Thomas Rother zu TOP 2: Zukunft der HSH hat soziale und gesamtwirtschaftliche Dimension
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 19. November 2015TOP 2, Regierungserklärung zur Grundsatzeinigung mit der Europäischen Kommission zur HSH NordbankThomas Rother:Zukunft der HSH hat soziale und gesamtwirtschaftliche DimensionDie Krise der Finanzmärkte vor gut sieben Jahren hat die Risiken des international verflochtenen Bankensystems offen gelegt. Die Politik hat insgesamt diese Banken- und Finanzkrise weder vorhergesehen noch abgewendet. Die Regeln für die Kontrolle der Finanzmärkte sowie die Anforderungen an die Risikovorsorge und die Kapitalstruktur der Banken sind seither verschärft worden. Das regulatorische Umfeld ist ein anderes als noch vor sieben Jahren.Die HSH Nordbank ist – wie viele andere Banken – erheblich von der Krise der Finanzmärkte getroffen worden und hat sich trotz schmerzlicher Einschnitte im Rahmen der Restrukturierung und trotz Hilfsmaßnahmen der Eigentümer nicht nachhaltig erholen können und unterliegt nun eben diesen erhöhten Anforderungen an Kreditinstitute.Durch die voreilige Senkung der von Hamburg und Schleswig-Holstein abgesicherten Garantiesumme von zehn auf sieben Milliarden Euro zur Reduzierung der Zahlungen für die Avalgebühr wurde ein neues EU-Beihilfeverfahren notwendig, um die alte Garantiesumme zu erreichen und die Kapitalstruktur abzusichern. Dabei wurde offenkundig, dass die bisherige 2Konstruktion zur Rekonstruktion der Bank aufgrund der hohen Avalgebühren und der hohen Kreditausfallrisiken aus Schiffsfinanzierungen – trotz Abbaubank – das Institut nicht dauerhaft trägt.Ohne ein Handeln an dieser Stelle wäre die Bank über kurz oder lang wohl nicht mehr lebensfähig. Denn wer würde mit einer durch die Ratingagenturen in Folge dessen immer schlechter bewerteten Bank Geschäfte machen? Einer Bank, deren Lebensfähigkeit in Frage steht? Ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse des Geschäftsverlaufs des letzten Quartals diesen Jahres dies schon widerspiegeln werden.Und es ist dem Hamburger Senat und unserer Landesregierung zu danken, dass nunmehr eine Vereinbarung mit den EU-Institutionen gefunden wurde, die nicht nur unser Landesvermögen tunlichst schont, sondern eine Perspektive für die Bank, ihre Mitarbeiter und ihre Kunden eröffnet. Und es ist bei diesen nicht ganz alltäglichen Verhandlungen Großartiges geleistet worden von Ministerpräsident Torsten Albig, Finanzministerin Monika Heinold und ihrem Staatssekretär Philipp Nimmermann, für das wir ihnen nicht nur Dank schulden, sondern unsere Anerkennung aussprechen sollten.Es wäre gut gewesen diese Anerkennung praktisch umzusetzen, wenn wir die Gesetzentwürfe zu den Staatsverträgen mit der Freien und Hansestadt Hamburg im Zuge der Beratungen der Regierungserklärung in erster Lesung jetzt hätten beraten können. Der Vorschlag des Vorsitzenden der Piratenfraktion zu einer raschen Aufnahme des Verfahrens war richtig. Leider ist er nicht bei seinem eigenen Vorschlag geblieben und hat sich der Haltung von CDU und FDP angeschlossen. So geht uns wertvolle Beratungszeit zu den Inhalten verloren, die von Formaldebatten aufgefressen wird. Dennoch sollten wir aber nicht so tun, als ob nun genau diese Gesetzesvorlagen nicht Gegenstand unserer Debatte jetzt wären! Nur um die weiteren Beratungen in die Länge zu ziehen!Die Notwendigkeit einer Entscheidung in Bezug auf die Errichtung einer Landesabwicklungsanstalt noch in