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20.01.16
18:49 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voss zur Zukunft der Städte und des ländlichen Raums

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Es gilt das gesprochene Wort: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de TOP 4 – Zukunft der Städte und des ländlichen Raums www.sh.gruene-fraktion.de
Dazu sagt die landwirtschaftspolitische Sprecher von Nr. 023.16 / 20.01.2016 Bündnis 90/Die Grünen,
Bernd Voss:
Menschen identifizieren sich mit ihrer Region! Herr Präsident, meine Damen und Herren,
wir haben in Schleswig-Holstein eine gute Tradition der engen Verzahnung von Stadt und Land, eine Tradition der Identifikation der Menschen mit dem Umland mit der Region, in der sie leben
Dank an die Landesregierung für diese ja recht umfangreiche Zusammenstellung. Dank auch an die CDU-Fraktion für die Anfrage.
Wir haben damit einiges an Fakten, Statistiken und Datenmaterial an die Hand bekommen, zur Demographie, zur Landwirtschaft, Wirtschaft und Beschäftigung, kommunalen Finan- zen, Infrastruktur, Mobilität und Verkehr, Schule und Bildung, Gesundheitsversorgung, bür- gerschaftliches Engagement bis hin zur Gerichtsstruktur.
Ich zähle dieses alles auf, um deutlich zu machen, welch breites Spektrum mit dieser Gro- ßen Anfrage angerissen ist. Eine Fülle von Informationen ist einerseits gut, andererseits kann dieses aber auch dazu führen, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Meine Damen und Herren,
ein großer Bereich, der durch das Zahlenmaterial in keiner Weise ausreichend erfasst wird, weil es sich um ein neues Phänomen handelt, ist die Flüchtlingssituation. Wie es gelingt, Perspektiven für eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft zu entwi- ckeln, wird entscheidenden Einfluss auf die Entwicklungschancen haben - im ländlichen Raum wie auch in den Städten. Seite 1 von 4 Ich kann nur immer wieder den größten Respekt dafür zollen, wie sich grade auch im länd- lichen Raum Bürgermeister, Ehrenamtliche und die Verwaltung um die Integration und Be- schaffung von Wohnraum und viele andere Fragen mühen.
Das ist eine große zusätzliche Herausforderung für die Kommunen – jenseits der ganz un- mittelbaren Aufgaben, vor denen sich die Kommunen gestellt sehen, ist das eine mittelfris- tige Herausforderung, die aber auch jetzt bereits angegangen werden muss und angegan- gen wird.
Das geschieht natürlich nicht, damit ich hier nicht falsch verstanden werde, allein von den Kommunen, sondern mit Unterstützung durch das Land und den Bund. Dennoch ist klar: Am Ende kann die Umsetzung nur vor Ort stattfinden – jeweils angepasst an die spezifi- schen lokalen und regionalen Gegebenheiten und nur gemeinsam mit den dort lebenden Menschen.
Meine Damen und Herren,
der ländliche Raum ist vielfältig. Es gibt daher keine Patentrezepte für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Die Regionen verfügen über jeweils unterschiedliche Voraussetzungen und spezifische Entwicklungspotentiale, die es zu entdecken und zu mobilisieren gilt. Das ist der LEADER-Ansatz oder das „Bottom-Up“-Prinzip. In Schleswig-Holstein wenden wir es schon seit langem erfolgreich in der ländlichen Entwicklung an.
Das heißt aber nicht, dass alle das Rad überall neu erfinden müssen. Die ländliche Ent- wicklung „von unten“ wird ermöglicht, ergänzt und flankiert durch das Land mit der richtigen Schwerpunktsetzung mit den Kernthemen: Bildung, Energiewende, Klimaschutz, nachhal- tiger Tourismus, umweltschonende Landwirtschaft, regionale Vermarktung, digitale Infra- struktur, Mobilität und Nahversorgung.
Die Zuwanderung von Menschen in ländliche Regionen kann eine Chance für die zukünfti- ge Entwicklung sein, wenn die Integration gelingt und sich den Menschen dort dauerhafte Lebensperspektiven eröffnen.
Die Voraussetzung dafür ist eine gute Infrastruktur, ist der Zugang zu Bildung und Ausbil- dung, sind notwendige Arbeitsplätze sowie die Nahversorgung. Damit sind wir also schon wieder bei den klassischen Themen der ländlichen Entwicklung. Gelingende Integration fördert die Entwicklung, gelingende Entwicklung fördert die Integration, es bedingt sich bei- des gegenseitig und steht nicht etwa in Konkurrenz zueinander.
Meine Damen und Herren,
ebenfalls nicht in Konkurrenz zueinander sehe ich die Entwicklung der Städte und die länd- liche Entwicklung.
Es wird in dem Bericht sehr deutlich, wie sehr beides miteinander verzahnt ist und ineinan- dergreift, wie schwierig eigentlich die ländlichen Bereiche von den städtischen Bereichen abzugrenzen sind.
Ich muss an dieser Stelle sagen, ich bin äußerst irritiert über den neuen Zungenschlag des Bauernverbandes. Da wird zunehmend gegen Menschen polemisiert, die in Städten leben – gerade so als seien StädterInnen die natürlichen Feinde der Bauern und Bäuerinnen.

