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17.09.15
11:42 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Der FDP-Entwurf schränkt die freie Schulwahl ein und entmündigt damit die Eltern im Land

Presseinformation Kiel, den 17.09.2015

Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 10 Entwurf eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Schulübergangsempfehlung und zur Stärkung der Durchlässigkeit zwischen den Schularten Drs. 18/3346

„Der FDP-Entwurf schränkt die freie Schulwahl ein und entmündigt damit die Eltern im Land“

Ich kann diesem Gesetzentwurf der FDP auch mit viel gutem Willen wirklich nichts Positives
abgewinnen. Die Gemeinschaftsschule soll offenbar zu einer Art Rumpf- oder Restschule
degradiert und das Schulwesen von einem Aufstiegs- zu einem Abstiegsmodell umgewandelt
werden. Damit macht die FDP genau das, was sie uns immer wieder vorwirft: Eine ideologisch
motivierte und eben nicht am Willen der Eltern orientierte Schulpolitik. Ein konstruktiver
Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Schulen sieht aus Sicht des SSW ganz sicher anders aus.


Neben der eher formalen Frage, ob wir hier im Parlament überhaupt über die Änderung von
Erlassen entscheiden können und sollen, sind vor allem inhaltlich einige große Fragezeichen
angebracht. Zwar soll laut Begründung die Durchlässigkeit zwischen Gymnasien und
Gemeinschaftsschulen verbessert werden - aber wenn überhaupt, dann geschieht das doch nur 2
in eine Richtung: Zunächst einmal sollen auf Wunsch der FDP möglichst viele Schülerinnen und
Schüler verbindlich in die Orientierungsstufe des Gymnasiums aufgenommen werden.
Lediglich in Fällen, in denen der Erste allgemeinbildende Schulabschluss als erreichbar
angesehen wird, soll es auf die Gemeinschaftsschule gehen. Damit würde also sehr früh und
sehr radikal selektiert. Um den Preis, dass viele Kinder im Zweifel dann lieber eine Erfahrung
des Scheiterns als eine des Aufstiegs machen. Und um den Preis, das wieder andere niemals
auch nur in die Nähe des Gymnasiums kommen. Das ist mit dem SSW ganz sicher nicht zu
machen.


Auch wenn es sich mancher oder manche vielleicht kaum vorstellen kann: Es gibt tatsächlich
viele Eltern, die sich ganz bewusst und noch dazu völlig freiwillig für das Modell des längeren
gemeinsamen Lernens entscheiden. Die den Weg zum Abitur an der Gemeinschaftsschule für
den besseren für ihr Kind halten. Und die nicht zuletzt auch einen gesteigerten Wert auf die
gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung legen. Dass sich ein
Gesetzentwurf, der - ich zitiere - „die Hochwertigkeit, Durchlässigkeit und Flexibilität des
Bildungssystems“ stärken soll, nicht mit einem einzigen Wort mit dem wichtigen Thema
Inklusion befasst, spricht wirklich Bände. Ich sage deshalb ganz deutlich: Die FDP hat gewiss
nicht den Willen und schon gar nicht die größtmögliche Autonomie der Eltern, sondern wieder
einmal die Wünsche einiger Weniger im Blick.


Wie wir sehen, soll die Schulübergangsempfehlung mit diesem Entwurf wieder eingeführt und
damit schon in der 4. Klasse so mancher Bildungsweg besiegelt werden. Mündige Eltern, die
diese Entscheidung durch unser Schulgesetz frei treffen können, würden damit faktisch
entmündigt. Und die Kinder, die erst später - in den Klassen 5 und 6 - mitunter erhebliche
Entwicklungssprünge machen, hätten schlicht und einfach Pech gehabt. Vermeintlich
Schwache auszusieben und all die Kinder, die dem Druck in der Orientierungsstufe am
Gymnasium dann doch nicht gewachsen sind, still und heimlich weg zu versetzen halte ich
definitiv für den falschen Ansatz. 3
Übergeordnet gesehen ist doch völlig klar, dass Rot-Grün-Blau unverändert zum Zwei-Säulen-
Modell aus Gemeinschaftsschulen und Gymnasien steht. Beide Wege sollen selbstverständlich
auch in Zukunft zum Abitur führen. Jede Schülerin und jeder Schüler soll unabhängig vom
finanziellen und sozialen Status der Eltern den bestmöglichen Abschluss erreichen können.
Und mit Blick auf die Zukunft ist eigentlich auch völlig klar, dass wir mehr junge Menschen zu
möglichst hochwertigen Abschlüssen führen müssen. Mit ihrer Initiative hier zeigt die FDP
dagegen aber nicht nur, dass sie diese Notwendigkeit gar nicht sieht. Sie zeigt vor allem auch,
dass sie sich lieber Gedanken darüber macht, wie junge Menschen möglichst effektiv von
gewissen Chancen ausgeschlossen werden können. Rückwärtsgewandter kann ein Ansatz
eigentlich kaum sein.