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17.02.16
11:25 Uhr
SSW

Lars Harms: Kinder und ihre Eltern gehören zusammen!

Presseinformation Kiel, den 17. Februar 2016

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms TOP 20+21 Anträge zum Asylpaket I und II Drs. 18/3836, 18/3837

,,Kinder und ihre Eltern gehören zusammen!“

Die Bundesregierung hat sich bekanntermaßen auf das Asylpaket II geeinigt. Ein bunter Blumenstrauß, der
nach Meinung des SSW jedoch auch einiges an Unkraut und Gestrüpp beinhaltet. Es besteht kein Zweifel,
dass es sich hierbei mehrheitlich um eine Verschärfung der bisherigen Regelungen handelt. Die
prominentesten Beispiele in diesem bunten Strauß sind der Familiennachzug sowie die Erklärung, die drei
Nordafrikanischen Staaten, Marokko, Algerien sowie Tunesien nun als sichere Herkunftsländer zu
benennen. Der Druck der vergangenen Wochen war hoch und das spiegelt sich auch im Gesetzespaket
wider. Natürlich kann man dafür argumentieren, die drei nordwestlichen Staaten Afrikas als sicher zu
erklären. Jedoch muss aus unserer Sicht auch gesagt werden, dass der Auslöser eigentlich nicht in Ordnung
war. Die Vorfälle in Köln dürfen kein Grund sein, jetzt plötzlich Nordafrikaner auszuweisen. Ein Verfahren
auf politischem Zuruf so grundlegend zu ändern, entspricht nicht unbedingt meiner Auffassung eines
Rechtsstaats.



Was für uns als SSW wichtig ist, ist dass es hierbei nicht um das Asylrecht an sich geht, sondern um das
Verfahren von Seiten der Behörden. Verfahrensvereinfachung klingt zunächst verlockend. Doch 2
größtenteils muss man sich die Entscheidungskriterien, ein Land als sicher einzustufen, selbst
zusammenreimen. Das Gesetz selbst spricht von Vermutungen, wie etwa: „Es wird vermutet, dass ein
Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird.“ Zudem soll ausgeschlossen werden, dass in dem
entsprechenden Land keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung stattfindet. Wie solche
Vermutungen von Seiten der Bundesregierung zu Stande kommen, darüber kann nur spekuliert werden.
Zumal dies natürlich eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Fixpunkten ist, wenn man die
Lebenswirklichkeit eines Asylbewerbers bewerten zu versucht.
Für uns als SSW ist zudem wichtig zu betonen, bei dieser Neuregelung für die Menschen aus Marokko,
Tunesien und Algerien nicht darum geht, das Individualrecht auf Asyl auszuhebeln. Es geht prinzipiell um
eine Verfahrensvereinfachung. Wir müssen uns vor Augen führen, dass das Asylrecht ein individuelles
Recht ist und sich nach einem ganz bestimmten Menschen richtet und nicht nach der Masse. Deshalb
bleibt es auch dabei, dass auch individuelle Begründungen bei den Betroffenen durchaus eine
Berechtigung haben können – ich denke dabei zum Beispiel an Homosexuelle aus Marokko, denen dort
eine strafrechtliche Verfolgung droht.


Vor den Hintergrund der individuellen Asylgründe, die jeder vorbringen kann, sind aus unserer Sicht
Obergrenzen widersprüchlich. Zumal eine Verschärfung des Asylrechts nicht automatisch dazu führt, dass
Menschen von einer Flucht nach Europa abgehalten werden können. Krieg und Bombenhagel zwingt die
Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Friedliche Zeiten in Nahost sind bisher nicht in Sichtweite. Von
daher werden auch in Zukunft viele Menschen bei uns im Land Schutz suchen.



Ein anderer Punkt des Asylpakets, welcher nach Auffassung des SSWs absurd ist, ist die Tatsache der
Trennung von Eltern und Kindern. Dabei geht es vor allem um diejenigen die über subsidiäre
Schutzgewährungen verfügen. Als subsidiär schutzbedürftig gelten Flüchtlinge, die keinen anderen
Fluchtgrund haben, als dass sie eine eher allgemeinen Gefährdungslage unterliegen. Sie sind demnach
einer allgemeinen Gefahr ausgesetzt, werden aber nicht individuell verfolgt. Aktuell betrifft dies vor allem
Menschen aus Syrien. In den vergangenen Jahren hat man für diese Gruppe Sonderregelungen geschaffen,
die nun vor allem die CSU wieder einkassieren möchte. Von nun an soll also für diese Gruppe von
Menschen, der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt werden, mittels einer sogenannten starren 3
Jahresfrist. Danach soll die bisherige Regelung automatisch wieder in Kraft treten. Allein, diese auch
rechtsstaatlich schwierig zu begründende Handhabung spiegelt einen gewissen Grad an Verzweiflung
wider.


