Jette Waldinger-Thiering: Differenzierte Förderung ist zielführender als differenzierte Abschlüsse
Presseinformation Kiel, den 18.02.2016Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 22 Differenzierten Ersten Allgemeinbildenden Schulabschluss ermöglichen Drs. 18/3838„Differenzierte Förderung ist zielführender als differenzierte Abschlüsse“Aus Sicht des SSW ist es gut und wichtig, dass die CDU dieses Thema auf die Tagesordnungsetzt. Denn nach wie vor ist die Zahl der jungen Menschen, die ohne anerkanntenSchulabschluss ins Leben gehen, viel zu hoch. Das ist leider nicht nur bei uns im Norden so,sondern bundesweit. Dabei dürfte jedem klar sein, wie wichtig der Faktor Bildung für dieBiographie des Einzelnen ist. Die CDU erwähnt in ihrem Antrag die Stärkung desSelbstwertgefühls durch einen Schulabschluss. Aber Bildung ist natürlich auch der Schlüssel zuberuflichem Erfolg und damit zu einem selbstbestimmten Leben und zu mehr Zufriedenheit.Ich denke, übergeordnet gesehen gibt es deshalb kaum eine wichtigere Aufgabe, als allenKindern und Heranwachsenden bestmögliche Bildungschancen zu geben. 2Natürlich ist der Übergang von Schule zu Beruf - beziehungsweise der Übergang in eineAusbildung - ganz besonders wichtig. Hier haben SPD, Grüne und SSW nicht ohne Grund einenSchwerpunkt ihrer Bildungspolitik gelegt. Wir wollen, dass möglichst alle Schülerinnen undSchüler die Schulen mit einem Abschluss und einer echten Perspektive verlassen. Niemandemsoll die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe und der Weg in die Berufswelt erschwertwerden. Da sind wir uns mit den Antragsstellern völlig einig.Aber ich gebe zu bedenken, dass die Gründe, die zu einem Abbruch der Schullaufbahn führen,sehr unterschiedlich sind. Viele Schulabbrecher scheitern ja nicht, weil sie das Niveau der KMK-Standards unterlaufen. Viele verlassen die Schule ohne Abschluss, weil sie zum Beispielgesundheitliche Schwierigkeiten oder schlicht Motivationsprobleme haben. Hier setzt dasMinisterium vor allem auf präventive Maßnahmen. Das halte ich für diese Zielgruppe fürdeutlich zielführender, als ein Abschluss mit geringeren Standards. Vermutlich wäre einsolcher, einfacherer Abschluss sogar Gift für die Motivation vieler anderer Schüler. Sie müsstensich dann ja weniger anstrengen und würden hinter ihrem eigentlichen Potentialzurückbleiben. Und ob die Wirtschaft diesen Absolventen dann eine Chance geben würde, istvöllig offen. Von dieser Seite wird ja schon länger über die mangelnde Ausbildungsreifegeklagt.Eine weitere Gruppe, die die Schule ohne den Ersten Allgemeinbildenden Abschluss verlässt, istdie der Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf.Ein Teil von ihnen wird unterhalb des Niveaus des Ersten Allgemeinbildenden Abschlussesbeschult und verlässt die Schule mit einem Förderabschluss. Diese jungen Menschen haben wirganz besonders im Blick. Und zwar unabhängig davon, ob sie inklusiv oder exklusiv beschultwerden. Selbstverständlich sollen auch sie echte Perspektiven am Arbeitsmarkt haben. Falls dieCDU mit ihrem Antrag auch auf diese Gruppe zielt, muss ich eins klar sagen: Mit einer Art 3vereinfachtem Hauptschulabschluss ist diesen Schülern kaum geholfen. Ihnen hilft eindifferenzierter Unterricht, der sich an ihren Stärken und Schwächen orientiert und siemöglichst individuell fördert.Auch wenn ich dieser Idee insgesamt eher skeptisch gegenüber stehe, ist und bleibt dasübergeordnete Thema Übergang-Schule-Beruf ungemein wichtig. Wir müssen uns dringenddafür einsetzen, dass junge Menschen nicht länger an dieser Schnittstelle verloren gehen undechte Chancen bekommen. Wir sollten also auch diesen Ansatz der CDU gründlich imAusschuss diskutieren. Und dass diese Diskussion auf Grundlage der Ergebnisse derentsprechenden KMK-Arbeitsgruppe am meisten Sinn macht, dürfte allen klar sein.Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html