2 Wir haben in Schleswig-Holstein eine gute Tradition der engen Verzahnung von Stadt und Land, eine Tradition der Identifikation der Menschen mit der Region, in der sie leben. Das lassen wir uns auf keinen Fall vom Bauernverband vermasseln.
Meine Damen und Herren,
zurück zum ländlichen Raum: Ich hatte gesagt, eine gute Infrastruktur ist die Basis. Infra- struktur heißt vieles, heißt Bildungsinfrastruktur, heißt Verkehrsinfrastruktur, heißt digitale Infrastruktur.
All dies fördert das Land, unterstützt durch den Bund und die EU. Ich nenne da die Breit- bandförderung, allein dafür sind 20 Millionen Euro EU-Mittel im Entwicklungsprogramm ländlicher Raum bis 2020 vorgesehen. Das reicht natürlich bei weitem nicht für den flä- chendeckenden Breitbandausbau. Aber es wäre vollkommen illusorisch, von der öffentli- chen Hand bzw. vom Land zu erwarten, das alleine zu stemmen. Da muss und wird auch die Wirtschaft investieren.
Wir brauchen hier die Vielfalt der Akteure. Unsere Kommunalpolitiker in den Regionen ma- chen vor, was auf dieser Basis alles umsetzbar ist.
Ich nenne weiter den ländlichen Wegebau. Dafür sind 8 Millionen Euro eingeplant (EU- Mittel). Die Straßen und Wege des ländlichen Wegenetzes wurden überwiegend vor 30 bis 50 Jahren gebaut bzw. ausgebaut und sind für die Achslasten und Breiten heutiger Fahr- zeuge überhaupt nicht ausgelegt. Da besteht ein großer Sanierungsbedarf.
Aber auch hier sage ich: Wer die Erwartung hat, die öffentliche Hand könne mal eben in ein paar Jahren das komplette Wegenetz wieder auf Vordermann bringen, wird enttäuscht werden.
Es reicht nicht, das Wegenetz nur zu sanieren. Es muss auf die Anforderungen der heuti- gen Fahrzeuggewichte auszurichtet werden. Das würde entsprechend eines Gutachtens Kosten in Höhe von bis zu 9 Milliarden Euro verursachen. Das ist schlichtweg so nicht zu fi- nanzieren. Und selbst wenn wir uns nur auf das Kernwegenetz konzentrieren, kostet der Spaß noch immer 3 Milliarden Euro.
In dem Zusammenhang muss meiner Ansicht nach auch über eine Benutzerbeteiligung an den Kosten nachgedacht werden.
Es gibt hier bereits deutschlandweit erste Versuche in Landkreisen: etwa in Form von Son- dergenehmigungen bzw. Gebühren für große Fahrzeugmaschinen.
Entscheidend für die Lebensqualität auf dem Land sind aber nicht nur die Kilometer Beton oder Asphalt, entscheidend ist die Mobilität. Hier muss noch ein Umdenken stattfinden. Wir Grüne setzen uns für Mobilitätskonzepte ein, die den ÖPNV und die die Mobilität aller Men- schen, einschließlich der jungen und der älteren Menschen, stärker berücksichtigen als die alleinige Fixierung auf Straßenausbau und Individualverkehr.
Wir denken die Mobilität auch im ländlichen Raum vom Menschen her. Menschen sind be- quem. Einerseits nutzen deshalb viele das Auto, aber andererseits lassen sich auch viele und auch immer mehr jüngere Menschen lieber fahren. Hier bieten sich Chancen für Zug und Bus. Doch dazu muss das Angebot stimmen. Wir brauchen in Stadt und Land getakte- te und vernetzte Angebote – sprich Starke Linien. Außerhalb der starken Linien muss eine flexible Bedienung dafür sorgen, dass man ans Ziel kommt. Hier müssen wir gestalten.
3 Die beispielhaften Initiativen wie Bürgerbusse werden viel mehr Bedeutung und Vernetzung bekommen müssen.
Zum Schluss noch ein paar Worte zur Gemeinde- und Verwaltungsstruktur im Land: Ich hoffe, dass die CDU die große Anfrage auch gestellt hat, um auf diesem Wege Informatio- nen für Vorschläge für eine Reform der Kommunalen- und der Verwaltungsstrukturen im Land zu bekommen. Das muss entlang der Aufgaben und einer Stärkung demokratischen Mitbestimmung und Identität geschehen.
Ich hoffe die Fakten in den Antworten aus der Landesregierung zu ihrer großen Anfrage helfen, dass Sie da aus den alten Reflexen und Gräben raus kommen.



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