Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
17.07.15
13:45 Uhr
SSW

Zu Protokoll gegeben: Flemming Meyer - Dieser Verlust an Kompetenz und Sachverstand ist nur schwer zu verkraften

Presseinformation
Kiel, den 17. Juli 2015

Zu Protokoll gegeben:



Flemming Meyer TOP 34B Unabhängige Patientenberatung sicherstellen Drs. 18/3219

„In Pappe geschnitten: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Sanvartis hat überhaupt keinen Anreiz, unabhängig von den Krankenkassen zu beraten“

Die Patientenberatung soll in Schleswig-Holstein folgendermaßen aussehen: Wenn Sie eine
Beratung möchten, drücken sie die Eins. Möchten Sie eine individuelle Gesundheitsleistung
prüfen lassen, drücken sie die Zwei.
Das ist die Zukunft, wie sie die Bundesregierung in der Patientenberatung sieht. Eine Beratung,
die zentral von einem Duisburger Callcenter erfolgt. Bezahlt wird diese
Standardverschlechterung ausgerechnet von denen, die von einer Beratung profitieren sollen,
von den Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen der Krankenkassen. Die regionale Beratung, die
derzeit noch persönlich möglich ist, wird zugunsten des Gewinners des Bieterwettbewerbs um
die Dienstleistung der unabhängigen Patientenberatung beendet. Sicherlich ist es kein Zufall,
dass der Patientenberater der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, der diese
Entscheidung zugunsten von Sanvartis getroffen hat, auch aus Nordrhein-Westfalen kommt.
Dort ist Sanvartis nämlich tätig. 2
Persönliche Beratung in allen Fragen rund um die Gesundheit ist alternativlos. Patienten und
Angehörige möchten, dass sich das gegenüber Zeit nimmt und ihnen Vertrauen schenkt.
Gesundheit ist kein Massengut, das man einfach in Serie herstellen kann. Telefon-Beratung ist
anonym und benachteiligt alle Patienten, denen es nicht gelingt, ihr Anliegen wortgewandt auf
den Punkt zu bringen. Gerade ältere Patienten benötigen einen gewissen Anlauf, bis sie sagen,
wo der Schuh drückt. Manchmal muss man auch zwischen den Zeilen lesen können. Alles das
fällt flach bei einer Callcenter-Beratung, die keine personelle Kontinuität garantiert. Jeder neue
Anruf wird zu einem anderen Agenten weitergeleitet. Eine Beratung am Hörer wird darüber
hinaus von vielen älteren Menschen gemieden, weil sie aufgrund ihres eingeschränkten
Hörvermögens einfach nicht alles verstehen können. Sie sprechen lieber mit jemanden, den sie
auch sehen können. Darum ist eine Beratung mittels eines Callcenters völlig falsch. Fazit: die
Entscheidung für Sanvartis ist eine Entscheidung am Klientel vorbei.
Aber auch die Unabhängigkeit der Beratung ist zweifelhaft. Ich habe noch einmal zur Sicherheit
im Duden nachgesehen. Unabhängig bedeutet, dass man nicht von jemandem abhängig ist, dass
man frei und für sich bestehend handelt. Genau das kann Sanvartis nicht. Der Konzern arbeitet
für die Krankenkassen; zum Beispiel für die AOK Sachsen-Anhalt, wie ganz offen als Referenz auf
der Sanvartis-Homepage angegeben wird. Das Geschäftsergebnis von Sanvartis, also der
Gewinn, hängt von der Zufriedenheit der Krankenkassen als Sanvartis-Kunden ab. In Pappe
geschnitten: Wes Brot ist ess, des Lied ich sing. Sanvartis har überhaupt keinen Anreiz,
unabhängig von den Krankenkassen zu beraten. Damit ist die Grundlage einer unabhängigen
Patientenberatung nicht gegeben.
Aus beiden Gründen, der zentralen Callcenter-Beratung und der zweifelhaften Unabhängigkeit,
ist die Vergabe an Sanvartis falsch. Darüber hinaus verlieren wir durch den Betreiberwechsel in
Schleswig-Holstein erfahrene Beraterinnen und Berater. Dieser Verlust an Kompetenz und
Sachverstand ist nur schwer zu verkraften.
Ich würde mich freuen, wenn mehr Bundesländer den Verlust ihrer regional verfügbaren,
unabhängigen Beratungsqualität eine Absage erteilen würden. Bislang ist der ganze Vorgang
allerdings nur eine Randnotiz: eine weitere Seite im Buch mit dem Titel Gesundheitspolitik muss 3
sparen. Vor diesem Hintergrund ist mir natürlich völlig klar, dass sich in Berlin niemand von
unserem donnernden Signal eines Dringlichkeitsantrags aus der Ruhe bringen lässt. Zumal die
Entscheidung bereits für Montag ansteht. Dennoch sollten wir über unsere heutige Debatte
hinaus sicherstellen, dass sich so eine Entscheidung nicht wiederholt. Darum schlagen wir eine
Änderung des Sozialgesetzbuches vor. Ich hoffe, dass wir damit mittelfristig wieder den
Beratungsstandard bekommen werden, den wir gerade einbüßen.