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14.10.15
17:28 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Die Grenzdokumentationsstätte sollte ein Ort der Bildung und Debatte sein

Presseinformation Kiel, den 14. 10. 2015

Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 16 Förderung der Grenzdokumentation-Stätte Lübeck-Schlutup Drs. 18/3405

„Die Grenzdokumentationsstätte sollte ein Ort der Bildung und Debatte
sein.“


Mitten in die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit passt die Debatte um
eine Dokumentationsstätte, die sich diesem Thema widmet, ausgesprochen gut. Während sich
für viele Westdeutsche kaum etwas geändert hat, hat der Osten eine als historisch zu
bezeichnende Veränderung erlebt. Und das betrifft alle Lebensbereiche; nicht nur die Politik
und Öffentlichkeit, sondern eben auch Beruf und Familie. Gesprächsangebote, wie sie das
Dokumentationszentrum beabsichtigt, sind also sehr notwendig; vor allem für die
Nachgeborenen, die kein eigenes Erleben der deutschen Teilung und dessen Überwindung
haben.
Dennoch stelle ich die Frage, ob die Diskussion um die Entwicklung und Perspektive der
Grenzdokumentationsstätte Lübeck-Schlutup nicht besser im Ausschuss aufgehoben gewesen
ist als hier im großen Plenum. Ich meine ja, und zwar aus zwei Gründen: Erstens: Der
zweizeilige Antragstext muss fachlich erweitert werden. Es kann hier nicht nur um Geld gehen, 2
sondern um die perspektivische Entwicklung der Einrichtung. Zweitens: Die
Dokumentationsstätte muss in die Landschaft der Erinnerungsorte eingepasst werden. Das ist
bislang noch gar nicht passiert: Anschlussmöglichkeiten zu anderen Orten des innerdeutschen
Gedenkens müssen zunächst ausgelotet und auf Belastbarkeit untersucht werden. Dazu
gehören alle Orte in Schleswig-Holstein, die ihre Geschichte mit der einstigen Grenze
verbindet, etwa Lauenburg, Ratzeburg, Gudow und Büchen.
Allgemein ist die zeitgeschichtliche Aufarbeitung der letzten siebzig Jahre in Schleswig-
Holstein zum großen Bedauern des SSW bislang noch weitgehend akademisch und beschränkt
sich auf wenige Experten an den Hochschulen. Dabei ist die demokratische Entwicklung
Schleswig-Holsteins seit dem Kriegsende enorm spannend und spannungsreich verlaufen.
Die Dokumentationsstätte widmet sich der deutsch-deutschen Geschichte. Eine fachlich-
didaktische Diskussion erfolgte meines Wissens noch nicht. Dieses gilt es nachzuholen und
zwar am besten in kleinen Kreis im direkten Gespräch mit Fachleuten, der Landeszentrale für
politische Bildung und Gedenkstätten-Initiatoren; also im Ausschuss. Eines möchte ich
klarstellen: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir im Ausschuss zu einer Entscheidung
kommen können.
Wir befinden uns mitten in einem spannenden Prozess, den die Kulturministerin durch das
Gedenkstättenkonzept für die Erinnerungsorte der nationalsozialistischen Vergangenheit
angestoßen hat.
Sie antwortet dabei auf den strukturellen Wandel der Erwartungshaltung der Besucherinnen
und Besucher gegenüber den Erinnerungsorten. Ich möchte es auf den Punkt bringen: Vitrinen
mit einer Vielzahl von Ausstellungsstücken oder Schaufensterpuppen in Uniformen lassen
Kinder und Jugendliche links liegen. Sie suchen Bildschirme, auf denen Wissens- und
Erinnerungsinhalte aufbereitet werden; sie suchen interaktive Angebote, die die
Wissensaneignung buchstäblich mit den Händen erlebbar macht und sie wollen möglichst
abwechslungsreiches Material.
Im Gedenkstättenkonzept werden genau diese Erwartungen zum Maß der historischen
Vermittlung erklärt. Dieser Weg ist richtig. Nur auf diese Weise kann die kritische Erinnerung 3
an den historischen Orten gesellschaftsnah erfolgen. Beweissicherung, also der Verweis auf
das „So war es wirklich“, kann nicht das Hauptanliegen einer Ausstellung sein. Stattdessen
müssen Dialog und Auseinandersetzung mit historischen Entwicklungen im Vordergrund
stehen. Die ausgestellten Dinge sprechen eben nicht für sich, sondern müssen erfahrbar
werden, indem sie in den aktuellen Kontext eingebettet werden.
Es geht nicht darum, Geld in die Hand zu nehmen. Wenn die Mittel nicht in das Konzept
passen, sind sie vergeudet; zum Fenster heraus geschmissen. Die Grenzdokumentationsstätte
sollte ein Ort der Bildung und Debatte sein. Der mangelnde Zuspruch von Schulklassen zur
Dokumentationsstätte, den Gert Meyer vom Landesfachausschuss Kultur der CDU Schleswig-
Holstein in einer Pressemitteilung anführt, ist ein Indikator dafür, dass das noch nicht klappt.
Und genau darum sollten wir eine vertiefende fachliche Diskussion im Ausschuss führen.


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html