Zudem sind die Zahlen der subsidiär Schutzberechtigten in der Bundesrepublik völlig unbekannt. Die
ganze Zielsetzung bleibt daher fraglich. Für uns steht fest, Eltern und Kinder gehören zusammen. Mit dem
Aussetzen der Möglichkeit der Familienzusammenführung für den Zeitraum von zwei Jahren erlangt man
vor allem eins: Nämlich das Erreichen der Volljährigkeit für einen großen Teil der betroffenen
Jugendlichen. Bei Volljährigkeit besteht ohnehin kein Anrecht auf Familienzusammenführung. Alles was
man mit dieser Maßnahme erreicht, ist das Leben von diesen Minderjährigen zu erschweren.
Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass in den meisten Fällen eine Flucht erst abgeschlossen ist, sobald
die eigene Familie sich an einem Ort befindet. Fluchtbewegungen werden in diesem Fall weitergehen oder
sogar noch gefördert. Die Familienzusammenführung ist zweifelsfrei ein legaler Weg, um sein eigenes
Leben in Sicherheit zu bringen. Ohne praktizierte Familienzusammenführung, werden illegale
Bewegungen zunehmen.



Integration kann nicht nur in Containern, Turnhallen oder Zeltstätten stattfinden. Deshalb brauchen wir
eine Beschleunigung der Verfahren. Und da ist es ganz gleich, ob man sich in einer Flüchtlingsunterkunft
in Kiel oder Berchtesgaden befindet, das BAMF ist zweifelsfrei das Nadelöhr. Die Registrierung von
ankommenden Flüchtlingen wird in Schleswig-Holstein inzwischen tagesaktuell abgearbeitet. Die
Aufgaben werden quasi aus Bordmitteln erfüllt und da fragt man sich schon, warum es an anderer Stelle
schier kein Vorankommen gibt. Diesen Zustand können wir uns als Bundesrepublik einfach nicht leisten.
Statt an entscheidenden Stellschrauben zu drehen, streitet man sich lieber auf Nebenkriegsschauplätzen.
Diese Lage macht die Orientierungslosigkeit und den vorherrschenden Stillstand der Bundesinnenpolitik
deutlich.


Darum muss es doch darum gehen, den zu uns kommenden Menschen eine Perspektive zu geben.
Perspektive heißt eben beschleunigte Asylverfahrensbescheide und vor allem auch erwerbsmäßige,
bildungstechnische oder soziale Beschäftigung. Nach Auffassung des SSW ist eine vernünftige 4
Beschäftigung oft sogar noch vordringlicher, als das Besuchen von Sprachkursen oder ähnlichen. Denn
durch die Arbeitsaufnahme wird ohnehin ein großer Teil an Kenntnissen vermittelt. Hinzu kommt, dass
viele Fachbegriffe ohnehin nicht in einem regulären Lehrbuch wiederzufinden sind. Sprachkurse sind
sicherlich nichts Verkehrtes, jedoch sollte man sich von Seiten der Bundesregierung nicht zu sehr darauf
beschränken. Ein Flüchtling kann noch so viele Sprachkurse besuchen, es macht ihn deshalb nicht besser
integriert. Dabei geht es doch darum, die vorhandenen Fähigkeiten und Qualifikationen zu nutzen.
Besondere bundesweite Nachqualifizierungsprogramme, die vorhandene Fähigkeiten an den deutschen
Arbeitsmarkt anpassen, sind leider noch nicht in Sicht. Darüber hinaus ist die Anerkennung vieler
ausländischer Berufsqualifikationen nach wie vor für den Großteil der Berufe ein Hürdenlauf mit langen
und komplizierten Verfahren. Bleibt an dieser Stelle nur zu hoffen, dass diese Aspekte in dem
nachgeschobenen Integrationsplan aufgearbeitet werden.



Alles in allem ist eine deutliche Entwicklung in der Flüchtlings- und Asylpolitik sichtbar. Asyl auf Zeit, neue
sichere Herkunftsstaaten ohne tiefere Begründung, Verschärfungen beim Familiennachzug für
minderjährige Flüchtlinge: Der Ton von Seiten der Bundesregierung ist härter geworden. Das Asylrecht
darf dieser Härte nicht zum Opfer fallen und immer weiter ausgehöhlt werden, soweit bis es nur noch eine
leere Hülle ist. Wenn wir dies zulassen, dann verliert dieser Rechtsstaat jegliche Grundlage. Das Asylrecht
ist ein Menschenrecht. Wir dürfen nicht nachlassen, uns für dieses Recht einzusetzen.



Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html