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19.11.15
18:06 Uhr
SPD

Thomas Hölck zu TOP 23: Soziale Durchmischung der Quartiere ist die Basis der Integration

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 19. November 2015


TOP 23: Schaffung von bezahlbarem Wohnraum (Drs. 18/3523)



Thomas Hölck:
Soziale Durchmischung der Quartiere ist die Basis der Integration


Der Bedarf, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, war bereits vor dem Zustrom der Flüchtlinge vorhanden, nämlich dort, wo die Wohnungsmärkte angespannt sind. Die Situation wird sich nun verschärfen. Deshalb stehen wir vor der Herausforderung, den Wohnungsbau drastisch anzukurbeln. Dabei dürfen Zugezogene und Eingesessene nicht gegeneinander ausgespielt werden. Flüchtlinge und andere einkommensschwache Bevölkerungsgruppen dürfen auf dem Wohnungsmarkt nicht zu Konkurrenten werden.
Wer diesen Grundsatz nicht befolgt, gefährdet den sozialen Zusammenhalt in den Quartieren. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren oder unteren Einkommen, die schon lange auf eine bezahlbare Wohnung gewartet haben, sollen auch eine bekommen. Eine Benachteiligung darf es nicht geben, das würden viele nicht akzeptieren. Deshalb wollen wir bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen. Wir brauchen Eigentum, frei finanzierten und öffentlich geförderten Wohnungsbau. Denn die soziale Durchmischung ist von besonderer Bedeutung. Sie ist die Basis 2



der Integration in den Stadtteilen. Deshalb müssen wir Städtebau- und Wohnungsbaupolitik zusammen denken.
Wenn wir es schaffen wollen, 2016 5.000 neue Wohnungen zu errichten, wenn wir es schaffen wollen, in den nächsten vier Jahren 20.000 neue Wohnungen zu bauen, brauchen wir schnellere Genehmigungsverfahren, ausreichend Bauland, attraktive Förderbedingungen und Kapazitäten in der Bauwirtschaft.
Mangelnde Kapazitäten in der Bauindustrie diktieren vielerorts die Preise. Unternehmen sind aufgrund des Fachkräftemangels in der Ausweitung ihrer Kapazitäten begrenzt. Standardabsenkungen können einen Beitrag dazu leisten, die Baukosten wenigstens teilweise zu senken.
Geschosswohnungsbau zur Unterbringung von Flüchtlingen kann erst einmal auf die barrierefreie Erreichbarkeit der Obergeschosse verzichten. Wichtig ist, dass die Möglichkeit zur Nachrüstung eines Fahrstuhls jederzeit möglich ist.
Auch kann erst einmal auf Balkone verzichtet werden. Aber da wird es schon interessant. Häuser ohne Balkone werden dann schnell stigmatisiert als Häuser für Flüchtlinge und Arme. Für einen gewissen Zeitraum ist das akzeptabel, damit wir vorankommen, wenn darauf geachtet wird, dass Vorrichtungen zur späteren Montage von Balkonen vorgesehen werden, damit eine nachträgliche Aufwertung der Gebäude erfolgen kann. Als ein möglicher Weg sei hier das sogenannte „Kieler Modell“ zu nennen.
Die Diskussion über Rauchmelder und Wasserzähler sollten wir aber in diesem Zusammenhang von Standards nicht wieder führen. Der Brandschutz muss weiterhin umfänglich gelten, Abstriche sind abzulehnen.
Vielfach wird auch ein befristetes Aussetzen der Energie-Einsparverordnung diskutiert. Wohnungen, die wir heute bauen, halten 100 Jahre und noch länger. Bundesweit gibt es einen Bedarf für 2016 von 350.000 Wohnungen. Wenn die Energie-Einsparverordnung (EnEV) nur für ein Jahr ausgesetzt wird, bedeutet das, dass 100 Jahre diese Wohnungen mit einem erhöhten CO2 Ausstoß in der Landschaft herumstehen. Das können wir nicht wollen.
Ganz andere Kostentreiber müssen reduziert werden! Stellplätze sind im Wohnungsbau ein enormer Kostenfaktor. Je nach Lage und Ausführung kann ein Stellplatz bis zu 400 Euro pro m² 3



Wohnraumbaukosten ausmachen. Deshalb sind die Überlegungen des Innenministeriums richtig, die Anzahl der Stellplätze pro Wohnung zu reduzieren. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Größe der Abstellräume und die Reduzierung von Mindestdeckenhöhen.
Jede zusätzlich neu gebaute Wohnung erhöht das Angebot und schafft quantitative Entlastung. Der Haushalt, der eine neue Wohnung bezieht, scheidet im Regelfall für längere Zeit aus dem Kreis der Wohnungssuchenden aus.
Bei aller Neubaueuphorie: Die große Masse der Neubauten gehört dahin, wo der Bedarf nachhaltig gegeben ist. Nicht nur für 5 Jahre, sondern über einen langen Zeitraum hinweg. Deshalb müssen wir Fehlanreize vermeiden. Verbesserte steuerliche Förderungen oder Zuschüsse zu Investitionen in den sozialen Mietwohnungsbau in angespannten Wohnungsmärkten sind durchaus zu prüfen. Ein steuerliches Anreizinstrument, z. B. eine degressive Abschreibung – zeitlich befristet und regionalisiert – kann so eine Überlegung sein, den frei finanzierten Wohnungsbau weiter zu beschleunigen. Flächendeckende Steuersubventionen mit der Gießkanne darf es nicht geben.
Alle diese Überlegungen sind jedoch ohne Bauland null und nichtig. Wir brauchen eine Offensive für die Bereitstellung und Bevorratung von Bauland. Die Kommunen – da, wo der Bedarf am größten ist – sind gefordert, alle Register zu ziehen, um Bauland zu schaffen.
Der Bau einer Wohnung ist kein Hexenwerk. Die einzelnen Stellschrauben so zu verändern, dass wir in Fahrt kommen, ist jetzt unsere Aufgabe. Zugegeben: eine sehr diffizile Aufgabe. Aber sie ist lösbar.