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03.12.15
09:26 Uhr
Landtag

Antidiskriminierungsstelle: Hinterbliebenenrente mit Spätehenklausel ist altersdiskriminierend

173/2015 Kiel, 3. Dezember 2015


Antidiskriminierungsstelle: Hinterbliebenenrente mit „Spätehen- klausel“ ist altersdiskriminierend
Kiel (SHL) – Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig- Holstein, Samiah El Samadoni, begrüßt ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsge- richts (BAG), nach dem eine sog. „Spätehenklausel“ altersdiskriminierend und so- mit unwirksam ist. „Auch bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers, wie der be- trieblichen Altersversorgung, darf keine altersabhängige Differenzierung vorge- nommen werden“, sagte El Samadoni heute in Kiel. Ob eine Person mit über 60 Jahren noch einmal heiraten möchte, sei einzig und allein seine oder ihre Entschei- dung. „Es ist willkürlich, wenn dies zum Beispiel vor dem 60. Lebensjahr gesche- hen muss, damit die Angehörigen später im Falle des Ablebens mit einer Hinter- bliebenenrente aus der betrieblichen Altersversorgung abgesichert sind“.

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall, der nun in Volltext erschienen ist, lebte ein versorgungsberechtigter Arbeitnehmer seit 1992 mit seiner Partnerin zu- sammen. Nach der Verlobung heiratete das Paar im Jahr 2008. Zu diesem Zeitpunkt war der Arbeitnehmer 61 Jahre alt, Ende 2010 verstarb er. Der Witwe wurden seitens der Un- terstützungskasse die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und die Hinterblie- benenrente verweigert. Grund hierfür war die Versorgungsordnung. Diese sah vor, dass ein Anspruch auf Witwenrente nur bestehe, wenn die Ehe vor Vollendung des 60. Le- bensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wurde. Da der Arbeitnehmer bei der Heirat aber bereits 61 Jahre alt gewesen ist, sei ein Anspruch ausgeschlossen. Hiergegen klagte die Witwe.

„Das BAG hat hier erfreulicherweise seine bisherige Rechtsprechung zu „Späteheklau- seln“ zugunsten der versorgungsberechtigten Angehörigen aufgegeben. Wir gehen davon aus, dass Arbeitgeber zukünftig auf derartige altersabhängige Regelungen in betriebli- chen Versorgungssystemen verzichten werden“, so die Bürgerbeauftragte.


Verantwortlich für diesen Pressetext: Tobias Rischer, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel ǀ Tel. 0431 988-1120 ǀ Fax 0431 988-1119 E-Mail: pressesprecher@landtag.ltsh.de ǀ Medien-Informationen im Internet: www.ltsh.de ǀ Der Landtag im Internet: www.sh-landtag.de 2


Hintergrund:

Während die beiden ersten Instanzen die Klage abwiesen, entschied das Bundesarbeits- gericht in seinem Urteil vom 4. August im Sinne der Klägerin und auch gegen die eigene bisherige Rechtsprechung. Das Gericht sah in der sogenannten „Spätehenklausel“ eine Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine sol- che Klausel, die die Zahlung der Witwenrente vom Alter des Arbeitnehmers bei der Hoch- zeit abhängig macht, benachteiligt ihn unmittelbar wegen des Alters und ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

Entgegen der Auffassungen der Vorinstanzen liegen auch keine Rechtfertigungsgründe für eine solche Benachteiligung vor. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG besagt, dass Altersgrenzen in betrieblichen Versorgungssystemen für Alters- und Invalidenrenten zulässig sind und eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Allerdings ist eine Hinterbliebenen- bzw. Wit- wenrente hiervon nicht umfasst, so die Richter. Ein weiterer Rechtfertigungsgrund nach § 10 Satz 1 und 2 AGG, wonach unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters zulässig sind, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind, lag hier ebenfalls nicht vor, weil es eine zu starke Benachteiligung älterer Arbeitnehmer darstellen würde.

Das Gericht ließ offen, ob sogenannte „Bestandsklauseln“, also Regelungen wonach die Ehe eine bestimmte Mindestdauer haben musste, um Versorgungsanspruche auszulö- sen, weiterhin Bestand haben.