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17.02.16
11:09 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 20 + 21: Ordnung und Integration - auf Basis der Humanität

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 17. Februar 2016



TOP 20 + 21: Ablehnung Asylpaket I/ / Verantwortung wahrnehmen – Asylpakete I und II unterstützen und umsetzen (Drs. 18/3836 und 18/3837)



Dr. Ralf Stegner:
Ordnung und Integration – auf Basis der Humanität


Die Flüchtlings- und Integrationspolitik bleibt eine unserer schwierigsten Herausforderungen. Wir beschäftigen uns damit seit Monaten fast täglich und immer wieder werden auch neue Maßnahmen notwendig, beschlossen und umgesetzt – manchmal werden Beschlüsse aber auch übereilt und unnötig gefasst.
Begleitet wird all das von sehr schwierigen internationalen Aufgaben: Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, den Staaten bei den Flüchtlingslagern helfen und – in diesen Tagen zeigt sich, wie schwer das ist – eine europäische Lösung anstreben. Schwierig, aber notwendig, denn: Allein wird Deutschland das nicht schaffen!
Aus Sicht der SPD stehen wir in Deutschland vor drei konkreten Aufgaben:
 Wir müssen den Auftrag des Grundgesetzes und des Völkerrechts umsetzen und politisch Verfolgten und Bürgerkriegsflüchtlingen Asyl bzw. Schutz gewähren. 2



 Wir müssen die Aufnahmeverfahren so ordnen, dass wir allen Menschen gerecht werden können und handlungsfähig bleiben.  Vor allem aber müssen wir die Menschen, die bei uns Schutz suchen, integrieren und dabei unsere Gesellschaft zusammenhalten. Als Maßstab für unser Handeln steht die Humanität weiterhin unverrückbar fest. Das individuelle Verfassungsrecht auf Asyl und die Würde des Menschen sind und bleiben unantastbar. Wir wissen, dass dies keine leichte Aufgabe ist. Niemand beschönigt das. Aber wir müssen Antworten finden, die den eben dargelegten Grundsätzen auch entsprechen – keine Scheinantworten, nur weil diese einer öffentlichen Stimmungslage entsprechen mögen.
Die Asylpakete I und II, über die wir heute diskutieren, enthalten viele wichtige Bausteine einer komplexen Antwort. Die Verhandlungen der Großen Koalition in Berlin waren kompliziert und langwierig und es liegt in der Natur der Sache eines solchen Kompromisses, dass nicht jeder mit dem Ergebnis zufrieden ist. Wie sollte es auch anders sein, wenn dem Koalitionspartner CSU kein Vorstoß zu populistisch ist und die CSU einerseits die Staatspartei gibt, andererseits mit Ultimaten und Verfassungsklage den Ankläger der eigenen Regierung mimt. Wir hatten eine Einigung im November – die wurde als dringlich beschrieben, dann von der CSU wochenlang boykottiert und nach dem politischen Kälteschock der Silvesternacht in Köln nachverhandelt.
Die Positionen der Parteien gehen bei diesem Thema weit auseinander. Zwei Beispiele haben wir eben erlebt. Die einen lehnen die Beschlüsse ab und würden nichts davon umsetzen. Die anderen feiern das Ergebnis und finden jedes Detail problemlos umsetzbar. Es gibt aber auch eine Sichtweise, die sehr viel differenzierter ist und doch notwendig. Diese Position der Mitte möchte ich heute vertreten.
Ich möchte daran erinnern, dass die Große Koalition im Bund schon mit dem Asylpaket I einiges auf den Weg gebracht hat: Sachleistungen werden – sofern mit vertretbaren Verwaltungsaufwand realisierbar – Geldleistungen vorgezogen, Leistungen für Ausreisepflichtige werden gekürzt. Am wichtigsten war, dass wir durchsetzen konnten, dass der Bund seiner Verantwortung bei der Finanzierung der Aufgabe endlich strukturell, dauerhaft und dynamisch nachkommt! Der Bund unterstützt bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und dem sozialen Wohnungsbau, öffnet zudem die Integrationskurse für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und stockt die hierfür vorgesehenen Mittel auf. 3



