Johannes Callsen zu TOP 11 und 24: Den Zusammenhang von Industrie und Infrastruktur hat die Koalition bis heute nicht begriffen
WirtschaftspolitikNr. 037/16 vom 22. Januar 2016Johannes Callsen zu TOP 11 und 24: Den Zusammenhang von Industrie und Infrastruktur hat die Koalition bis heute nicht begriffenEs gilt das gesprochene Wort Sperrfrist RedebeginnWir erleben zur Zeit eine im Großen und Ganzen erfreuliche gesamtwirtschaftliche Situation in Schleswig-Holstein. Getragen wird diese gute wirtschaftliche Entwicklung im wesentlichen durch unseren Mittelstand. Gleichzeitig geht freilich die besonders florierende industrielle Wertschöpfung in ganz Deutschland fast vollständig an Schleswig-Holstein vorbei. Schleswig-Holstein ist industriepolitisch zumindest ein Schwachpunkt Deutschlands. Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung ist seit 2012 - das war das Antrittsjahr der Koalition aus SPD, Grünen und SSW – gesunken.In den ersten drei Quartalen 2015 ist der Umsatz der größeren Industriebetriebe Schleswig-Holsteins im Vergleich zu 2014 um neun Prozent auf 24,0 Milliarden Euro zurückgegangen, so das Statistikamt Nord. Wir haben 3,5 Prozent der deutschen Bevölkerung und nur 1,3 Prozent der Industriearbeitsplätze. Das sind nach wie vor alarmierende Zahlen.Herr Minister Meyer, sie haben ja nach über einem Jahr Vorbereitung im November 2015 ihre industriepolitischen Eckpunkte gemeinsam mit der Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1440 Telefax: 0431-988-1443 E-Mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de Seite 1/3 Wirtschaft und den Gewerkschaften vorgestellt. Der große Wurf war das wirklich nicht, wie selbst Betroffene aus der Industrie sagen. Denn konkrete Ziele etwa zum Weiterbau der A20 und der westlichen Elbquerung sucht man in dem Papier vergeblich. Gerhard Stoltenberg hätte gesagt „Ein guter erster Entwurf“.Umso mehr geht es jetzt darum, die von Ihnen formulierten Eckpunkte weiterzuentwickeln und in die Realität zu überführen. Und da muss nach unserer Auffassung der ChemCoast Park Brunsbüttel als Verbund der ansässigen Industriebetriebe an der Unterelbe, mit 19 Großbetrieben und mit ca. 4.300 direkt Beschäftigten, 350 Ausbildungsplätzen und über 12.500 mittelbar Beschäftigten eine ganz wesentliche Rolle spielen. Ich freue mich, dass wir uns offenbar sehr einig sind, was die Bedeutung von Brunsbüttel angeht. Allerdings greift Ihr Antrag an mancher Stelle zu kurz.Dass dabei nicht von heute auf morgen die industriepolitische Wende hinzubekommen ist, das ist auch uns klar. Aber Tatsache ist auch, dass Sie erst nach 3,5 Jahre Regierungszeit sich überhaupt der Industrie annehmen. Prioritätensetzung sieht für mich anders aus!Der ChemCoast Park Brunsbüttel erstreckt sich von Lägerdorf, Itzehoe, Glückstadt über Brunsbüttel, von Friedrichskoog bis nach Hemmingstedt und bedarf somit einer guten Infrastruktur zur logistischen Vernetzung. Und da muss ich jetzt schon nochmal sagen, dass das, was Sie sich bei der A20 im letzten Jahr geleistet haben, nicht nur für die Landesregierung, sondern auch für Sie als angeblich größten Fan der 20 eine glatte 6 ist! Das ist Stoff zum Fremdschämen. Da wird man als Schleswig-Holsteinischer Politiker in anderen Bundesländern ausgelacht.Deshalb kann ich Sie mit dem Thema Infrastruktur leider auch hier nicht in Ruhe lassen. Wir brauchen den Ausbau der B5 auf drei Spuren zwischen Wilster (Itzehoe) und Brunsbüttel, schon allein wegen der Qualität der Verkehre, weil es eben auf der Strecke auch um den Transport schwerer Güter geht.Und klar ist auch, dass für den Industrieraum Unterelbe der Ausbau der A20 westlich der A7 mit westlicher Elbquerung von elementarer Bedeutung ist. Und nicht zuletzt: Die Unterelbe braucht eine bedarfsgerechte Modernisierung der Schieneninfrastruktur zur Stärkung des Schienengüterverkehrs. Begriffen hat diesen Zusammenhang bei Ihnen auch nach über drei Jahren niemand.Dabei sind die Voraussetzungen an der Unterelbe eigentlich hervorragend. Die geografische Lage Brunsbüttels mit den See- und Binnenhäfen und den Seite 2/3 Schleusenanlagen des Nord-Ostsee-Kanals haben ein besonderes Alleinstellungsmerkmal. Erweiterungsflächen für Ansiedlungswillige sind überall in der Unterelberegion vorhanden.Die Region kooperiert eng mit dem Hafen Hamburg sowie der weiteren Häfen an der Unterelbe, die bereits am 4. April 2012 mit der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftsraum Unterelbe vertraglich vereinbart wurde. Und auch die Vision eines Technologie- und Forschungsstandortes für die Großanwendung zur Wandlung der erneuerbaren elektrischen Energie in Gase, gerade am Netzknoten Brunsbüttel/Büttel scheint mir zumindest nachdenkenswert.Die Aufgabe der Landesregierung ist es, gemeinsam mit den Akteuren vor Ort die Industrieregion Unterelbe im Wettbewerb zu stärken,weiter zu entwickeln und zu vermarkten. Dabei ist die Nachhaltigkeit der Entwicklung für die Industrieregion ChemCoast Park Brunsbüttel von elementarer Bedeutung. Ein wichtiges Element ist dabei die Entscheidung zum Bau einer Multi-Funktions-Pier. Ein positives Signal ist hier unabdingbar und muss endlich fallen.Das gleiche gilt für die Anstrengungen zur Errichtung eines nationalen LNG-Terminals. Ein warnendes Beispiel, zu was Verzögerungen führen, sollte für die Landesregierung die Siemens-Ansiedlung in Cuxhaven sein. Und deswegen haben Sie an dieser Stelle auch unsere volle Unterstützung.Allerdings, es bedarf noch viel Tatkraft, Ihr Industrie-Konzept mit Leben zu füllen. Deshalb erwarten wir endlich konkretes Handeln für die Infrastruktur, für die Industrie und für die Wirtschaft, nicht nur an der Unterelbe. Seite 3/3