Lars Harms: Kinder und ihre Eltern gehören zusammen!
Presseinformation Kiel, den 17. Februar 2016Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 20+21 Anträge zum Asylpaket I und II Drs. 18/3836, 18/3837 ,,Kinder und ihre Eltern gehören zusammen!“Die Bundesregierung hat sich bekanntermaßen auf das Asylpaket II geeinigt. Ein bunter Blumenstrauß, dernach Meinung des SSW jedoch auch einiges an Unkraut und Gestrüpp beinhaltet. Es besteht kein Zweifel,dass es sich hierbei mehrheitlich um eine Verschärfung der bisherigen Regelungen handelt. Dieprominentesten Beispiele in diesem bunten Strauß sind der Familiennachzug sowie die Erklärung, die dreiNordafrikanischen Staaten, Marokko, Algerien sowie Tunesien nun als sichere Herkunftsländer zubenennen. Der Druck der vergangenen Wochen war hoch und das spiegelt sich auch im Gesetzespaketwider. Natürlich kann man dafür argumentieren, die drei nordwestlichen Staaten Afrikas als sicher zuerklären. Jedoch muss aus unserer Sicht auch gesagt werden, dass der Auslöser eigentlich nicht in Ordnungwar. Die Vorfälle in Köln dürfen kein Grund sein, jetzt plötzlich Nordafrikaner auszuweisen. Ein Verfahrenauf politischem Zuruf so grundlegend zu ändern, entspricht nicht unbedingt meiner Auffassung einesRechtsstaats.Was für uns als SSW wichtig ist, ist dass es hierbei nicht um das Asylrecht an sich geht, sondern um dasVerfahren von Seiten der Behörden. Verfahrensvereinfachung klingt zunächst verlockend. Doch 2größtenteils muss man sich die Entscheidungskriterien, ein Land als sicher einzustufen, selbstzusammenreimen. Das Gesetz selbst spricht von Vermutungen, wie etwa: „Es wird vermutet, dass einAusländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird.“ Zudem soll ausgeschlossen werden, dass in dementsprechenden Land keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung stattfindet. Wie solcheVermutungen von Seiten der Bundesregierung zu Stande kommen, darüber kann nur spekuliert werden.Zumal dies natürlich eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Fixpunkten ist, wenn man dieLebenswirklichkeit eines Asylbewerbers bewerten zu versucht.Für uns als SSW ist zudem wichtig zu betonen, bei dieser Neuregelung für die Menschen aus Marokko,Tunesien und Algerien nicht darum geht, das Individualrecht auf Asyl auszuhebeln. Es geht prinzipiell umeine Verfahrensvereinfachung. Wir müssen uns vor Augen führen, dass das Asylrecht ein individuellesRecht ist und sich nach einem ganz bestimmten Menschen richtet und nicht nach der Masse. Deshalbbleibt es auch dabei, dass auch individuelle Begründungen bei den Betroffenen durchaus eineBerechtigung haben können – ich denke dabei zum Beispiel an Homosexuelle aus Marokko, denen dorteine strafrechtliche Verfolgung droht.Vor den Hintergrund der individuellen Asylgründe, die jeder vorbringen kann, sind aus unserer SichtObergrenzen widersprüchlich. Zumal eine Verschärfung des Asylrechts nicht automatisch dazu führt, dassMenschen von einer Flucht nach Europa abgehalten werden können. Krieg und Bombenhagel zwingt dieMenschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Friedliche Zeiten in Nahost sind bisher nicht in Sichtweite. Vondaher werden auch in Zukunft viele Menschen bei uns im Land Schutz suchen.Ein anderer Punkt des Asylpakets, welcher nach Auffassung des SSWs absurd ist, ist die Tatsache derTrennung von Eltern und Kindern. Dabei geht es vor allem um diejenigen die über subsidiäreSchutzgewährungen verfügen. Als subsidiär schutzbedürftig gelten Flüchtlinge, die keinen anderenFluchtgrund haben, als dass sie eine eher allgemeinen Gefährdungslage unterliegen. Sie sind demnacheiner allgemeinen Gefahr ausgesetzt, werden aber nicht individuell verfolgt. Aktuell betrifft dies vor allemMenschen aus Syrien. In den vergangenen Jahren hat man für diese Gruppe Sonderregelungen geschaffen,die nun vor allem die CSU wieder einkassieren möchte. Von nun an soll also für diese Gruppe vonMenschen, der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt werden, mittels einer