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16.09.15
11:55 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zum Landeshaushaltsplan 2016

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 7,8,34,44,46 – Haushalt 2016 Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die Vorsitzende 24105 Kiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Eka von Kalben: Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 370.15 / 16.09.2015


Humanitäre Hilfe darf und wird nicht an den knappen Ressourcen dieses Landes scheitern
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
heute diskutieren wir den Haushaltsplan 2016. Angesichts der aktuellen Situation er- scheint das irgendwie absurd. Wir erleben zurzeit, dass ein Plan, den wir heute fassen, morgen schon obsolet ist. Die Geschwindigkeit, in der Entscheidungen überholt sind, ist unglaublich.
Die Landesregierung hat sich schon bei den Flüchtlingsprognosen für dieses Jahr früh von den völlig unrealistischen Zahlen des Bundes verabschiedet und mit deutlich höhe- ren Zahlen geplant. Das war gut so und dafür danke ich Ihnen ausdrücklich, Herr Minis- terpräsident.
Doch, was wir in diesen Tagen erleben, das konnten wir uns wohl alle nicht vorstellen. Viele Tausend Menschen sind in Europa unterwegs. Weltweit 60 Millionen, so viele wie nie zuvor.
Und Deutschland ist einen Weg gegangen, der viel Anerkennung bekommen hat. Weltweit. Einen humanen Weg. Die anhaltende Hilfsbereitschaft in Schleswig-Holstein macht mich unglaublich stolz.
In Albersdorf, Seeth, Rendsburg, Kiel, überall, wo ich die neuen Erstaufnahmen be- sucht habe, traf ich auf Menschen, die ohne lang zu schnacken, einfach loslegen. Die sozialen Wohlfahrtsverbände, die Polizei, das UKSH, die Verwaltungen und die vielen BürgerInnen ohne Organisation. Die ohne Regelwerk und Vorschriften ein Hilfspro- gramm auf den Weg bringen, dass mich staunen lässt. Seite 1 von 5 Wie groß ist das Herz dieses kleinen Landes! Ein Dank an alle, die sich an diesem Pro- jekt beteiligen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Die begeisternden Bilder der Hilfsbereitschaft heute, das sind ermunternde Bilder, aber wir alle wissen auch, dass diese Bereitschaft alleine nicht reichen wird. Wir müssen nun zusehen, dass wir die Menschen klug integrieren. Dafür brauchen wir eine Strategie, konkrete Maßnahmen und auch Geld.
Auch wenn in der mittelfristigen Finanzplanung ein deutlicher Anstieg der Mittel einge- plant ist, so ahnen wir heute, dass das Geld in 2017 und 2018 von zirka 720 Millionen nicht ausreichen wird.
Humanitäre Hilfe darf und wird nicht an den knappen Ressourcen dieses Landes schei- tern.
Wenn es um das Leben von Menschen geht, dann ist Geld nicht viel mehr als bedruck- tes Papier.
Nicht nur Schleswig-Holstein, sondern alle Länder werden Schulden aufnehmen müs- sen, wenn der Bund keine ausreichende strukturelle Unterstützung leistet. Bei steigen- den Flüchtlingszahlen müssen die Mittel automatisch mitsteigen.