Untätig war die Bundesregierung also nicht; sie hat dabei einerseits Bedingungen verschärft, gleichzeitig aber auch neue Wege zur Integration eröffnet.
Das größte Problem ist und bleibt: Die Menschen müssen schneller wissen, ob sie bleiben können oder nicht – die Kommunen wollen wissen, wen sie integrieren können und sollen. Die Asylverfahren in Deutschland müssen also besser gesteuert und geordnet, vor allem aber endlich beschleunigt werden. Die Voraussetzungen dafür sind längst vereinbart: Die Einführung besonders beschleunigter Asylverfahren für Asylbewerber aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“, Folgeantragsteller sowie Personen, die uns über ihre Identität täuschen oder die Fingerabdrucknahme verweigern.
Es überrascht deshalb schon, dass es uns in vielen Ländern, gerade auch hier in Schleswig- Holstein, gelingt, tagesaktuell zu registrieren und die Verfahren zu ordnen, während Herr de Maizière immer noch keine Registrierungszentren eingerichtet und die Verfahren auch wahrlich noch nicht merklich beschleunigt hat. Noch immer warten Menschen, die zu uns kommen, viele Monate auf den ersten Anhörungstermin und bis dahin passiert nichts an Integration. Auch beim Datenabgleich sind die Beschlüsse immer noch nicht umgesetzt. Das ist unser zentrales Problem und es ist ein handfester Skandal!
Anstatt die Landesregierung zu kritisieren, sollten Sie, Herr Günther, lieber Ihrem Parteifreund de Maizière mal richtig Druck machen – die Kommunen und die integrationswilligen Menschen würden es Ihnen danken.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat dagegen ihren Job gemacht. Allein zur Unterbringung besonders schutzbedürftiger Personen hat sie:
 ein KfW-Förderprogramm zur Schaffung und zum Umbau von Flüchtlingsunterkünften für Frauen und Kinder aufgelegt;  die Kooperation mit UNICEF zur Beratung und Unterstützung in den Flüchtlingsunterkünften gesucht und  Angebote der Folteropferzentren mit Fokus auf Gewalt gegen Frauen gestärkt.

Das sind wichtige und ganz konkrete Hilfsmaßnahmen. 4



Vor allem haben Malu Dreyer und die vier sozialdemokratischen Bundesministerinnen vor Monaten ein überzeugendes Integrationskonzept vorgelegt: Unterstützung für Schulen, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Weiterqualifizierung, Schaffung von Wohnraum, aber auch in so grundlegenden Fragen wie gemeinsamen Grundwerten und Integration – gerade auch Fragen der Gleichberechtigung und der sexuellen Selbstbestimmung.
Wir müssen Integration entschlossen vorantreiben und auch finanzieren. Populistische Forderungen à la Abschottung, Abschreckung und Abschiebung lösen kein einziges Problem.
Mir scheint, die Opposition in diesem Hause erträumt sich die Welt so, wie sie ihr gefällt. Fangen Sie endlich an, eine Politik zu machen, die pragmatische Lösungen für bestehende Herausforderungen und Probleme anbietet! Allein auf Stimmungsmache zu setzen, ist doch keine Politik! Und ohne die SPD in der Bundesregierung hätte die Bundeskanzlerin doch schon längst das Handtuch geworfen.
Es gibt Maßnahmen, die falsch sind, weil sie das Gegenteil von Integration bedeuten. Dazu zählt die ursprüngliche Schnapsidee der Union, den Mindestlohn für Flüchtlinge abzusenken und für deutsche Niedrigverdiener eine neue Dumpingkonkurrenz zu schaffen. Diese brandgefährliche Idee haben wir Ihnen zum Glück über das Wochenende ausreden können – die Hetzer von der AfD hätten sich die Hände gerieben.
Falsch ist aber auch die Aussetzung des Familiennachzugs. Die Möglichkeit, per Einzelfallprüfung hiervon abzuweichen, ist nur ein kleiner Trost. Und ich frage mich schon, wie es mit einem christlichen Menschenbild vereinbar ist, wenn einem 9jährigen Kind die Zusammenführung mit seinen Eltern verweigert werden soll? Das, Herr Kollege Günther, können Sie mir ja bei Gelegenheit noch einmal erläutern. Und vor allem möchte ich einmal erklärt bekommen, wieso es falsch ist, über diesen Punkt kontrovers zu diskutieren und sich die Entscheidung darüber schwer zu machen. In der Welt von Abschiebe-TV Schleswig-Holstein bringt so etwas sicher Einschaltquoten. Aber falsch ist es trotzdem.
ich bin darüber hinaus schon etwas überrascht, wie leicht sich die Union auch die Frage der sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ macht. Marokko, Algerien und Tunesien sollen so eingestuft werden. Wir reden hier über 5 % der Flüchtlinge, die zu uns kommen – darüber geht der ganze Streit! 5