diesem Jahr ergibt sich aus den Regelungen des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes, nach welchem Maßnahmen des Bundes – da geht es um die Befreiung vom Erfordernis einer Banklizenz sowie Anforderungen an das Eigenkapital – zum 31.12.2015 auslaufen und die schlichte Übertragung auf landesrechtliche Regelungen in 3Zweifel gezogen werden könnte. Hinzu kommt, dass zum 01.01.2016 europarechtliche Regelungen – der Single Resolution Mechanism – in Kraft treten, die eine landesrechtliche Kompetenz ebenso in Frage stellen.Und warum sollten wir nicht das schaffen, was in der Hamburgischen Bürgerschaft in deren Dezember-Tagung möglich ist – und bislang dort nur auf Widerstand der Linken gestoßen ist.Doch nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, worum geht es eigentlich? Natürlich in erster Linie um Geld. Bei Gründung der HSH Nordbank wurden 3,2 Milliarden Euro Eigenkapital bilanziert. 2007 kamen durch die Umwandlung stiller Einlagen in Eigenkapital 2,2 Milliarden Euro hinzu, 2009 wurden weitere 3,0 Milliarden Eigenkapital nachgelegt. Das macht in der Summe 8,4 Milliarden Euro. Bei 42,08 % Landesanteil sind das rund 3,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Verpflichtungen aus der Gewährträgerhaftung und der Bereitstellung der Garantie.Auch wenn es aus der Sicht der Bank zu begrüßen ist, dass die vorgeschlagene Lösung die Senkung der Avalgebühr auf 2,2 % der Bürgschaftssumme umfasst und damit die finanzielle Handlungsfähigkeit des Instituts gestärkt wird, so geht dies natürlich zu Lasten der Einnahmen des Finanzfonds von Hamburg und Schleswig-Holstein, für dessen Verluste wir gerade zu stehen haben und die dadurch steigen werden.Und ob die zu gründende Holding ihren Teil der Garantieprämie dann noch zu zahlen vermag, ist ebenfalls fraglich und hängt am Erfolg der Tochtergesellschaft bzw. dem Erlös aus deren Verkauf.Eine sofortige Abwicklung der Bank würde die Inanspruchnahme der Gewährträgerhaftung bedeuten – also teuer für uns werden, da diese noch immer über zehn Milliarden Euro liegt. Allerdings wird wahrscheinlich auch kein potentieller Erwerber der Bank diese Haftung ohne Gegenleistung übernehmen wollen, so dass wir auf den Resten dieser Summe bis zum Ablauf der Haftungsfristen wohl sitzen bleiben werden.Hinzu kommt bald die Übernahme von so genannten non performing loans – den faulen Krediten – in Höhe von 6,2 Mrd. Euro, die verwaltet und verkauft werden sollen, zu einem Preis, über den wir jetzt nur spekulieren können. Und die Preisdifferenz wird dann über die Garantie abzurechnen sein. 4Und wir können davon ausgehen, dass in dieses Portfolio wohl nicht die Papiere mit den größten Chancen zur Wertaufholung eingestellt werden. Daher wären mögliche Wertsteigerungen, um den genannten Differenzbetrag zu reduzieren, wohl eher Wunschdenken. Das bringt uns dann in der Summe bzw. mit dem schleswig-holsteinischen Anteil zu dem Betrag des zu schützenden Landesvermögens. Es bringt uns aber auch in den einzelnen Positionen zum Vergleich und der Bewertung der Alternativen in Bezug auf eine sofortige Abwicklung der Bank.Die Vertraulichkeit des Vorgangs verbietet es, an dieser Stelle Zahlen zu nennen. Ich fordere aber alle Abgeordneten auf, sich an der Sitzung des Finanzausschusses in der kommenden Woche zu beteiligen, um die Entstehung dieser Situation, um die Vorlage mit den Gesetzentwürfen zu den Staatsverträgen nachzuvollziehen und die Alternativen bewerten zu können.Es geht auch