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20.01.16
12:12 Uhr
B 90/Grüne

Rede Eka von Kalben zu sexualisierte Gewalt und Rassimus

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Es gilt das gesprochene Wort: Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 14 – Null Toleranz bei sexualisierter Gewalt – Zentrale: 0431 / 988 – 1500 gegen politische Instrumentalisierung der Kölner Vorgänge Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Dazu sagt die Fraktionsvorsitzende von presse@gruene.ltsh.de Bündnis 90/Die Grünen, www.sh.gruene-fraktion.de

Eka von Kalben: Nr.019.16 / 20.01.2016



Keine sexualisierte Gewalt, kein Rassismus Herr Präsident, meine Damen und Herren,
selten haben so viele Menschen am Anfang eines politischen Jahres die Lage als so beun- ruhigend empfunden - in Deutschland, in Europa, in der Welt. Angst bestimmt die Diskussi- on um die Terrorgefahr, die Sicherheitsdebatte, die Flüchtlingslage. Und alles wird in einem Topf vermengt und zusammen diskutiert. Und genauso wie es wichtig ist, Bezüge zu erkennen, Ängste ernst zu nehmen und reellen Gefahren etwas entgegenzusetzen, genauso muss man sich natürlich auch davor hüten, zu pauschalisieren und vorschnelle Schlüsse zu ziehen.
Lieber Herr Günther, ist doch wirklich kurios:
ausgerechnet Sie bemängeln den Überbietungswettbewerb bei neuen Vorschlägen, ich sa- ge Nebelkerzen, die in den Raum geworfen werden. Das ist doch Ihre Union, die darin Weltmeisterin ist. Vielleicht sollten sie das auch dorthin adressieren. Wir haben uns be- wusst entschlossen, in dieser Debatte den Fokus auf sexualisierte Gewalt zu legen, wohl- wissend, dass die Vorfälle in Köln sehr viele verschiedene Debatten angestoßen haben. Meine Damen und Herren, In der Silvesternacht sind viele Frauen in Deutschland Opfer sexualisierter Gewalt gewor- den. Die Polizei war nicht ausreichend vorbereitet. Sie konnte die Übergriffe in Köln nicht verhindern.
Es ist doch keine Frage: Eine gute Ausstattung der Polizei muss sichergestellt sein und für solche Fälle wie in Köln müssen angemessene Einsatzkonzepte geschaffen werden. Poli- zistinnen und Polizisten müssen im Umgang mit sexualisierter Gewalt umfassend sensibili- siert und geschult werden. Denn wenn jetzt selbst ernannte Hilfssheriffs die Straßen verun- sichern, angeblich um Frauen zu schützen, dann gefährdet das auch die Sicherheit. Seite 1 von 3 Und statt ausverkauftem Pfefferspray zur Selbstverteidigung müssen wir dafür sorgen, dass frau sich auf die Polizei verlassen kann und auch sicherstellen, dass die Polizei den Res- pekt erhält, den sie verdient. Von Polizei und Justiz wird jetzt erwartet, dass die Taten und ihre Hintergründe schnell und umfassend aufgeklärt werden.
Das wünschen sich die Opfer. Das erwarten auch diejenigen, die jetzt verstärkt Angst ha- ben. Das erwarten auch die Migranten und Migrantinnen, die in diesen Tagen zu Unrecht unter Pauschalverdacht genommen werden. Wie viele der Taten aufgeklärt werden, ist un- klar, wie viele der Täter verurteilt und bestraft werden können, auch.
Das ist unbefriedigend und wird gerne gleich als Staatsversagen betitelt. Aber auch das ist ein unsäglicher Begriff in dieser sehr aufgeheizten Debatte.
Meine Damen und Herren,
Gewalt gegen Frauen ist kein neues Phänomen der Silvesternacht 2015. Auch wenn es in dieser Dimension dort besonders deutlich wurde. Sexualisierte Gewalt wurde jahrzehnte- lang nicht hinreichend bestraft. Weil die Taten schwer überprüfbar sind und leider auch, weil entsprechende Gesetzesvorgaben nicht ausreichend sind. Alleine wenn wir uns daran erinnern, wie lange es gedauert hat, bis die Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde: Das ist doch Wahnsinn. Frauen werden immer noch auch in Deutschland Opfer sexualisierter Gewalt: in der Familie, im Job, auf dem Oktoberfest. Und leider nun auch in der Silvester- nacht.
Ein eindeutiges Nein zu sexuellen Handlungen muss als Grenze zur Strafbarkeit genügen - egal wie die Frau bekleidet ist oder ob sie überhaupt bekleidet ist. Es ist beschämend, dass die Bundesregierung erst die Vorfälle von Köln brauchte, um eine längst fällige Reform des Strafrechts anzugehen. Dabei liegt unser Gesetzentwurf dazu schon seit letztem Jahr im Bundestag vor.
Wo waren Sie denn da, liebe Union? An unserer Seite jedenfalls nicht. Abgetaucht würde ich mal sagen.
Meine Damen und Herren, das schwierigste an der Debatte um die Vorfälle in Köln ist es, die Diskussion auf der Basis von Fakten zu führen. Denn die öffentliche Diskussion dreht sich oft auch um Ängste und Wahrnehmungen. Es erschüttert mich, wie die Vorfälle in Köln und die damit einhergehen- de Verunsicherung eines Teiles der Bevölkerung, gerade der Frauen und auch der Men- schen mit Migrationshintergrund, jetzt instrumentalisiert werden.
Als ob die Pegidas und die Rechtspopulisten nur darauf gewartet hätten:
„Seht Ihr, wir haben Euch ja immer gewarnt“ und
„ Endlich darf man mal das sagen, was man denkt“.
Ja, mein Gott, wer hat denn den Menschen den Mund verboten. Kein Mensch.
In der Debatte geht es viel zu wenig um Fakten und konkrete Lösungen. Und diese Unter- stellungen bezüglich ideologischer Kritik an der Polizei und Frauen, die sich nicht trauen, Anzeige gegen Flüchtlinge zu erstatten, diese Unterstellungen benutzt die CDU in ihrem Antrag, weshalb wir trotz einiger Passagen, die wir teilen können, dem Antrag nicht zu-
2 stimmen können.
Meine Damen und Herren, mit den Flüchtlingen kommen weder massenhaft Frauenfeinde noch nur gute Menschen. Wenn sich Menschen im Schwimmbad nicht gut benehmen, muss das Konsequenzen ha- ben. Deshalb aber allen Menschen aus bestimmten Ländern den Eintritt zu verwehren, ist falsch.
Denn pauschal gilt nur eines: Für jeden Menschen, der hier lebt, gelten Gesetze und Re- geln. Das gilt es zu vermitteln: In Kita und Schule, in den Familien, in Integrationsangeboten vom ersten Tag der Anreise. Und zwar für alle Geflüchteten, nicht nur für einige aus einzel- nen Ländern.
Als Grüne streiten wir für einen starken und durchsetzungsfähigen Rechtsstaat, um Sicher- heit zu gewährleisten. Eine Beschleunigung der Verfahren, sowohl der Asylverfahren wie der Strafverfahren ist hingegen dringend erforderlich. Wir müssen wegkommen von einem Zustand, in dem junge Menschen hier jahrelang mit prekärem Aufenthaltsstaus und ohne Integrationsmöglichkeit leben. Das ist die integrati- onspolitische Antwort.

