Lars Harms: Für Symbolpolitik steht der SSW nicht zur Verfügung
Presseinformation Kiel, den 16. Juli 2015Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 14 Gesetzentwurf zur Aufhebung der Ermächtigung zum Abruf von Vorratsdaten Drs. 18/3193 „Für Symbolpolitik steht der SSW nicht zur Verfügung.“Lassen Sie mich eines klar stellen, auch wenn daran eigentlich kein Zweifel mehr bestehensollte: Der SSW lehnt eine anlasslose, massenhafte Vorratsdatenspeicherung in Deutschlandkonsequent ab. Daran gibt es nichts zu rütteln. Das ist Beschlusslage unserer Koalition, und dashaben wir auch – mit Ausnahme der CDU - gemeinsam hier im hohen Hause beschlossen.Aus Sicht des SSW sollen Telefonanbieter Bestands- und Verkehrsdaten nur in Art, Umfang undDauer speichern dürfen, wie dies für die Kundenverwaltung, Rechnungsstellung undeventuelle Reklamationen nötig ist. Und selbstverständlich soll unsere Polizei auch weiterhindie Möglichkeit haben, diese Daten abzurufen, wenn hierdurch im Einzelfall eine konkreteGefahr für Leib und Leben abgewendet werden kann. 2Die auf Bundesebene geplante Vorratsdatenspeicherung geht auch uns deutlich zu weit.Gleichwohl sollten wir uns nichts vormachen: Sie wird kommen.Bei der vorgeschlagenen Änderung zum Landesverwaltungsgesetz ist es wichtig,zwischen zwei wesentlichen Sachverhalten zu unterscheiden: Nämlich der Strafverfolgungeinerseits und der Abwehr von Gefahr für Leib und Leben andererseits.In Sachen Strafverfolgung gibt es für uns keinen Zweifel. Die anlasslose Speicherung derVerkehrsdaten von Millionen von Menschen aus der bloßen Vermutung heraus, der eine oderandere könnte zukünftig einmal kriminell werden, ist ein erheblicher Eingriff in dieGrundrechte der Menschen und durch nichts zu rechtfertigen.Die Erhebung und der Abruf zu diesem Zweck gehört deshalb untersagt, wenn wir unsweiterhin eine Gesellschaft wünschen, die auf Vertrauen statt auf Misstrauen basiert. Und hierkann ich zumindest für den SSW klar sagen: Das tun wir.Doch was ist mit der Gefahrenabwehr – und nur um die geht es ja bei der angesprochenenRegelung im Landesverwaltungsgesetz.Wollen wir wirklich unseren eigenen Polizeibehörden den Zugriff auf Daten verwehren, dienach dann geltender Rechtslage erhoben werden, wenn es darum geht, ein Menschenleben zuretten?Ich meine. Nein!Ich möchte nicht einer Mutter gegenüber stehen, dessen Tochter unter Androhung des Suizidsverschwunden ist, und ihr sagen müssen: „Sorry. Wir hätten da evtl. eine Möglichkeitherauszufinden, wo sie sich aufhält, aber wir haben beschlossen, diese Möglichkeiten nicht zunutzen.“ Das ist ein Punkt, wo ich lieber sage: „Sorry, Herr Breyer. Aber wenn diese Möglichkeitbesteht, ob wir nun wollen oder nicht, dann sollten wir nicht ausschließen, diese im Einzelfallbei gegebener Unerlässlichkeit auch zu nutzen.“ Denn sollte eine eingeschränkte Art derVorratsdatenspeicherung tatsächlich Rechtens sein, kann man eigentlich in Falle derGefahrenabwehr nicht auf das Nutzen dieser Daten verzichten. Denn auch das Recht auf 3körperliche Unversehrtheit – auf Leben - ist ein Grundrecht, das es abzuwägen gilt. Und genauan diesem Grundsatz, dass Grundrechte miteinander abgewogen werden müssen, hangeln Siesich bewusst vorbei. So funktioniert das aber nicht in unserem Rechtssystem. Insofern ist ihrAntrag in der Sache für uns nicht zustimmungsfähig.Doch auch formal gesehen macht es wenig Sinn, an Gesetzesverweisen herumzudoktern, dienoch auf dem OP-Tisch liegen. Der in ihrem Antrag genannte Paragraf ist in 2010 durch dasBundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden. Das ist ja gerade auch ein Teil derBeratungen zur Vorratsdatenspeicherung, die wir derzeit führen. Die Vorratsdatenspeicherungbedarf einer Neuregelung auf Bundesebene, da sie in bisheriger Form verfassungswidrig unddaher unzulässig ist. Der genannte Paragraf wird also über kurz oder lang verändert werdenmüssen. Wenn eine konkrete Neuregelung vorliegt, da bin ich nicht im Zweifel, dass wir unsdann hier im Hause eingehend damit auseinandersetzen werden, ob, wo und in welcher Formeine Anpassung unseres derzeitigen Landesrechts zu erfolgen hat.Die Piraten wollen nun den zweiten Schritt vor dem ersten machen.Erst einmal muss der § 113 a Telekommunikationsgesetz geändert werden und dann kann mansich ansehen, ob der Verweis darauf in dieser Form noch Gültigkeit haben soll oder nicht. Siewollen hier noch einmal Symbolpolitik machen, um ihre ablehnende Haltung gegenüber derVorratsdatenspeicherung herauszustellen. Für Symbolpolitik steht der SSW aber nicht zurVerfügung. Wir arbeiten hier sauber. Erst sollten wir sehen, was im künftigenTelekommunikationsgesetz steht und dann können wir entscheiden, ob bei uns Änderungennotwendig sind.