sogenannten starren 3Jahresfrist. Danach soll die bisherige Regelung automatisch wieder in Kraft treten. Allein, diese auchrechtsstaatlich schwierig zu begründende Handhabung spiegelt einen gewissen Grad an Verzweiflungwider.Zudem sind die Zahlen der subsidiär Schutzberechtigten in der Bundesrepublik völlig unbekannt. Dieganze Zielsetzung bleibt daher fraglich. Für uns steht fest, Eltern und Kinder gehören zusammen. Mit demAussetzen der Möglichkeit der Familienzusammenführung für den Zeitraum von zwei Jahren erlangt manvor allem eins: Nämlich das Erreichen der Volljährigkeit für einen großen Teil der betroffenenJugendlichen. Bei Volljährigkeit besteht ohnehin kein Anrecht auf Familienzusammenführung. Alles wasman mit dieser Maßnahme erreicht, ist das Leben von diesen Minderjährigen zu erschweren.Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass in den meisten Fällen eine Flucht erst abgeschlossen ist, sobalddie eigene Familie sich an einem Ort befindet. Fluchtbewegungen werden in diesem Fall weitergehen odersogar noch gefördert. Die Familienzusammenführung ist zweifelsfrei ein legaler Weg, um sein eigenesLeben in Sicherheit zu bringen. Ohne praktizierte Familienzusammenführung, werden illegaleBewegungen zunehmen.Integration kann nicht nur in Containern, Turnhallen oder Zeltstätten stattfinden. Deshalb brauchen wireine Beschleunigung der Verfahren. Und da ist es ganz gleich, ob man sich in einer Flüchtlingsunterkunftin Kiel oder Berchtesgaden befindet, das BAMF ist zweifelsfrei das Nadelöhr. Die Registrierung vonankommenden Flüchtlingen wird in Schleswig-Holstein inzwischen tagesaktuell abgearbeitet. DieAufgaben werden quasi aus Bordmitteln erfüllt und da fragt man sich schon, warum es an anderer Stelleschier kein Vorankommen gibt. Diesen Zustand können wir uns als Bundesrepublik einfach nicht leisten.Statt an entscheidenden Stellschrauben zu drehen, streitet man sich lieber auf Nebenkriegsschauplätzen.Diese Lage macht die Orientierungslosigkeit und den vorherrschenden Stillstand der Bundesinnenpolitikdeutlich.Darum muss es doch darum gehen, den zu uns kommenden Menschen eine Perspektive zu geben.Perspektive heißt eben beschleunigte Asylverfahrensbescheide und vor allem auch erwerbsmäßige,bildungstechnische oder soziale Beschäftigung. Nach Auffassung des SSW ist eine vernünftige 4Beschäftigung oft sogar noch vordringlicher, als das Besuchen von Sprachkursen oder ähnlichen. Denndurch die Arbeitsaufnahme wird ohnehin ein großer Teil an Kenntnissen vermittelt. Hinzu kommt, dassviele Fachbegriffe ohnehin nicht in einem regulären Lehrbuch wiederzufinden sind. Sprachkurse sindsicherlich nichts Verkehrtes, jedoch sollte man sich von Seiten der Bundesregierung nicht zu sehr daraufbeschränken. Ein Flüchtling kann noch so viele Sprachkurse besuchen, es macht ihn deshalb nicht besserintegriert. Dabei geht es doch darum, die vorhandenen Fähigkeiten und Qualifikationen zu nutzen.Besondere bundesweite Nachqualifizierungsprogramme, die vorhandene Fähigkeiten an den deutschenArbeitsmarkt anpassen, sind leider noch nicht in Sicht. Darüber hinaus ist die Anerkennung vielerausländischer Berufsqualifikationen nach wie vor für den Großteil der Berufe ein Hürdenlauf mit langenund komplizierten Verfahren. Bleibt an dieser Stelle nur zu hoffen, dass diese Aspekte in demnachgeschobenen Integrationsplan aufgearbeitet werden.Alles in allem ist eine deutliche Entwicklung in der Flüchtlings- und Asylpolitik sichtbar. Asyl auf Zeit, neuesichere Herkunftsstaaten ohne tiefere Begründung, Verschärfungen beim Familiennachzug fürminderjährige Flüchtlinge: Der Ton von Seiten der Bundesregierung ist härter geworden. Das Asylrechtdarf dieser Härte nicht zum Opfer fallen und immer weiter ausgehöhlt werden, soweit bis es nur noch eineleere Hülle ist. Wenn wir dies zulassen, dann verliert dieser Rechtsstaat jegliche Grundlage. Das Asylrechtist ein Menschenrecht. Wir dürfen nicht nachlassen, uns für dieses Recht einzusetzen.Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html