche für denselben Ertrag benötige. Der Industrieverband Agrar, dem alle führenden Firmen der Agrochemie – von Bayer über BASF, Dow und Syngenta bis hin zu Monsanto – angehören, hat dazu gerade eine Ertragsstudie herausgegeben, bei der auf Material des bundeseigenen Thünen-Instituts zurückgegriffen wurde. Fachleute bezeichnen diese Studie als „dubios“. Das Thünen-Institut konstatiert, dass die Daten weder dazu gedacht noch geeignet seien, physische Erträge ökologischer und konventioneller Betriebe miteinander zu vergleichen.
Wir sollten die Meinungsführerschaft nicht denen überlassen, die die Pflanzenschutzmittel produzieren, über deren Rückstände in Lebensmitteln uns heute berichtet wurde. Wir brauchen seriöse Wissenschaft und Forschung, im Sinne eines Dritten Weges für Nachhaltigkeit.