Beate Raudies zu TOP 16: Eine Gedenkstätte ist mehr als ein Ort mit historischem Bezug
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 14. Oktober 2015TOP 16: Bewusstsein für die Bedeutung der Deutschen Einheit aufrecht erhalten – Förderung der Grenzdokumentations-Stätte Lübeck-Schlutup (Drs. 18/3405)Beate Raudies:Eine Gedenkstätte ist mehr als ein Ort mit historischem BezugDie CDU beantragt heute jährliche Haushaltsmittel von 10.000 Euro für die Grenzdokumentations-Stätte in Lübeck-Schlutup. Dieser Antrag der CDU hätte ohne weiteres im Rahmen der Haushaltsberatungen gestellt werden können, wird nun heute aber im Plenum diskutiert. Es geht also um etwas Grundsätzliches. Daher erlaube auch ich mir einige grundsätzliche Anmerkungen.Man kann ja vertreten, dass Gedenkstätten nur Sahnehäubchen sind, die wir angesichts unserer Haushaltslage zum großen Teil einsparen und dem privaten Engagement überlassen sollten. Das ist nicht unsere Position, aber jeder ist ja frei, seine Prioritäten zu setzen. Insofern war es konsequent, dass die CDU beim Haushalt 2015 beantragte, die Mittel für die Förderung der Gedenkstättenarbeit von 230.000 Euro auf 120.000 Euro abzusenken, also fast zu halbierenIhr heutiger Antrag passt da nicht nur nicht ins Bild, er nimmt keinerlei Bezug auf die Diskussion, die nicht nur die Politik, sondern auch die fachlich interessierte Öffentlichkeit seit Jahren um 2Gedenkstätten führt. Angesichts der Geschichte unseres Landes geht es dabei selbstverständlich in erster Linie um Gedenkstätten, die über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufklären und an seine Opfer erinnern. An dieser Prioritätensetzung wird sich sicher auch nichts ändern.Es ist richtig, dass Schleswig-Holstein bis 1990 eine Grenze zur DDR und den Grenzübergang in Schlutup hatte. Bis in die frühen neunziger Jahre war Schlutup ein Verkehrsknotenpunkt zwischen Bundesrepublik und DDR – die Gift- und Sondermülltransporte nach Schönberg inbegriffen. Das hat sich gründlich geändert, Schlutup liegt heute weitab der Verkehrsströme.Aber auch andere Orte in Schleswig-Holstein verbinden ihre Geschichte mit der früheren innerdeutschen Grenze. Als Beispiel nenne ich nur den Bahnhof in Büchen, den Schaalsee oder den früheren Grenzübergang in Gudow. Es gibt ja bereits entsprechende Projekte: So erinnert beispielsweise das europäische Projekt „Iron Curtain Trail“ an die deutsch-deutsche Teilung.Unzweifelhaft ist die deutsche Teilung ein zentrales Thema der zeitgeschichtlichen und politischen Bildung, nachdem mittlerweile eine ganze Generation von Deutschen ohne eigene Erinnerung an die Zweistaatlichkeit und die damit verbundenen Erfahrungen lebt. Und es ist viel zu wichtig, als dass wir die Erinnerung daran nicht wachhalten müssen.In Schlutup wurde vor etlichen Jahren in einem ehemaligen westdeutschen Zollgebäude, das von einem ehrenamtlich arbeitenden Verein getragen wird, eine Ausstellung zum Thema „Deutsche Teilung“ eingerichtet. Viele der in unserem Land vorhandenen Gedenk- und Erinnerungsstätten sind nur vorhanden, weil ehrenamtliche Initiativen sich für ihre Errichtung und ihren Erhalt eingesetzt haben und immer noch einsetzen. Deswegen ist das ehrenamtliche Engagement in Schlutup auch ausdrücklich zu begrüßen.Wenn es aber darum geht, die Gedenkstätte aus Landesmitteln dauerhaft zu fördern, müssen wir doch andere Maßstäbe anlegen. Denn eine Gedenkstätte ist mehr als ein Ort mit historischem Bezug. Zu einer Gedenkstätte gehört eine Idee davon, an was ich erinnern, was ich vermitteln möchte. Nennen Sie es meinethalben ein Konzept. Denn auf Dauer genügt es nicht, nur umfangreiche Sammlungen zu präsentieren.Der Landtag hat in seiner Julisitzung über die politische Verantwortung für historische Erinnerung diskutiert. Wir waren uns einig, dass sich die Beteiligung des Landtags an der 3politischen Erinnerungsarbeit nicht auf einzelne Haushaltsanträge und gelegentliche Gedenkveranstaltungen beschränken darf.Lassen Sie uns also auch in diesem Fall gemeinsam überlegen, wie und wo wir der Erinnerung an die deutsche Teilung und die friedliche Wiedervereinigung in unserem Land Raum geben können. Deswegen beantrage ich die Überweisung des Antrags in den Bildungsausschuss.