Sehr geehrte Damen und Herren, damit die Integration gelingt und die zu uns kommenden Menschen zu einem festen Teil von Schleswig-Holstein werden können, müssen wir Geld in die Hand nehmen. Was wir brauchen sind: mehr Lehrkräfte, eine bessere Ausstattung der Kitas, eine zu- sätzliche Unterstützung der Hochschulen im Land. Wir brauchen außerdem mehr Poli- zistInnen, eine Intensivierung des Wohnungsbaus und eine bessere Unterstützung der- jenigen, die Flüchtlinge betreuen, auch medizinisch.
Es geht hier um die Frage des sozialen Friedens im Land und deshalb handelt es sich um eine neue Lage.
Ich bin der festen Überzeugung: Es sind nicht nur die geflüchteten Menschen, die nun auf unsere Hilfe hoffen, es sind auch die unzähligen HelferInnen, die tagtäglich da sind. Auch sie brauchen ein Zeichen, dass wir ihre Arbeit stützen, dass wir sie flankieren und die Mittel bereitstellen, die gebraucht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die neue gesellschaftliche Herausforderung darf uns aber nicht daran hindern, auch darüber hinaus zu planen und zu gestalten.
Wenn wir ehrlich sind, dann wird die große Zahl der vertriebenen Menschen nicht zum Nulltarif integrierbar sein. Diese Wahrheit dürfen wir nicht vertuschen. Große Prozesse, große Veränderungen kosten in der Regel Geld.
Das war bei der Wiedervereinigung so, als von blühenden Landschaften gesprochen wurde und die Ernüchterung nach dem ersten Jubel groß war. Dieses Mal müssen wir
2 ehrlicher sein.
Nicht alles wird so weiter gehen wie bisher, aber trotzdem müssen wir auch nicht alles beiseitelassen, was wir uns für die künftigen Jahre vorgenommen haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, seit drei Jahren prägt die Küstenkoalition das Land. Wir setzen unsere politischen Schwerpunkte. Insbesondere in Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Das wird mit der Finanzplanung untermauert und auch in diesem Haushalt gehen wir große Schritte voran:
- Hundert neue Lehrkräfte kommen 2016 an die Schulen. 2017 werden wir insgesamt 728 Lehrerkräfte mehr haben, als ursprünglich geplant war. Jetzt zeigt sich, wie richtig die Entscheidung war, die Bafög-Mittel für Lehrkräfte einzusetzen, denn es gibt jetzt viele neue Kinder in Schleswig-Holsteins Schulen.
Und ich sagte es eingangs: Angesichts der hohen Zahl an neuen Kindern im Land und deren besonderen Bedürfnissen müssen wir da sicher noch nachlegen.
- Die Hochschulen im Land bekommen, was sie für eine topmoderne Forschung und Lehre brauchen. Die Grundfinanzierung der Hochschulen wird 2016 im ersten Schritt um zehn Millionen Euro angehoben.
- Wir entlasten die Familien mit Kleinkindern. 1200 Euro pro Jahr für ein Kind im dritten Krippenjahr.
Und natürlich muss die Qualität stimmen, denn es reicht ja nicht, die Kinder nur zu be- treuen. Deshalb wird es auch im U3-Bereich Verbesserungen in Höhe von 16,25 Millio- nen Euro geben. Die Mittel für die Sprachförderung in Kindertagesstätten werden ab 2016 um jährlich zwei Mio. Euro aufgestockt. Wir schaffen damit eine wichtige Grund- lage für einen erfolgreichen Bildungsweg auch für Kinder, die mit ihren Familien ge- flüchtet sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, die bisherigen Maßnahmen führen nicht zur Aufweichung des Konsolidierungskurses.
Doch was hören wir von ihnen? MEHR,MEHR, MEHR!
Wie beim Kleinen Häwelmann von Theodor Storm: Bei den Hochschulen, bei den Schulen, überall. Dabei beschweren Sie sich doch immer, dass wir mit den Rekord- steuereinnahmen nicht auskommen.
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, fast jedes Jahr verzeichnen wir Rekord- steuereinahmen. Das liegt daran, dass unsere Wirtschaft fast jedes Jahr wächst. Aber Sie vergessen: Gleichzeitig und vor allem bei guter Konjunktur steigen auch die Ausga- ben: für Löhne, für Sozialleistungen, für besondere Herausforderungen und ja, auch für die politische Gestaltung.
Konsolidieren heißt, dass wir das Land darauf vorbereiten, langfristig ohne neue Schul- den auszukommen.

3 Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, Sie beklagen die niedrige Investitionsquote. Und wir haben die Diskussion hier im Haus ja schon verschiedentlich geführt.
Auch wir würden gerne mehr bauen, aber reduzieren Sie doch nicht alles auf die Quo- te, auf eine Rechengröße. Wenn die Personalkosten und die Pensionskosten steigen, dann ist es mathematisch logisch, dass für einen höheren Prozentsatz die Investitionen überproportional steigen müssten.
Ich habe von Ihnen keine Vorschläge gehört, mehr Lehrerstellen zu streichen, mehr Po- lizeistellen abzubauen oder die Pensionen zu kürzen. Auch die Übernahme der Tarife für BeamtInnen haben Sie meines Wissens hier nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil, man hörte nur: MEHR, MEHR, MEHR.
Für uns ist die Investition in die Köpfe des Landes mindestens so wichtig wie die Inves- tition in Liegenschaften, in Straßen, in Breitbandausbau. Aber sie bilden sich in Quoten nicht ab und deshalb ist diese Diskussion nicht wirklich zielführend.
Erwecken Sie doch nicht immer den Eindruck, dass alles gleichzeitig geht: Konsolidie- ren, Bildung verbessern und Straßen von heute auf morgen sanieren. Das ist unredlich und populistisch.

Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Sommer habe ich einige Unternehmen in Schleswig-Holstein besucht. Vielen geht es sehr gut. Sie sind innovativ, sie sind heimatverbunden, sie schaffen Arbeitsplät- ze, auch für Flüchtlinge, und sie unterstützen unsere Gesellschaft.
Sie wünschen sich gut ausgebildeten Nachwuchs, also Investitionen in Bildung und sie beklagen die kleinteilige Verwaltungsstruktur im Land. Und natürlich ist zumeist auch das Thema Infrastruktur auf der Agenda. Und nicht nur die fehlenden Autobahnen oder maroden Straßen, sondern häufig auch die fehlende ÖPNV Anbindung für die Mitarbei- terInnen.
Den Investitionsstau in Schleswig-Holstein gibt es nicht erst seit gestern oder seit 2012 oder seit 2009. Nein, er ist über viele Jahre hinweg entstanden. Die Küstenkoalition hat da reinen Tisch gemacht. Jetzt, nach der Veröffentlichung des Infrastrukturberichts, können wir offen und ehrlich über die Defizite beraten.
Der Sanierungsbedarf bis 2024 beträgt 4,9 Milliarden Euro. 2,7 Milliarden werden durch die Finanzplanung gedeckt. Die Lücke wird durch das IMPULS-Programm geschlossen. Jedes Jahr 100 Millionen ab 2018, das ist schon eine Hausnummer.

Sehr geehrte Damen und Herren, Natürlich müssen wir heute für zukünftige Generationen unsere Infrastruktur auf Vor- dermann bringen. Und wir dürfen auch die Investitionen in den Klimaschutz nicht ver- nachlässigen. Jede Sanierung unserer Landesliegenschaften ist dafür ein wertvoller Ansatz.
Und Klimaschutz ist nicht irgendein Goodie, den man sich leistet oder nicht.

4 Gerade die aktuelle Krise zeigt doch, dass wir heute dafür sorgen müssen, dass wir nicht neue Fluchtgründe schaffen, indem wie die Lebensgrundlagen in vielen Teilen der Welt anhaltend zerstören. Alles andere wäre absolut kurzsichtig.
Die Forderung, Fluchtursachen zu bekämpfen, wirkt angesichts der aktuellen Bilder in den Nachrichten oft wie ein Ausweichmanöver, dennoch ist sie richtig und wichtig. Im- mer öfter flüchten Menschen aufgrund von Umweltkatastrophen wie der Dürre in Ostaf- rika. Deswegen sind Investitionen in den Klimaschutz so wichtig.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße, dass sich CDU und FDP an der Diskussion um die Zukunft der Infrastruk- tur beteiligen.
Etwas überrascht war ich dann aber schon, dass Sie, Herr Günther und Herr Koch, in einem Handstreich ihre bisherige Haushaltspolitik durch den Reißwolf gejagt haben. Sie wollten doch immer mehr Sparen als wir. Jetzt auf einmal ist Ihnen die schwarze Null egal. Stattdessen mehr Investitionen.
MEHR, MEHR, MEHR! Sparen, Investieren, egal: Hauptsache mehr.
Wir dagegen haben einen klaren Fahrplan vor Augen. Spätestens im Jahr 2018 startet das IMPULS 2030-Programm. Krankenhäuser und Hochschulen werden saniert, Stra- ßen auf den neusten Stand gebracht.
Wir denken über Legislaturperioden hinaus, wir sammeln die Mittel zur Sanierung, für diese oder die nächste Landesregierung. So wichtig ist uns das Projekt, deshalb sind ihre Vorwürfe auch unhaltbar.
Was über Jahrzehnte vernachlässigt wurde, muss auch über lange Zeit wieder aufge- baut werden. Dafür machen wir das IMPULS-Programm. Warten Sie ab, was wir alles vorhaben. Ich verspreche ihnen: Ihr Mund wird so schnell nicht mehr zugehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche mir Haushaltsberatungen, in denen unterschiedliche Prioritäten als solche auch deutlich werden. Wo Alternativen klar benannt werden.
Und Haushaltsberatungen, in denen wir uns an einer Stelle zumindest einig sind: Wir müssen die Herausforderung, vor der wir heute stehen, gemeinsam angehen. Wir müs- sen die Grundsteine dafür legen, dass aus dem heutigen Jubel der Gesellschaft nicht der große Frust entsteht.
Liebe Frau Heinold, liebe Monika, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Haushalts- politik dieses Landes genau so gestalten, wie Deutschland heute agiert: Mit Herz und Verstand.
Herzlichen Dank!
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