Jette Waldinger-Thiering: Die Grenzdokumentationsstätte sollte ein Ort der Bildung und Debatte sein
Presseinformation Kiel, den 14. 10. 2015Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 16 Förderung der Grenzdokumentation-Stätte Lübeck-Schlutup Drs. 18/3405 „Die Grenzdokumentationsstätte sollte ein Ort der Bildung und Debatte sein.“Mitten in die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit passt die Debatte umeine Dokumentationsstätte, die sich diesem Thema widmet, ausgesprochen gut. Während sichfür viele Westdeutsche kaum etwas geändert hat, hat der Osten eine als historisch zubezeichnende Veränderung erlebt. Und das betrifft alle Lebensbereiche; nicht nur die Politikund Öffentlichkeit, sondern eben auch Beruf und Familie. Gesprächsangebote, wie sie dasDokumentationszentrum beabsichtigt, sind also sehr notwendig; vor allem für dieNachgeborenen, die kein eigenes Erleben der deutschen Teilung und dessen Überwindunghaben.Dennoch stelle ich die Frage, ob die Diskussion um die Entwicklung und Perspektive derGrenzdokumentationsstätte Lübeck-Schlutup nicht besser im Ausschuss aufgehoben gewesenist als hier im großen Plenum. Ich meine ja, und zwar aus zwei Gründen: Erstens: Derzweizeilige Antragstext muss fachlich erweitert werden. Es kann hier nicht nur um Geld gehen, 2sondern um die perspektivische Entwicklung der Einrichtung. Zweitens: DieDokumentationsstätte muss in die Landschaft der Erinnerungsorte eingepasst werden. Das istbislang noch gar nicht passiert: Anschlussmöglichkeiten zu anderen Orten des innerdeutschenGedenkens müssen zunächst ausgelotet und auf Belastbarkeit untersucht werden. Dazugehören alle Orte in Schleswig-Holstein, die ihre Geschichte mit der einstigen Grenzeverbindet, etwa Lauenburg, Ratzeburg, Gudow und Büchen.Allgemein ist die zeitgeschichtliche Aufarbeitung der letzten siebzig Jahre in Schleswig-Holstein zum großen Bedauern des SSW bislang noch weitgehend akademisch und beschränktsich auf wenige Experten an den Hochschulen. Dabei ist die demokratische EntwicklungSchleswig-Holsteins seit dem Kriegsende enorm spannend und spannungsreich verlaufen.Die Dokumentationsstätte widmet sich der deutsch-deutschen Geschichte. Eine fachlich-didaktische Diskussion erfolgte meines Wissens noch nicht. Dieses gilt es nachzuholen undzwar am besten in kleinen Kreis im direkten Gespräch mit Fachleuten, der Landeszentrale fürpolitische Bildung und Gedenkstätten-Initiatoren; also im Ausschuss. Eines möchte ichklarstellen: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir im Ausschuss zu einer Entscheidungkommen können.Wir befinden uns mitten in einem spannenden Prozess, den die Kulturministerin durch dasGedenkstättenkonzept für die Erinnerungsorte der nationalsozialistischen Vergangenheitangestoßen hat.Sie antwortet dabei auf den strukturellen Wandel der Erwartungshaltung der Besucherinnenund Besucher gegenüber den Erinnerungsorten. Ich möchte es auf den Punkt bringen: Vitrinenmit einer Vielzahl von Ausstellungsstücken oder Schaufensterpuppen in Uniformen lassenKinder und Jugendliche links liegen. Sie suchen Bildschirme, auf denen Wissens- undErinnerungsinhalte aufbereitet werden; sie suchen interaktive Angebote, die dieWissensaneignung buchstäblich mit den Händen erlebbar macht und sie wollen möglichstabwechslungsreiches Material.Im Gedenkstättenkonzept werden genau diese Erwartungen zum Maß der historischenVermittlung erklärt. Dieser Weg ist richtig. Nur auf diese Weise kann die kritische Erinnerung 3an den historischen Orten gesellschaftsnah erfolgen. Beweissicherung, also der Verweis aufdas „So war es wirklich“, kann nicht das Hauptanliegen einer Ausstellung sein. Stattdessenmüssen Dialog und Auseinandersetzung mit historischen Entwicklungen im Vordergrundstehen. Die ausgestellten Dinge sprechen eben nicht für sich, sondern müssen erfahrbarwerden, indem sie in den aktuellen Kontext eingebettet werden.Es geht nicht darum, Geld in die Hand zu nehmen. Wenn die Mittel nicht in das Konzeptpassen, sind sie vergeudet; zum Fenster heraus geschmissen. Die Grenzdokumentationsstättesollte ein Ort der Bildung und Debatte sein. Der mangelnde Zuspruch von Schulklassen zurDokumentationsstätte, den Gert Meyer vom Landesfachausschuss Kultur der CDU Schleswig-Holstein in einer Pressemitteilung anführt, ist ein Indikator dafür, dass das noch nicht klappt.Und genau darum sollten wir eine vertiefende fachliche Diskussion im Ausschuss führen.Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html