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16.07.15
12:22 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Kinder und Jugendliche aus Psychiatrien und Behinderteneinrichtungen müssen Anerkennung erfahren und sind keine Opfer zweiter Klasse

Presseinformation Kiel, den 16.07.2015

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 26 Fonds für die Heimerziehung Drs. 18/3173 (neu)

Die heutige Diskussion hat es noch einmal verdeutlicht. Niemand in diesem Hause bezweifelt,
dass ehemalige Kinder und Jugendliche aus Psychiatrien und Behinderteneinrichtungen
natürlich ebenso Zugang zu Entschädigungsmaßnahmen haben müssen wie die damaligen
Heimkinder.
Auch die Kinder und Jugendlichen in diesen Einrichtungen haben erhebliches Leid und Unrecht
durch damalige Erziehungs- und Therapiemaßnahmen erfahren. Und auch diese Menschen
haben mit gravierenden Folgeschäden ihrer Unterbringung zu kämpfen.
Dennoch wurden ausschließlich damalige Heimkinder berücksichtigt, als Bund, Kirchen und
Länder den heute als „Heimerziehung West“ bekannten Fonds errichteten.
Man müsste ein Unmensch sein, um die himmelschreiende Ungerechtigkeit dieser
Ungleichbehandlung nicht zu erkennen. Die Frage, ob hier Handlungsbedarf besteht, ist also
überhaupt nicht strittig. Dennoch bin ich ein wenig verwundert über den vorliegenden Antrag
der Piraten. 2
Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass die Landesregierung erst vor wenigen Wochen sehr
deutlich Stellung bezogen hat zu diesem Thema. Am 4. Juni diesen Jahres hat die
Sozialministerin in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Kollegin Franzen
unmissverständlich anerkannt, dass Kinder und Jugendliche in Psychiatrien und
Behinderteneinrichtungen Leid und Unrecht erlebt haben, das dem der Heimkinder
vergleichbar ist.
Allerdings hat die Sozialministerin auch deutlich gemacht, dass sie die Einschätzung der
Arbeits- und Sozialministerkonferenz teilt, wonach erhebliche Zweifel bestehen, ob eine
Fondslösung überhaupt geeignet ist, um das Leid dieser Menschen zu entschädigen.
Deshalb hat die ASMK im Jahr 2013 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um gemeinsam mit Bund
und Kirchen Alternativvorschläge zu erarbeiten.
Vor diesem Hintergrund muss ich mich ernsthaft fragen: Wenn nun alle guten Kräfte, wie wir
wissen, damit beschäftigt sind, eine bessere Lösung für morgen zu finden, warum kommen die
Piraten dann jetzt mit einem Vorschlag von gestern um die Ecke?
Wenn sich die Mehrheit der Länder einig sind, dass der Fonds nicht optimal funktioniert, dann
kann ich heute doch nicht einem Antrag zustimmen, der einseitig eine solche Fondslösung
fordert.


Wir reden hier im Hause viel und gerne über Barrierefreiheit, weil uns wichtig ist, dass jeder
Mensch ungehinderten Zugang zur Wahrnehmung seiner Rechte hat. Wie ist es eigentlich
damit bestellt beim Fonds Heimerziehung West?


Vor wenigen Tagen hat das Bundeskabinett eine Aufstockung des Fonds „Heimerziehung
West“ um 182 Mio. Euro beschlossen. Geld, das weiterhin ausschließlich ehemaligen
Heimkindern zusteht. Und wiederum nur jenen, die bis zum Ablauf der Anmeldefrist am
31. Dezember 2014 Ansprüche angemeldet hatten. Ist das barrierefrei, wenn die Anerkennung
von Leid und Unrecht davon abhängt, ob eine traumatisierte Person oder ihr Vormund in der
Lage war, Ansprüche fristgerecht geltend zu machen? Ich finde nicht. Wir müssen aber gerade 3
für Kinder und Jugendliche aus Psychiatrien und Behinderteneinrichtungen möglichst
barrierefreie Zugänge zur Entschädigung schaffen.
Ich will gar nicht ausschließen, dass sich ein Hilfsfond am Ende als die einzige praktikable
Lösung erweist, aber ich will mich nicht von vornherein darauf festlegen, bevor nicht alle
anderen Möglichkeiten untersucht worden sind.
Wichtig ist, dass sie größtmögliche Anerkennung erfahren und nicht Opfer zweiter Klasse
bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie dieses Unrecht im Westen oder im Osten erlebt
haben.