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14.10.15
15:49 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zur Olympia/Paralympics-Bewerbung von Hamburg und Kiel

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 31 – Unterstützung der Olympia/Paralympics- Landeshaus Bewerbung Kiels für die Austragung Düsternbrooker Weg 70 der Segelwettbewerbe 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Dazu sagt der sportpolitische Sprecher Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de Burkhard Peters: www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 421.15 / 14.10.2015
Risiken und Nebenwirkungen müssen ebenfalls benannt werden
Meine Damen und Herren,
ohne Frage: Olympische Spiele können eine begeisternde Sache sein. Ich kann mich noch sehr gut an die wunderbare, gelassen-freundliche Stimmung in Deutschland im Sommer 1972 erinnern. Bis der Terroranschlag auf die israelische Mannschaft in Mün- chen den besonderen Zauber dieser Spiele jäh unterbrach. In einer Welt voller gewalt- tätiger Konflikte und brutaler Gräuel steht die olympische Friedensidee permanent auf der Kippe.
Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die großen Chancen und Vorteile der Hamburger und Kieler Bewerbung gerade beredt und überzeugend dargestellt. Dage- gen habe ich grundsätzlich nichts einzuwenden. Ich möchte aber auch ein paar kriti- sche Betrachtungen und Anmerkungen beisteuern.
Verstehen Sie das nicht als ein Infragestellen der Bewerbung im Grundsatz. Wir sind keine Spielverderber. Sonst hätten wir als Grüne Fraktion ja auch den vorliegenden An- trag nicht unterschrieben. Es gilt, was unser Grüner Kreisverband in Kiel in einem Mit- gliederbeschluss am 07.10. 2015 erklärt hat: „Die geplante Bewerbung der Stadt Kiel um die Ausrichtung der Segelwettbewerbe bei einer 2014 stattfindenden Sommerolym- piade sehen wir als große Chance für die Entwicklung der Stadt.“
Aber Risiken und Nebenwirkungen müssen ebenfalls benannt werden. Da ist an erster Stelle der sogenannte Host-City-Vertrag. Er regelt die vertraglichen Beziehungen zwi- schen dem Internationalen Olympischen Komitee und der jeweiligen Ausrichterstadt. Diese Verträge wurden in der Vergangenheit regelmäßig als Knebelverträge kritisiert.
Seite 1 von 2 Namhafte VerwaltungsrechtlerInnen kritisieren sie als in Teilen sittenwidrig (z .B. Prof. Gerrit Manssen, Uni Regenburg). Seit Mitte September liegt das Vertragswerk für die Spiele 2024 vor. Es würde auch für Kiel gelten. Danach übernimmt die Gastgeberstadt die alleinige Haftung und Gewährleistung aus dem Vertrag. Das IOC taucht dabei nicht auf. Diese einseitige Komplettübertragung von schwer überschaubaren Risiken auf die öffentliche Hand ist und bleibt fragwürdig.
Hoch problematisch ist auch, dass sich das IOC in dem Vertrag sogar Eingriffe in Grundrechte anmaßt. Nach Paragraf 14 a des Vertrags darf „ohne schriftliche Erlaubnis des IOC während der Spiele und eine Woche davor und danach keine öffentliche oder private Versammlung oder Konferenz stattfinden, die die Spiele beeinträchtigen könn- ten“. Das kann durchaus als ein Eingriff in Art. 8 Grundgesetz interpretiert werden.
Auch das Problem „Steuerfreiheit“ ist anzusprechen. Wie die FIFA verlangt auch das IOC bei den Wettkämpfen Steuerfreiheit. Das IOC und das lokale Organisationskomi- tee sollen für ihre gegenseitigen Zahlungen keine Steuern zahlen. Auch Überweisun- gen an ausländische AthletInnen, an IOC-Funktionäre, MitarbeiterInnen und Medien- vertreterInnen sollen nicht in Deutschland versteuert werden. Das soll für mindestens vier Jahre vor dem Beginn der Spiele gelten und danach noch für maximal ein Jahr. Es geht um Millionenbeträge, die nicht der Steuerpflicht unterliegen.
Die FIFA wurde eben schon bei der Steuerfreiheit genannt. Ihr kriminelles Innenleben ist uns in den letzten Wochen drastisch vor Augen geführt worden. Das Problem ist, dass das IOC von seiner Struktur her nicht wesentlich anders organisiert ist. Letztlich handelt es sich bei beiden um Vereinigungen von nicht demokratisch legitimierten, nur durch interne Mechanismen offenbar unzulänglich kontrollierte Honoratioren. Sie bewe- gen Milliardenbeträge und besitzen im Rahmen der Zuschlagsentscheidung, der media- len Verwertungsrechte und Gestaltung der Verträge mit den ausrichtenden Städten bzw. Staaten eine Überfülle an Macht.
Korruption und Machmissbrauch ist in dieser Grundstruktur tendenziell angelegt. Der laufende FIFA-Skandal um Sepp Blatter und Michele Platini lehrt uns, dass es mit der Grundorganisation dieser Vereine so nicht weiter gehen kann. Auch das IOC ist nach wie vor strukturell anfällig für Korruption und Machtmissbrauch. Die Korruptionsvorfälle im Zusammenhang mit der Vergabe der Winterspiele nach Salt Lake City 2002 haben das deutlich gemacht. Ob die „Agenda 2020“, für die der jetzige IOC-Präsident Thomas Bach steht, eine grundsätzliche Wende zum Besseren darstellt, wird genau zu be- obachten sein.
Kurz und gut, auch wenn zurzeit „Feuer und Flamme“ für Olympia und Paralympics an- gesagt ist: wir dürfen nicht unseren Verstand ausschalten, sondern die weitere Entwick- lung der Bewerbung wachsam und kritisch verfolgen, um Schaden von unserem Land abzuhalten. Wir werden deshalb laufend zu beobachten haben, dass die Prinzipien der Transparenz, der Bürgerbeteiligung, der Nachhaltigkeit und der finanziellen Tragfähig- keit gewahrt werden.
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