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16.12.15
17:42 Uhr
SSW

Zu Protokoll gegeben: Flemming Meyer zu TOP 42 - Rückbau der Atomkraftwerke

Presseinformation Kiel, den 16. 12. 2015

Zu Protokoll gegeben



Flemming Meyer TOP 42 Rückbau der Atomkraftwerke Drs. 18/3608

Endlich geht es los: die Atomkraftwerke werden abgebaut. Das war jahrelang, ich kann sagen:
jahrzehntelang, das Hauptziel der Anti-Atomkraftbewegung. Die vermeintlich saubere
Energiegewinnung hinterlässt nämlich strahlenden Müll, der noch viele Generationen bedroht.
Gut, dass wir die Wende eingeleitet haben. Eine Energiewende, die von einem breiten
gesellschaftlichen Konsens getragen wird.
Doch so schnell wie die Anlagen gebaut wurden, so schnell werden sie nicht wieder
verschwinden. Dass sie das sollen, nämlich verschwinden, ist das erklärte Ziel Aller: keine
Einbetonierung dieses energietechnischen Irrweges, sondern ein vollkommener Rückbau! Wir
wollen keine Ruinen am Elbestrand, sondern anstelle der Atomkraftwerke neue
Nutzungsmöglichkeiten. Keine Betonsärge, sondern eine Neunutzung!
Der Rückbau ist für Deutschland beileibe kein Neuland: Es wurden hierzulande bereits
Kernkraftwerke und eine ganze Anzahl sonstiger kerntechnischer Anlagen vollständig abgebaut.
Allein von den 37 Forschungsreaktoren wurden inzwischen 28 zurückgebaut. Wie schwierig die 2
Aufgabe ist, zeigen die Arbeiten an der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, die seit 1993 - also
immerhin seit mehr als 22 Jahren zerlegt wird.
Aber es funktioniert. Das zeigen die drei Atomkraftwerke, die schon vollständig zerlegt sind:
Großwelzheim, Niederaichbach und das Versuchs-AKW Kahl. Aus den dortigen Prozessen
ergeben sich drei Schlussfolgerungen. Erstens: Abgeschaltete Kernkraftwerke lassen sich
vollständig abbauen, ohne Risiko für die Bevölkerung, die Umwelt und das Personal. Zweitens:
Erfahrenes Fachpersonal steht ausreichend zur Verfügung. Inzwischen mausert sich das
deutsche Know-how zu einem Exportschlager. Andere Länder profitieren von den
Pionierleistungen deutscher Ingenieure. Die Techniken für den Rückbau sind inzwischen erprobt
und eingespielt. Was für den SSW eine wichtige Rolle spielt ist, dass die Genehmigungsbehörden
gut eingebunden sind. Drittens: der Rückbau benötigt Zeit. Er ist ein Generationenprojekt und
dauert mindestens 12 bis 20 Jahre. Das zeigen alle Erfahrungen.
Die Zeit arbeitet aber gegen uns. Schließlich müssen die Abfallprodukte der Endlagerung
zugeführt werden. Die Suche nach einem passenden Endlager wird noch geraume Zeit in
Anspruch nehmen. Das Vertrauen der Bevölkerung ist nach den Hauruck-Aktionen der letzten
Jahrzehnte nachhaltig enttäuscht worden. Die Beteuerungen der Atomlobby hielten zu oft der
Wirklichkeit nicht stand. Dementsprechend aufwendig wird die Suche sein müssen; denn die
Bedenken der Bürgerinnen und Bürger müssen wir ernst nehmen. Vereinbart ist, dass bis
spätestens 2031 ein Ort für ein Endlager gefunden sein soll. Dann erst fangen die Bauarbeiten an.
Faktisch wird es wohl keiner der Anwesenden mehr erleben, wie der erste Atommüll in das neue
deutsche Endlager verbracht wird.
Während die Genehmigungen auslaufen, wachsen durch den Rückbau weiter die
Atommüllberge. Paradox: Wir schalten ab, um Müll zu vermeiden und produzieren erst einmal
noch mehr Müll. Und: wir wissen nicht, wohin damit. 3
Atomkraftgegner haben oft einen Vergleich bemüht, aber er stimmt noch immer: Wir haben ein
Flugzeug in der Luft und überlegen uns, wohin wir eine Landesbahn bauen werden. Alle hoffen,
dass dem Flieger zwischendurch nicht der Sprit ausgeht und abstürzt.
Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass inzwischen auch Bayern seine Bereitschaft erklärt hat,
Castoren aus Le Hague und Sellafield aufzunehmen.
Die Endlagersuche bleibt eine Angelegenheit, die alle Bundesländer betrifft; schließlich haben
alle auch den Atomstrom abgenommen. Bayern hat erkannt, dass es nicht völlig außen vor
bleiben kann.
Auch die Betreiber, die mit den Atomkraftwerken jahrelang gut verdient haben, müssen in das
Rückbaukonzept integriert werden. Genau das geschieht in Schleswig-Holstein in vorbildlicher
Weise. Allerdings müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Die konkrete Pflicht
zum direkten Rückbau der Kernkraftwerke muss im Atomgesetz verankert werden.
Entsprechende Initiativen sind auf dem Weg; aber noch nicht beschlossen. Denn die
Kraftwerksbetreiber nutzen ihre guten Kontakte zur Bundesregierung, damit die
Stilllegungspflichten eben nicht präzisiert werden. Die Schaffung besserer Instrumente auf
Seiten der Atomaufsicht, die die Umsetzung verbessern, liegt eben nicht in ihrem Interesse. Aber
im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.
Die Betreiber haben für die Kosten von Stilllegung sowie Zwischen- und Endlagerung der
radioaktiven Abfälle Rückstellungen gebildet und bereits in der Vergangenheit die Endlager-
Erkundung und -Errichtung anteilig zu ihrem Abfallaufkommen finanziert. In Brunsbüttel laufen
die Arbeiten ganz gut, in Krümmel allerdings stehen noch viele Aufgaben an. Gerade in der
Nachbarschaft des einstigen Problemmeilers ist aber der Wunsch nach einem schnellen Rückbau
besonders groß. Der Energiewendeminister ist aber auch hier auf einem guten Weg.