um Arbeitsplätze. In der Bank sind über 2.000 Menschen beschäftigt, davon rund 1.000 in Kiel. Auch wenn es immer mehr zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen im so genannten nicht-bankenspezifischen back-office-Bereich nach Kiel kam, ist die Beschäftigungssituation im Bankensektor alles andere als erfreulich. Und es sind eben nicht nur die „bösen“ Investmentbanker, die dort unterwegs sind, sondern ganz normale Arbeitnehmer, die einen guten Job machen möchten. Und wir haben eine besondere Verantwortung für diese Menschen und ihre Familien, weil die Bank eben zu einem guten Teil dem Land gehört.Und es geht auch um Kunden. Das sind in erster Linie Geschäftskunden, die das know-how der Bank schätzen, zu einem guten Teil aus der maritimen Wirtschaft stammen und ihre Geschäfte mit der HSH Nordbank finanzieren und durchführen. Das sind nicht nur institutionelle Großanleger, sondern auch viele Kleinanleger, die ihr Geld bei einer Bank in überwiegend öffentlichem Eigentum sicher angelegt haben und zu Recht für sich keine Gläubigerbeteiligung zur Schuldnerfinanzierung wollen. Und auch wegen dieser Kunden ist die HSH Nordbank für einen potentiellen Käufer interessant. Die Zukunft der HSH Nordbank hat daher eine soziale wie eine gesamtwirtschaftliche Dimension.Die von Seiten der EU-Kommission vorgegebene Aufspaltung der Bank in eine Holding und eine operativ tätige Tochtergesellschaft dient in dem Übergangszeitraum der Vorbereitung der Veräußerung der Tochtergesellschaft, die alle Aktiva und Passiva der Bank übernimmt. Es ist zu 5hoffen, dass in diesem Zeitraum die Beteiligung aller Anteilseigner an der Holding herbeigeführt werden kann und dass eine Verständigung mit den Sparkassen und J. C. Flowers erfolgt.Als 2003 die schleswig-holsteinische Landesbank mit der Hamburgischen Landesbank zur HSH Nordbank verschmolzen wurde, war die HSH sehr erfolgreich. Sie wurde Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung und machte sich international einen Namen. Sie hatte in den Jahren von 2003 bis 2007 ausgezeichnete Ergebnisse erzielt und hat dabei 1,3 Milliarden Euro an die Eigentümer ausgeschüttet. Es gab bis dahin stets positive Prüfvermerke und Ratings. Das Bilanzvolumen belief sich in besten Zeiten auf rund 180 Milliarden Euro – damals rund das 20- fache unseres Landesetats. Und auch das 10-fache war schon zu viel und ein viel zu hohes Risiko bei viel zu wenig know-how für Krisenzeiten.Daher ist die Privatisierungsauflage der EU-Kommission für die Bank auch nachvollziehbar – einer Bank, die ihre Landesbankfunktionen lange verloren hat und sich künftig hoffentlich mit neuen Eigentümern ohne staatliche Beihilfen dem Wettbewerb stellt.Um das alles in Gang zu setzen, ist die Zustimmung der beiden Länderparlamente erforderlich. Erst dann können die Landesregierungen die mit den EU-Institutionen getroffenen Vereinbarungen wirkungsvoll ausgestalten. Und über diese Maßnahmen müssen wir regelmäßig im Ausschuss und im Parlament von der Landesregierung unterrichtet werden. Es wäre gut, wenn wir alle Beratungsmöglichkeiten nutzten, um noch in diesem Jahr eine Entscheidung herbeiführen zu können. Damit können Rechtsunsicherheiten vermieden werden.Die Bank erhielte auch die notwendige Rückendeckung, um am Markt als gesicherter Partner bestehen zu können und genau die Erfolge zu erzielen, die Kunden, Mitarbeiter und Eigentümer von ihr erwarten, und letzten Endes unsere Haushalte so gering wie möglich zu belasten.