Meine Damen und Herren,
dass wir in Europa einen emanzipatorischen Vorsprung gegenüber einigen Ländern in der Welt haben, ist nicht zu verleugnen. Das habe ich auch als allein reisende Frau in Ägypten und Tunesien erlebt, ohne daraus ir- gendwelche statistischen oder pauschalierenden Rückschlüsse zu ziehen, fühle ich mich in arabischen Ländern als Frau anders als in europäischen. Ich werde dort anders behandelt als mitreisende Männer. Manchmal distanzierter, was zwischen Respekt und Ignoranz zu deuten ist. Manchmal aufdringlicher.
Das zu leugnen, ist genauso falsch, wie es zu verallgemeinern auf den Ägypter, den Ma- rokkaner oder gar den Muslim. Natürlich gibt es zwischen verschiedenen Ländern Unter- schiede darin, wie Frauen und Männer miteinander leben. Meine syrische Untermieterin freut sich jetzt schon auf den Sommer, wenn sie ohne bepöbelt oder belästigt zu werden in kurzen Hosen zum Basketballtraining gehen darf.
Ja wir haben in Europa eine emanzipiertere Gesellschaft als in vielen Ländern. Wäre ja auch blöd, wenn der jahrelange Kampf der Frauen zu nichts geführt hätte. Und doch wun- dere ich mich, wie viele Männer, die sich bisher besonders damit gebrüstet haben, diese Emanzipation ins Lächerliche zu ziehen, sich jetzt als Frauenversteher Nr.1 inszenieren.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Wir wollen keine sexualisierte Gewalt. Wir wollen keinen Rassis- mus. Weder in Deutschland noch anderswo auf der Welt. Das galt vor Silvester und das gilt genauso in Zukunft.
Wenn wir in dieser Frage gemeinsame Konzepte finden, dann wäre das ein guter Start in das Jahr 2016.

Danke
*** 3