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19.06.15
13:06 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zum Europabericht 2014-2015

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 30 – Europabericht 2014-2015 Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der europapolitische Sprecher der Landeshaus Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Bernd Voß: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 267.15 / 19.06.2015

Europa funktioniert nicht, wenn man es in Gewinne- rInnen und. VerliererInnen spaltet
Vielen Dank an die Landesregierung für diesen Bericht.
Es ist gut, dass die Landesregierung sich in so vielen Bereichen außerhalb unserer Landesgrenzen in Kooperation mit Nachbarstaaten, mit Partnerregionen im Ostsee- raum, im Nordseeraum und anderswo so stark engagiert. Und ganz besonderen Dank auch an unsere „Außenministerin“ Anke Spoorendonk.
Liebe Anke, dieses Engagement brauchen wir. Wir brauchen eine schleswig- holsteinische Außenpolitik, gerade auch, wenn wir mit den Herausforderungen im eige- nen Land zurechtkommen wollen, hilft Abschottung und im eigenen Saft schmoren gar nichts. Kooperation und partnerschaftliches Miteinander über Ländergrenzen hinweg erweitert den Horizont und macht offen für innovative Lösungsansätze.
Vor drei Monaten haben wir hier über das Arbeitsprogramm der Europäischen Kom- mission und die Schwerpunkte der Fraktionen dazu debattiert und einen einstimmigen Beschluss hinbekommen.
Ich habe in meiner Rede die Herausforderungen formuliert, vor denen Europa heute steht – und ich sage bewusst Europa und nicht die EU, denn bei der Lösung der Zu- kunftsaufgaben darf die EU sich nicht abschotten – das sind Friedenssicherung, Stabili- tät und Integration, sozialer Ausgleich, Energiewende, Umbau der Wirtschaft.
Und der Bericht weist ja auch noch über die Grenzen Europas hinaus. Besonders beim Thema Migration und Flüchtlinge wird das deutlich. Wir sind aufgefordert, unseren Teil dazu beizutragen, dass Europa auch an seinen Außengrenzen das Prinzip der Men- schenwürde nicht in Frage stellt und die Menschenrechte nicht sicherheitspolitischen
Seite 1 von 2 oder gar wirtschaftspolitischen Erwägungen unterordnet.
Wir begrüßen es, dass die Europäische Kommission die Themen Migration und ge- meinsames Asylsystem weit oben auf die politische Agenda gesetzt hat. Die viel ge- bashte Kommission ist da in manchen Punkten weiter als manche nationalstaatliche Regierung, unsere eigene in Berlin eingeschlossen.
Wir haben zu diesem Thema ja eine Anhörung im Europaausschuss, gemeinsam mit dem Innen- und Rechtsausschuss durchgeführt und als Folge im letzten Landtag auch einen Beschluss zu mehr Flüchtlingsschutz in Europa gefasst: Seenotrettung gewähr- leisten, Kontrolle der Grenzschutzagentur Frontex durch das Europäische Parlament, humanitäre Visa sind dazu einige Stichworte.
Der Bericht ist so vielfältig und jedes einzelne Thema so wichtig, dass es schwer fällt, für die Debatte einzelne Aspekte herauszugreifen. Bemerkenswert ist zum Beispiel die neue polnisch/deutsch/schleswig-holsteinische Zusammenarbeit zur Kartierung von Munitionsaltlasten in der Ostsee, unter anderem auch in der Flensburger Förde.
Ein Thema ist jedoch dieser Tage von so großer Brisanz, dass ich nicht daran vorbei- komme, mich dazu zu äußern, obwohl die Landesregierung und auch wir hier im Par- lament keinen direkten Einfluss drauf haben, dass ist das Thema Wirtschafts- und Währungsunion, oder kurz gesagt Grexit.
Ich hoffe, dass es zu einer Einigung am Montag auf dem EU Gipfel kommt. Ich hoffe, das Experiment am lebenden Patienten eines Austritts Griechenland aus der Wäh- rungsunion bleibt uns erspart. Es hätte nicht nur für die griechische Bevölkerung eine noch weitere Verschlimmerung der ohnehin schon in Teilen desolaten Lebensumstän- de zur Folge. Es ist auch für uns mit unkalkulierbaren Risiken verbunden.
Eine Wirtschaft, die so stark auf Exporte ausgerichtet ist, wie die unsere, profitiert sehr stark von der gemeinsamen Währung, ist gleichzeitig auch sehr anfällig gegenüber In- stabilitäten im Währungssystem. Daher finde ich das Pokerspiel im Rat, an dem auch die Bundesregierung wesentlichen Anteil hat, nur schwer erträglich. Das kann auch ge- hörig schief gehen.
Noch eine aktuelle Meldung dieser Tage steht damit in Zusammenhang: Das Aufkauf- programm für Staatsanleihen der Europäischen Zentralbank war rechtens, so das Urteil des Europäischen Gerichtshofes von vor wenigen Tagen.
Gut, dass es da Rechtsklarheit gibt, für mich ist die Entscheidung auch nachvollziehbar, die sich darauf gründet, der Ankauf sei nicht dem Bereich der Wirtschaftspolitik zuzu- rechnen. Ich denke aber auch, dass die Handlungsweise der EZB eine Notmaßnahme ist und bleiben muss - letztlich eine Folge von Politikversagen im Bereich der Wirt- schaftspolitik ist. Wirtschaftspolitik, Steuerpolitik, auch Sozialpolitik, wird noch zu wenig als gemeinsame Aufgabe in der EU verstanden.
Hier sehe ich ein wichtiges Feld für weitere Integration. Auch das Europäische Parla- ment muss in diesen Bereichen mehr Einfluss bekommen. Die Politik, die Demokratie, darf nicht vor den Finanzmärkten kapitulieren. Europa funktioniert nicht, wenn man es in Gewinner und Verlierer spaltet. Eine Showdown-Politik à la Merkel mag sich die Bundeskanzlerin im Fernsehen anschauen. In der EU funktioniert sie nicht.
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