Ja, Sie haben Recht, Albanien, Kosovo und Montenegro wurden bereits zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Aber Dank der SPD und der schleswig-holsteinischen Küstenkoalition erfolgte dies unter der Voraussetzung, dass es in den betroffenen Ländern ein Programm zum Schutz der Roma gibt und die Menschen einen verbesserten Zugang zu unserem Arbeitsmarkt erhalten. Dies ist der bessere Weg als ein aussichtsloses Asylverfahren mit Wiedereinreisesperre – und es hat auch gewirkt.
Während meines jüngsten Besuchs beim Landesverband der Sinti und Roma hat mir Matthäus Weiß geschildert, dass es gerade für die Entscheidung über sichere Herkunftsstaaten bei den Betroffenen an Verständnis fehlt. Familien fragen sich, wie andere ihre Herkunftsländer als sicher einschätzen können. Sie seien von dort geflohen und hätten ein anderes Bild. Das gilt sicher auch für manchen Homosexuellen aus den Maghreb-Staaten.
Ich möchte Ihnen wirklich raten, Herr Günther, mal mit den betroffenen Personen zu sprechen. Lassen Sie sich die Lage vor Ort schildern und dann stellen Sie sich noch einmal locker flockig hier hin und sagen Sie, die Landesregierung soll sich nicht so anstellen, sondern zustimmen.
Nein, Herr Günther, wir geben unser eigenes Problembewusstsein nicht vor Beginn einer Abstimmung ab. Daran haben übrigens weder der Ministerpräsident noch ich je Zweifel gelassen. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich Schleswig-Holstein im Bundesrat der Stimme enthalten wird.
Wie, Herr Kollege Günther, stimmen eigentlich das CDU-geführte Hessen und warum will Bayern mit Herrn Kretschmann nicht verhandeln? Wir erleben regelmäßig, wie uns Regierungspolitiker mit peinlichen öffentlichen Auftritten vor alpiner Kulisse beglücken. Mal will Herr Scheuer grundlegende Menschenrechte wie die Unschuldsvermutung abschaffen, wenig später halluziniert Herr Seehofer nach Gesprächen mit den Herren Orban und Putin über eine Herrschaft des Unrechts in unserer Bundesrepublik. Dazu fällt einem wirklich nichts mehr ein. Unser Ministerpräsident hingegen zeigt, wie man mit politischer Verantwortung in diesen Zeiten umgeht.
Ich sage: Danke, Torsten Albig, dass der Wohnungsbau intensiv gefördert wird.
Danke für die Maßnahmen in der Infrastruktur, vor allem bei Sprachförderung, Integrationskursen, Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt. 6



Danke, dass dieses Land einen Ministerpräsidenten hat, der Haltung bewahrt und gleichzeitig pragmatische Lösungen für die Probleme der Menschen erarbeitet.
Es gibt auch keinen Grund, von einer handlungsunfähigen Koalition zu sprechen. Diese Koalition handelt – bisher hatte ich übrigens immer den Eindruck, sie handelt mehr, als es den Damen und Herren von der Opposition lieb ist –, aber sie macht es sich eben auch nicht leicht.
Manche Fragen dürfen auch uns nicht leicht fallen. Ich finde, wir würden der Sache nicht gerecht, wenn wir sie auf die leichte Schulter nähmen. Wir halten das Land zusammen, wir machen Politik für alle Menschen, für die, die kommen und für die, die hier leben. Wir wollen eine Flüchtlingspolitik, wie Johannes Rau das formuliert hat: Ohne Angst und Träumerei.